Erfolgreicher 30. Willem C. Vis Moot

Nach sieben Monaten intensiver Beschäftigung ging der 30. Willem C. Vis Moot am 6. April 2023 in der Wiener Messe feierlich zu Ende. Das Luzerner Team konnte im renommierten Wettbewerb um einen fiktiven Schiedsfall nicht nur fachlich in der Schiedsgerichtsbarkeit und dem internationalen Handelsrecht neue Erfahrungen und Einblicke sammeln, sondern auch zahlreiche Freundschaften mit Studierenden und Praktizierenden aus aller Welt knüpfen.

Das Luzerner Vis-Moot-Team (v.l.): Jana Wallimann, Reto Flütsch, Linus Bättig, Dario Schönbächler (Co-Coach), Luca Rinaldo, Alina Krebs (Co-Coach), Chiara Bellucci (Co-Coach), Andrea Greub (Co-Coach), Sibylle Schneider (Co-Coach), Suzan Candan (Co-Coach). Auf dem Bild fehlen: Prof. Dr. Daniel Girsberger, Roxane Schmidgall (Head-Coaches), Jacqueline Temperli (Co-Coach)

Die Universität Luzern wurde am diesjährigen Willem C. Vis Moot von einem vierköpfigen Team vertreten, bestehend aus Jana Wallimann, Linus Bättig, Luca Rinaldo und Reto Flütsch. Die Reise begann im Oktober 2022 mit der Aufschaltung des fiktiven Schiedsfalles. Es folgte die schriftliche Phase des Moots, in der eine Klageschrift und eine Klageantwort zu verfassen waren. In der anschliessenden mündlichen Phase vertraten die Mooties die Standpunkte der jeweiligen Parteien mit Plädoyers vor erfahrenen Juristinnen und Juristen. Sowohl die gesamte Vorbereitung als auch der schriftliche und mündliche Wettbewerb fanden in englischer Sprache statt.

Das grosse Engagement aller Beteiligten führte auch dieses Jahr wieder zu einer beeindruckenden Entwicklung aller Mooties. Von Schiedsgerichtsbarkeits- und UN-Kaufrechts-Laien mutierten die Mooties zu regelrechten Expertinnen und Experten der diesjährigen Fallproblematik. Auch die schwierigen Fragen der Schiedsrichterinnen und -richter in der mündlichen Phase wandelten sich schon bald von einer Unsicherheit zu einer Stärke des Teams, welches Fragen gezielt nutzte, um die relevanten Fakten zu präsentieren und das Schiedsgericht vollumfänglich zu überzeugen.

Der Rechtsfall: Vertragsabschluss über Überwachungsdrohnen beeinflusst durch Korruption und Täuschung

Der Willem C. Vis Moot gewährt angehenden Juristinnen und Juristen Einblicke in die internationale Schiedsgerichtsbarkeit und in das internationale Handelsrecht. Es handelt sich dabei um den grössten und international bekanntesten Moot im Zivilrecht – fast 400 Universitätsteams aus aller Welt nehmen daran teil. Die fiktiven Fälle basieren jeweils auf aktuellen Themen.

Der diesjährige Fall handelt von einem staatlich beherrschten Unternehmen – hier der Beklagten –, das im Rahmen eines Infrastrukturentwicklungsprogramms ein Vergabeverfahren für Überwachungsdrohnen eröffnete und einen Kaufvertrag mit einem Drohnenhersteller – hier dem Kläger – abschloss. Als nach einem öffentlichen Aufschrei der Bevölkerung aufgrund eines Korruptionsskandals eine neue Regierung gewählt wurde, welche das Infrastrukturentwicklungsprogramm suspendierte, verweigerte das staatliche Unternehmen die Erfüllung seiner vertraglichen Pflichten. Es argumentierte, der Vertrag sei ungültig aufgrund der möglichen Korruption beim Zustandekommen des Vertrages sowie einer Täuschung durch den Drohnenhersteller in Bezug auf die Neuheit der Drohne. In der Tat hatte der Drohnenhersteller nur zwei Monate nach Vertragsschluss dem Markt eine neue und mutmasslich bessere Drohne präsentiert. Im Rahmen des diesjährigen Falles hatte das Team unter anderem zu beantworten, ob eine Sistierung des Schiedsverfahrens aufgrund der strafrechtlichen Untersuchungen betreffend die mögliche Korruption angebracht sei, ob das UN-Kaufrecht überhaupt auf (Überwachungs-)Drohnen Anwendung findet, und ob der Drohnenhersteller den Vertragspartner hätte darüber informieren müssen, dass eine neue Drohne «in der Pipeline» war.

