Open Science im Inter­nationalen Pri­vat­recht

Die Online-Plattform «Choice of Law Dataverse», die im Rahmen eines Forschungsprojekts an der Rechtwissenschaftlichen Fakultät entsteht, soll die Arbeit im Bereich des Internationalen Privatrechts zukünftig vereinfachen. Welchen Stellenwert Open-Science-Praktiken bei dem Projekt einnehmen und welche Vorteile, aber auch Herausforderungen diese mit sich bringen, erklärt Projektleiterin Agatha Brandão de Oliveira.

Projektteam des «Choice of Law Dataverse»
Das Projektteam des «Choice of Law Dataverse» (v. l.): Data-Driven UX/UI Designer Fabian Aiolfi, die Projektleiter Daniel Girsberger und Agatha Brandão de Oliveira, Data Architect Simon Weigold und Language Model Trainer Olga Shpakova. (Foto: Angela Buob)

Welche Rechtsordnung gilt, wenn ein juristischer Fall Bezüge zu mehreren Staaten aufweist? Das ist eine der Fragen, mit der sich Rechtsexperten angesichts einer zunehmend internationalen Rechtspraxis konfrontiert sehen. Das Forschungsprojekt «Choice of Law Dataverse» an der Rechtswissenschaftlichen Fakultät will nun mittels einer öffentlich zugänglichen Online-Datenbank die Transparenz auf dem Gebiet des anwendbaren Rechts in internationalen Handelsverträgen verbessern (s. Newsmeldung von Juni 2023).

Geleitet wird das vom SNF geförderte Projekt von Prof. Dr. Daniel Girsberger, Ordentlicher Professor für Schweizerisches und Internationales Privat-, Wirtschafts- und Verfahrensrecht sowie Privatrechtsvergleichung, und Forschungsmitarbeiterin Agatha Brandão de Oliveira. Letztere erklärt im Folgenden, was die Anwendung von Open-Science-Praktiken (s. Box unten) im Bereich des internationalen Privatrechts bedeutet.

Agatha Brandão de Oliveira, warum ist Open Science für Ihr Forschungsgebiet wichtig?
Agatha Brandão de Oliveira: Open Science ist erst dabei, sich in den Rechtswissenschaften zu etablieren. Auf den ersten Blick scheint Open Science für ein stark traditionelles Fachgebiet - in dem der Wissenstransfer über teure Fachbücher und Rat von Fachleuten erfolgt - nicht intuitiv. Doch genau hier liegt das Potenzial für Veränderungen: Die Demokratisierung des Zugangs zu juristischen Daten und die Vereinfachung des Verständnisses komplexer Konzepte ist der Schlüssel zu einer besser informierten Gesellschaft. Und dies ist ein erster Schritt zur Entwicklung besserer Gesetze. Was mein spezielles Forschungsgebiet, Internationales Privatrecht, betrifft, so kann Open Science die Kluft zwischen Rechtssystemen und unterschiedlichen Rechtskulturen überbrücken und dadurch mehr Informationen über marginalisierte Rechtssysteme liefern. Im Rahmen von Open Science können Forschungsergebnisse umfassender und schneller verbreitet werden.

Wie setzen Sie Open Science in der Praxis um?
Zunächst einmal mit offenen Forschungsdaten: Unsere Datenbank «Choice of Law» fördert den Austausch, die Bewahrung, das Zitieren, die Erforschung und die Analyse von Forschungsdaten zur Rechtswahl. Wenn diese Ergebnisse transparent geteilt und diskutiert werden, fördert dies auch den freien Zugang zu Publikationen (Open Access) und erleichtert Studierenden und Juristinnen und Juristen den Zugang zu qualitativ hochwertigen Informationen in digitaler Form, ohne hohe Kosten für die Lizenzierung von Datenbanken.

Was braucht es, damit Open Science gelingen kann?
Entscheidend ist, dass diese neue Kultur des Wissenstransfers finanziert werden kann. Genauer gesagt werden finanzielle Mittel zusammen mit IT-Support benötigt, um die notwendige Infrastruktur zu implementieren oder zu entwickeln. Es gibt heute zwar viele neue Tools und Möglichkeiten, um Open Science umzusetzen, aber einfach ist es immer noch nicht. So braucht es die Bereitschaft, etwas Neues auszuprobieren und unkonventionelle Formate zu testen. In den Rechtswissenschaften kann das beispielsweise bedeuten, das Buch als traditionelles Format für Sammelwerke oder Kommentare zu überdenken. Um einen nachhaltigen Weg zu Open Science zu finden, muss auch ein entsprechendes Engagement der wissenschaftlichen Community aufgebaut werden.

Open Science

Unter «Open Science» versteht man möglichst offene und transparente Prozesse in der Wissenschaft. Dazu gehören der freie Zugang zu wissenschaftlichen Publikationen (Open Access), der transparente und soweit möglich offene Umgang mit Forschungsdaten (Open Research Data), die Offenlegung von Code (Open Source) oder der Einbezug der Gesellschaft in die Wissenschaft (Citizen Science). Mit der kürzlich verabschiedeten Open Science Policy (s. aktuelle Newsmeldung) unterstreicht die Universität Luzern ihr Engagement für transparente und zugängliche Forschung und bietet ihren Angehörigen zusammen mit der Zentral- und Hochschulbibliothek Unterstützung bei der Umsetzung von Open Science. Mehr Informationen