Studienreise: 30 Jahre nach Srebrenica

Im Rahmen eines Blockseminars reisten Studierende der Universität Luzern nach Bosnien und Herzegowina. Dies, um sich unter anderem mit dem Genozid von Srebrenica und seiner Aufarbeitung auseinanderzusetzen.

Teilnehmende der Reise in Mostar

In diesem Frühjahrssemester wurde das Blockseminar «30 Jahre seit dem Genozid. Srebrenica als Chiffre in der künstlerischen und historischen Aufarbeitung» mit einer begleitenden Studienreise nach Bosnien und Herzegowina durchgeführt. Im Zentrum der Veranstaltung stand die Auseinandersetzung mit dem Genozid von Srebrenica. Die Teilnehmenden setzten sich insbesondere mit dessen Funktion als Symbol kollektiven Gedächtnisses, seiner Einbettung in politische Narrative sowie seiner Rolle als Ausdruck individueller Trauerverarbeitung und Bemühungen um Versöhnung auseinander. Die Seminarergebnisse werden am Mittwoch, 28. Mai, in einer Projektvorstellung präsentiert (17 Uhr, Uni/PH-Gebäude, Raum 3.A05). 

Reise durch historische Ortschaften

Die Reise begann in Mostar, einer Stadt mit osmanischer Architektur und komplexer ethnisch-religiöser Geschichte. Dort beschäftigten sich die Studierenden mit den politischen und sozialen Spannungen zwischen den verschiedenen Bevölkerungsgruppen.

Anschliessend ging es in die ostbosnische Region, die besonders stark von den Folgen des Krieges und des Genozids geprägt ist. Der Besuch von Srebrenica und der Gedenkstätte in Potočari bildete den zentralen Höhepunkt der Exkursion. Die Auseinandersetzung mit dem Genozid von 1995 und der Gedenkkultur vor Ort ermöglichte die Beschäftigung mit Erinnerung, Aufarbeitung und Gerechtigkeit.

Denkmal «Den Müttern, Frauen und Kindern von Srebrenica» in Potocari

Ein Besuch in Bratunac verdeutlichte zusätzlich die Herausforderungen öffentlicher Anerkennung und Aufarbeitung der Kriegsverbrechen. Bratunac diente während des Krieges als militärischer Stützpunkt und Durchgangsort, von dem aus Männer und Jungen zu den Hinrichtungsstätten transportiert wurden. Bis heute steht die Stadt symbolisch für die anhaltenden Spannungen sowie für die Weigerung, den Genozid anzuerkennen. Die Generalversammlung der Vereinten Nationen (UNO) hatte im vergangenen Jahr den 11. Juli zum jährlich zu begehenden «Internationalen Tag der Besinnung und des Gedenkens an den 1995 in Srebrenica begangenen Völkermord» erklärt (Communiqué der UNO zur Thematik).

In Sarajevo, der Hauptstadt von Bosnien und Herzegowina, reflektierten die Teilnehmenden die Nachkriegszeit, den Wiederaufbau, Versöhnungsprozesse und die Rolle internationaler Akteure.

Teilnehmende in der islamisch-theologischen Hochschule, Sarajevo

Selma, Studentin der Wirtschaftswissenschaften, berichtet, dass die zehntägige Studienreise nach Bosnien und Herzegowina für sie weit mehr gewesen sei als eine reine Bildungsreise – sie habe darin eine tiefgreifende persönliche und akademische Erfahrung gesehen. «Während wir uns intensiv mit der Geschichte des Landes und insbesondere mit den Ereignissen rund um Srebrenica auseinandersetzten, wurde schnell klar, dass das eigentliche Lernen weit darüber hinausging», erklärt sie. Sie erzählt weiter, dass sich in den Begegnungen mit politischen, religiösen und zivilgesellschaftlichen Akteurinnen und Akteuren verschiedene Perspektiven auf die komplexe gesellschaftliche Realität Bosniens eröffnet hätten. «Diese Gespräche haben mich gelehrt, die enorme Macht des gesprochenen Wortes zu erkennen», sagt sie und betont, dass jedes Wort Gewicht trage – es könne Brücken bauen oder Gräben vertiefen. Diese Erkenntnis, so fügt sie hinzu, habe sie dafür sensibilisiert, Sprache bewusster und verantwortungsvoller zu wählen. 

Gespräche mit Zeitzeuginnen und Zeitzeugen sowie Besuche von Gedenk- und Bildungseinrichtungen boten vertiefte Einblicke in historische Dokumentation, Erinnerungspolitik und gesellschaftliche Verantwortung im Umgang mit traumatischer Vergangenheit.

Aus unterschiedlichen Perspektiven

Das interdisziplinäre Blockseminar samt Studienreise ermöglichte den Studierenden eine vertiefte Auseinandersetzung mit der Aufarbeitung des Genozids von Srebrenica aus verschiedenen Perspektiven. Das Ziel der Kombination aus theoretischer Vorbereitung und empirischen Erfahrungen vor Ort war es, unterschiedliche Dimensionen erinnerungskultureller Prozesse zu analysieren und deren historische, politische sowie gesellschaftliche Kontexte kritisch zu reflektieren.

Geleitet wurde das Seminar von Prof. Dr. Boris Previšić, Titularprofessor für Kulturwissenschaften an der Kultur- und Sozialwissenschaftliche Fakultät, Dr. Almedina Fakovic von der Theologischen Fakultät und Dr. Martin Steiner vom interfakultären Institut für Jüdisch-Christliche Forschung (IJCF), der zudem mit Fabian Paff von der Hochschulseelsorge Campus Luzern für die Organisation der Studienexkursion verantwortlich war. Die Universitäre Lehrkommission (ULEKO), die Katholische Kirche im Kanton Luzern und die Fachschaft Theologie haben die Studienexkursion mitfinanziert.