Drei Fragen an Valentin Groebner
Vom 8. bis 11. Juli 2025 finden an der Universität Luzern die siebten Schweizerischen Geschichtstage statt. Im Vorfeld beantwortet der Geschichtsprofessor Valentin Groebner Fragen und erklärt, wieso sich ein Besuch lohnt.
Das Thema der diesjährigen Geschichtstage lautet „(Un)sichtbarkeit“. Können Sie anhand eines Beispiels erklären, inwiefern sich die Sicht- oder Unsichtbarkeit historischer Akteure auf unsere heutige Wahrnehmung der Vergangenheit auswirkt?
Valentin Groebner: Nehmen Sie die Kinderarbeit in schweizerischen Fabriken. Die hat es gegeben, jahrzehntelang. Nur gibt es keine Fotos davon. Oder den Ersten Weltkrieg: Fotografieren von Kampfhandlungen war unter den damaligen Bedingungen tödlich. Die Bilder, die unsere Vorstellung von 1914 bis 1918 bis heute prägen, sind gestellte Propagandaaufnahmen oder als nachträgliche Inszenierungen entstanden, in den Kriegsfilmen der 1920er. Bilder sind eben nicht selbstverständlich, im Gegenteil. Wer kann, wer darf, wer muss sie machen, wofür und für wen?
Bilder spielen eine entscheidende Rolle dabei, Geschichte sichtbar zu machen oder zu verfälschen. Welche Bilder bewegen die Geschichtswissenschaften aktuell am meisten?
Vermutlich die neuen digitalen Möglichkeiten zur nachträglichen Veränderung und Manipulation bewegter Bilder. Wie früher auf retuschierten Fotos kann man heute auch auf Filmen und Videos Dinge und Personen entfernen, auswechseln oder hinzufügen, wenn das Material erst einmal vollständig digitalisiert worden ist. Ums Zeigen und Verbergen geht es aber auch in den Debatten um Geldwäsche, um die Herkunft vieler Kunstwerke in Schweizer Museen und um sexuellen Missbrauch in der katholischen Kirche.
Warum lohnt es sich für Historikerinnen und Historiker, an den Geschichtstagen 2025 teilzunehmen und warum könnte die Veranstaltung auch für Interessierte ausserhalb der Geschichtswissenschaft spannend sein?
Weil dort das Neue passiert. Die Geschichtstage bieten einen aktuellen Überblick, wer wie und worüber in der Schweiz forscht. Nicht nur über Fotos und Medien, sondern auch vieles andere, von Religion und Werbung bis zu sozialen Spielregeln und Geschlechterrollen. Wissenschaft ist ein Bazar, ein verlockendes Labyrinth, ein Kaleidoskop – bunt und schnell und dauernd in Bewegung.
Infos zu den Geschichtstagen
Mehr Infos zu den siebten Geschichtstagen vom 8. - 11. Juli 2025 finden Sie auf der Webseite des Historischen Seminars oder direkt auf der Veranstaltungswebseite.