Universitätsrede bietet Blick ins Bundesgericht

Die jüngste Ausgabe der Universitätsreden gibt – wie der Titel sagt – einen «Einblick in die Tätigkeit einer Bundesrichterin». Gehalten wurde die Rede von Prof. Dr. Julia Hänni, Bundesrichterin und ehemalige Assistenzprofessorin an der Rechtswissenschaftlichen Fakultät.

Bundesrichterin Prof. Dr. Julia Hänni spricht an der GV des Universitätsvereins (Bild: Seline Rettenmund)

Die Existenz des Bundesgerichts mit Sitz in Lausanne und einem Standort in Luzern dürfte vielen bekannt sein. Doch was spielt sich eigentlich genau hinter den Türen der «national höchsten Rechtsmittelinstanz» (Art. 188 BV) ab? Was bedeutet es, Recht zu sprechen? Welche Aufgaben hat ein Gericht? Was macht ein Richter, bzw. eine Richterin? Im Rahmen der Generalversammlung des Universitätsvereins Luzern vom 31. März 2022 hat sich Bundesrichterin Hänni in ihrem Referat diesen Fragen gewidmet.

Dass Menschen Regeln für die Organisation ihres Zusammenlebens aufstellen, lasse sich bis zu den ältesten historischen Überlieferungen zurückverfolgen, erklärt Hänni einleitend. Recht zu sprechen heisse nichts anderes, als Regeln anzuwenden. Zum einen gehen mit Regeln immer auch Verhaltens-Spielräume einher. «Gleichwohl», fügt sie hinzu, «schaffen sie im Idealfall eine gewisse soziale Stabilität».

Weiter erläutert Hänni, wie die Anwendung des Rechts abläuft: Das Bundesgericht verteile die eingegangenen Fälle auf die zuständigen Abteilungen. In Lausanne hat es fünf Abteilungen, in Luzern zwei. Zu eingereichten Beschwerden werden Dossiers eröffnet und mit relevanten Akten ausgestattet. Auf eine erfolgreiche Prüfung der Akten folge ein Urteilsentwurf, also der «Entwurf für die konkrete Rechtsanwendung», wie die Bundesrichterin präzisiert. Dieser zirkuliere wiederum bei weiteren Richterinnen und Richtern. Das Gericht entscheide schliesslich, so Hänni, wie ein bestimmter Gesetzestext mit einem Einzelfall «in Beziehung gesetzt» wird. Wenn es zwischen den Richterinnen und Richtern keinen Konsens gibt, entscheide die Mehrheit. Dies sei keine empirisch wissenschaftliche, sondern eine verfassungsrechtlich-normative Entscheidung. Ein Gerichtsurteil erfolge also «gestützt auf eine juristische Gesamtabwägung», resümiert Hänni.

Die Luzerner Universitätsreden enthalten öffentliche Vorträge, die an der Universität Luzern gehalten wurden. Damit sollen wissenschaftliche Inhalte an eine breite Öffentlichkeit vermittelt werden. Die Publikationsreihe, die durch private Mittel finanziert wird, erscheint in unregelmässigen Abständen. In gedruckter Form sind die Luzerner Universitätsreden kostenlos beim Rektorat erhältlich.