Human Resource Management in Bewegung

Schweizer Unternehmen haben ihre interne Kommunikation intensiviert – dabei richten sich vermehrt auch Geschäftsleitungsmitglieder direkt an die Mitarbeitenden: Unter anderem dies zeigt die neueste CRANET-Erhebung.

Wie rekrutieren, motivieren und entwickeln Unternehmen in der Schweiz ihre Mitarbeitenden? Wie verändert sich die Rolle des Human Resource Managements (HRM) über die Zeit? Mit diesen Fragen beschäftigt sich CRANET, das weltweit grösste HRM-Forschungsnetzwerk, in dem die Schweiz mit dem Center für Human Resource Management (CEHRM) an der Universität Luzern repräsentiert ist. Nun liegen mit dem Bericht «HRM in Switzerland: People & Practices» (siehe Link auf das PDF unten) die Ergebnisse der neusten Schweizer Erhebung vor; diese wurde in Zusammenarbeit mit HR Swiss und ZGP durchgeführt. Die im Herbst 2021 gesammelten Daten beinhalten detaillierte Angaben zu HRM-Praktiken von 174 Unternehmen mit mindestens hundert Mitarbeitenden aus unterschiedlichen Branchen und Sprachregionen. Da die Stichprobe in Bezug auf Grösse, Sektor und Industrie mit der CRANET-Stichprobe von 2014 vergleichbar ist, erlauben die Ergebnisse spannende Einblicke in die sich verändernde HRM-Praxis in Unternehmen. 

Weitere Etablierung von Homeoffice

Anders als etwa in den USA können in der Schweiz im Zuge der abflachenden Corona-Pandemie keine Hinweise auf eine «Great Resignation» festgestellt werden. Im Gegenteil berichten Unternehmen sogar, dass die freiwillige Fluktuation leicht abgenommen habe; sie beträgt im Schnitt 7 Prozent. Nichtsdestotrotz hat die Pandemie das HRM in Organisationen stark beeinflusst: So nahm etwa die interne Kommunikation stark zu. Dies, um den veränderten Erwartungen der Mitarbeitenden in Zeiten der Pandemie gerecht zu werden und um die emotionale Bindung aufrechtzuerhalten. In der internen Kommunikation ist ausserdem ein Digitalisierungsschub zu beobachten: In 76 Prozent der Unternehmen werden elektronische Kommunikationskanäle häufiger als vor der Pandemie genutzt. In rund 31 Prozent der Firmen hat die direkte Kommunikation sowohl über den direkten Vorgesetzten als auch über die Geschäftsleitung zugenommen. Während zirka 80 Prozent der Unternehmen bereits vor der Pandemie ihren Mitarbeitenden Homeoffice-Möglichkeiten angeboten haben, sind es aktuell 96,2 Prozent (siehe zum Thema auch untenstehende Grafik).

Temporärarbeit: leichter Anstieg

Generell sehen sich Unternehmen heute – auch bereits vor der Pandemie – mit rasanten Veränderungen in ihrem Umfeld konfrontiert. Um diese Herausforderungen zu meistern, müssen sie flexibel und anpassungsfähig bleiben. Dies spiegelt sich auch in den Anstellungsform wider: Die Erhebung zeigt, dass flexible Arbeitsmodelle im Vergleich zu 2014 leicht zugenommen haben. Den Ergebnissen zufolge nutzen 88 Prozent der Unternehmen Temporärarbeit zur kurzfristigen Rekrutierung von Mitarbeitenden infolge von Auftragsspitzen, Unfall oder Krankheit. 61 Prozent der Unternehmen greifen zu Temporärarbeit zur Deckung des Personalbedarfs bei Projekten und rund 48 Prozent zur Bewältigung regelmässiger, saisonaler Auftragsschwankungen. Nur 5,4 Prozent der Unternehmen geben an, Temporärarbeit einzusetzen, um einen Einstellungsstopp zu umgehen oder um die Aufgaben, die in der Regel von der internen Personalabteilung durchgeführt werden (z.B. Gehaltsabrechnung), auszulagern. Unabhängig von den Gründen für flexible Arbeitsmodelle geben 64 Prozent der Unternehmen an, dass die fachlichen Anforderungen an temporäre Arbeitskräfte gleich hoch sind wie an Festangestellte.

Mitarbeitende und Vorgesetzte als aktive Akteure 

Im Vergleich zur letzten Datenergebung geben die Unternehmen vermehrt an, HR-Informationssysteme, HR Analytics und algorithmische Entscheidungshilfen zu nutzen. Dabei wird oftmals zu einem Outsourcing an externe, spezialisierte Partner gegriffen. Massiv gestiegen ist der Anteil derjenigen Unternehmen, die sogenannte HR-Self-Service-Systeme für Mitarbeitende anwenden: Dies hat sich seit 2014 verdoppelt und beträgt neu rund 66 Prozent. Solche webbasierten Programme erlauben es den Mitarbeitenden nicht nur, selbstständig die eigenen Personaldaten zu verwalten, sondern sie können bspw. die Möglichkeit zur Buchung eigener Schulungsmassnahmen, zur Personalisierung von Benefits Packages (z.B. Erwerb von Ferientagen) oder zur Planung der eigenen Karriere im Unternehmen umfassen. Auch Self-Service-Systeme für Vorgesetzte werden zunehmend genutzt. Was Personalentscheide anbelangt, findet im Vergleich zur vorherigen Datenerhebung öfter ein Miteinbezug direkter Vorgesetzter statt. Beschlüsse über Rekrutierung, Schulungen oder Vergütung indes werden in über der Hälfte der Unternehmen eher durch Vorgesetzte und nur in Absprache mit der HR-Abteilung getroffen. Anhand der Ergebnisse lässt sich der Trend bestätigen, demzufolge sowohl Vorgesetzte als auch Mitarbeitende selbst als aktive Akteurinnen und Akteure im HRM agieren und vermehrt HR-Aufgaben übernehmen.

Alles in allem zeigt sich gegenüber der Erhebung 2014, dass es gerade in den Bereichen Kommunikation, Flexibilität und Digitalisierung zu deutlichen Veränderungen gekommen ist. Die CRANET-Resultate legen nahe, dass die Corona-Pandemie diese Entwicklungen erheblich beschleunigt hat. 
 

Studie:

Pletscher, Marina / Sender, Anna / Staffelbach, Bruno (2022): HRM in Switzerland: People & Practices. CRANET Study Report 2022. University of Lucerne.

Erhebung 2014 und weitere Informationen zu CRANET 
 

Beteiligte Forschende:

Dr. Anna Sender, Leiterin des CRANET-Projekts in der Schweiz, Geschäftsführerin des Centers für Personalmanagement am Center für Human Resource Management sowie Oberassistentin und Dozentin an der Universität Luzern

Marina Pletscher, wissenschaftliche Assistentin und Doktorandin am Center für Human Resource Management, Erstautorin der Studie

Prof. Dr. Bruno Staffelbach, Professor für Betriebswirtschaftslehre, Direktor des Centers für Human Resource Management