«Die Gesellschaft heute sucht nach Orientierung»

Fünf Fragen, fünf prägnante Antworten des Gastreferenten der diesjährigen Otto-Karrer-Vorlesung. Dr. Heinrich Bedford-Strohm, Landesbischof der Evangelisch-Lutherischen Kirche in Bayern, hält sie am 27. September in der Jesuitenkirche.

Auf dem Flyer zur Otto-Karrer-Vorlesung sieht man Dr. Bedford-Strohm auf seinem Fahrrad. Dies bilde die Realität ab, sagt er, tatsächlich sei er ganzjährig in München fast immer mit dem Fahrrad unterwegs. Aber hier stehe es auch für das «Auf-dem-Weg Sein» und zwar klimaverträglich. Auf weitere Fragen antwortet der Theologe ebenso lebensnah wie präzise.

Heinrich Bedford-Strohm, Sie sind letzten Herbst ins höchste Amt des Ökumenischen Rates der Kirchen ÖRK gewählt worden. Was bedeutet Ihnen dies?

Das bedeutet mir sehr viel. Seit Jahrzehnten engagiere ich mich in der ökumenischen Bewegung. Die Ökumene ist mir ein Herzensanliegen. Wenn mir aber jemand aber gesagt hätte, dass ich einmal in dieses Amt gewählt werden würde, hätte ich ihm den Vogel gezeigt.

Braucht es überhaupt noch Ökumene? Die Kirchen sind heute für immer weniger Menschen relevant.

Gerade deswegen braucht es Ökumene umso dringender! Denn wie sollen wir denn Menschen für die Botschaft des Friedens und der Liebe gewinnen, wenn wir selbst unsere Trennungen nicht überwinden! Wenn wir uns an die Trennungen zwischen den Konfessionen gewöhnen, dementieren wir jeden Tag unsere eigene Botschaft.

Welche Bedeutung hat eine christliche bzw. «Öffentliche Theologie», wie Sie sagen, für die Gesellschaft heute?

Sie hat eine grosse Bedeutung. Denn die Gesellschaft heute sucht ja nach Orientierung. Da kann man auf das jahrtausendealte Orientierungswissen des Christentums nicht verzichten.

Was ist mit einer «Ökumene des Herzens» gemeint? Sind mit ihr bisherige Zielvorstellungen der Ökumene überholt?

Nein, Zielvorstellungen wie die sichtbare Einheit in versöhnter Verschiedenheit sind nicht überholt. Aber Papiere von Theologenkommissionen reichen für ihre Umsetzung nicht aus. Dass Christus Vorrang hat vor unseren konfessionellen Traditionen, muss wirklich in unser Herz einziehen.

Wenn Sie einen Wunsch frei hätten für die Ökumene: Was wäre das?

Mein grösster Wunsch ist, dass die Gemeinschaft zwischen den Konfessionen, die wir schon jetzt immer wieder erleben, auch am Tisch des Herrn möglich ist.

 

Otto-Karrer-Vorlesungen

Die Otto-Karrer-Gesellschaft – errichtet 1977 zur Erinnerung an das Wirken des Luzerner Theologen und Ökumenikers Otto Karrer und zur Weiterführung seiner Impulse – wurde im Januar 2002 in eine neue Institution an der Universität Luzern überführt. Seither laden die Theologische Fakultät und das Ökumenische Institut Luzern jährlich zur Otto-Karrer-Vorlesung ein und lassen dabei Persönlichkeiten aus Kirche, Gesellschaft und Politik zu Wort kommen.