Von Luzern nach Riga und via Stockholm und Helsinki nach Wien

Unter der Leitung von Prof. Dr. Daniel Girsberger und Rechtsanwältin Roxane Schmidgall und mit Unterstützung der Co-Coaches Dario Schönbächler und Jacqueline Temperli verfassten die vier Studierenden in intensiver Arbeit von Oktober bis Februar eine Klageschrift und eine Klageantwort. Die anschliessende mündliche Phase fand zur Freude aller Beteiligten erstmals seit der Pandemie ausschliesslich im Präsenzmodus statt. Für die mündliche Phase wurde das Coaching-Team mit Alina Krebs, Sibylle Schneider, Suzan Candan, Andrea Greub und Chiara Belucci verstärkt.

Das Team nutzte die Rückkehr zum normalen Präsenzmodus in vollen Zügen und absolvierte, neben zahlreichen Trainingsrunden bei Schweizer Kanzleien, drei Pre-Moots (Trainingsrunden) im Ausland: Zu Beginn reisten sie in das kalte und verschneite Riga, wo sie auf eine herzliche Gastfreundschaft trafen und erste Kontakte mit anderen Mooties knüpfen konnten. Danach ging es nach Helsinki, wo das Team neben Training und Sightseeing auch viele neue Freundschaften bei gutem Essen knüpfen konnte. Als letzten Pre-Moot vor Wien besuchte das Team Stockholm, wo es seine Argumente vor erfahrenen ausländischen Schiedsrichtern ein letztes Mal überprüfen konnte.

Als Krönung reisten die Mooties Ende März an die Finalrunde in Wien. Mit grosser Unterstützung des letztjährigen Teams und der Coaches wurde die Universität Luzern mit einer Gruppe von 14 Personen stolz in Wien vertreten. Der grosse Rückhalt des Teams zeigte sich nicht zuletzt in den hervorragenden Plädoyers. Neben dem teaminternen Austausch konnten sich die Coaches und Mooties auch mit den Mitgliedern der anderen 377 Teams aus aller Welt austauschen und trafen sich nach Feierabend auf ein Bier in der Moot-Bar «Aux-Gazelles». Der Willem C. Vis Moot hat alle Teilnehmenden sehr begeistert: Die Mooties stimmen nun dem Sprichwort «Once a Mootie, always a Mootie» uneingeschränkt zu. Wenig überraschend stellte sich auch während der Plädoyers die Mehrheit der Schiedsrichter mit dem Satz vor: «Vor x Jahren sass ich auf euren Stühlen als Mootie». Obwohl es für die Mooties schwierig ist, das Ende der einzigartigen Vis-Moot Reise zu akzeptieren, sind sie nun froh, keine Gegenargumente zu den Gegenargumenten mehr überlegen zu müssen. Dennoch fiebern sie schon dem 31. Willem C. Vis Moot entgegen und freuen sich, den neuen Schiedsfall im Oktober 2023 zu analysieren und erneut die Reise nach Wien, zur Unterstützung des nächsten Teams, anzutreten.

BEREITS MEHRFACH AUSGEZEICHNET

Das Luzerner Willem C. Vis Moot-Team war in den Vorjahren bereits mehrfach erfolgreich: Nicht nur gewannen sie regelmässig sogenannte «Honorable Mentions». 2016 brachten die Teilnehmenden mit dem «Pieter Sanders Award» sogar die Auszeichnung für die beste Klageschrift nach Hause. Auch wenn das Team dieses Jahr keinen Preis gewann, reiste es mit vielen wunderbaren Erinnerungen nach Hause und sieht auf die bereicherndste Erfahrung seiner Ausbildung mit strahlendem Gesicht zurück.

BEWERBUNG FÜR DEN WILLEM C. VIS MOOT 2023/2024 BIS 4. Juni 2023 OFFEN

Zurzeit läuft das Bewerbungsverfahren für die Aufnahme ins Luzerner Team der nächsten Austragung. Interessierte Studierende können sich bis Montag, 31. Juli 2023 bewerben.
Informationen zur Bewerbung

«Die Teilnahme am Vis Moot war eine sehr bereichernde Erfahrung für mich. So lernte ich etwa, komplexe Rechtsfragen präzise und überzeugend schriftlich darzulegen und mündlich zu präsentieren. Ich kann Studierenden nur empfehlen, am Vis Moot teilzunehmen. Die enge Betreuung, der grosse Lerneffekt und die Möglichkeit, Freundschaften mit Menschen aus der ganzen Welt zu knüpfen, machen diese Erfahrung zu einer einzigartigen Chance, sich persönlich und fachlich weiterzuentwickeln.» – Linus Bättig, Mootie 2022/2023.