Töchter und Söhne übernehmen politische Orientierung unterschiedlich

Töchter stimmen gemäss einer Studie der Politikwissenschaftlerin Mathilde van Ditmars eher mit linksorientierten Elternteilen überein. Männliche Nachkommen übernehmen hingegen gleich häufig linke oder rechte Einstellungen der Eltern.

Symbolbild Gleichstellungsthemen
Gleichstellungsthemen erhielten in den letzten Jahrzehnten mehr Aufmerksamkeit. Dieser Umstand ist womöglich mitverantwortlich für den Linkstrend bei der jüngeren weiblichen Generation.

In ihrer Studie hat Dr. Mathilde M. van Ditmars, Forschungsmitarbeiterin am Politikwissenschaftlichen Seminar der Universität Luzern, untersucht, inwieweit die Identifizierung im politischen Spektrum mit links oder rechts von Eltern und ihren Kindern übereinstimmen und ob dabei geschlechtsspezifische Dynamiken im Spiel sind. Für ihre Analyse stützt sich Van Ditmars auf bestehende Daten aus Deutschland und der Schweiz. Diese stammen aus Befragungen von Eltern und ihren Kindern im Alter von 16 bis 35 Jahren, die zusammen im selben Haushalt leben. Die Studie basiert auf Van Ditmars Dissertationsschrift und ihrer postdoktoralen Forschungsarbeit.

Schweizer Kinder leicht ähnlicher

Die Familie hat einen erheblichen Einfluss auf den Prozess der Ausgestaltung der politischen Einstellung, die sogenannte politische Sozialisation. Wie auch schon frühere Studien stellt Van Ditmars in ihrer Untersuchung eine grosse Übereinstimmung der politischen Einstellung von Eltern und ihren Kindern fest. Im Durchschnitt beträgt diese circa 50 Prozent. Bis zu 70 Prozent der Eltern haben mindestens ein Kind, das sich im selben politischen Lager positioniert. Die Ergebnisse für die Schweiz und Deutschland fallen ähnlich aus, jedoch zeigt sich in der Schweiz eine etwas höhere Übertragungsrate der politischen Einstellung als in Deutschland. Der Grund dafür ist, dass die Schweizer Befragten tendenziell eine grössere Bandbreite von links-rechts Positionen einnehmen und sich weniger um die politische Mitte konzentrieren. Mitte-Positionen werden also in der Schweiz weniger oft übertragen als in Deutschland, wo sich mehr Leute mittig und weniger als rechts einstufen als in der Schweiz. Eine Erklärung für diese Differenz könnte die unterschiedliche Auffassung von «links» und «rechts» in den beiden Ländern sein.

Töchter linker als Söhne

Junge Frauen scheinen sich konsequent links der Männer zu positionieren, unabhängig sämtlicher Konstellationen der elterlichen Orientierung. Ausserdem übernehmen männliche Nachkommen gleich häufig linke oder rechte Einstellungen der Eltern. Töchter hingegen stimmen öfter mit linksorientierten Elternteilen überein, egal ob es sich dabei um Vater oder Mutter handelt. Mütter und Väter werden, wenn es um die Übernahme von linker oder rechter Orientierung geht, von Töchtern und Söhnen als gleichbedeutend angesehen. Es zeigen sich hier als keine gleichgeschlechtlichen Dynamiken. Weiter wird die politische Sozialisation junger Frauen scheinbar stärker von Faktoren beeinflusst, die ausserhalb des heimischen Haushalts liegen als jene junger Männer, so Van Ditmars.

Der «Gender Generation Gap»

Die Resultate der Studie deuten auf einen Linkstrend in der jüngeren weiblichen Generation hin, was wiederum einen Generationenwechsel anzeigt. Dies deckt sich mit früheren Forschungen, die ebenfalls feststellten, dass sich Frauen häufiger politisch links positionieren als Männer. Da die Differenzen in der Positionierung bei jüngeren Generationen grösser sind, nennt man das Phänomen auch «Gender Generation Gap». Ein Grund für diese Kluft zwischen Geschlechtern und Generationen könnte laut der Studienautorin die erhöhte gesellschaftliche Aufmerksamkeit für Gleichstellungsthemen in den letzten Jahrzehnten sein, welche wiederum eher mit linksgerichteten Positionen assoziiert werden.

Einträchtige Eltern im Vorteil

Linksorientierte Eltern scheinen ihre Einstellung also mit grösserer Wahrscheinlichkeit an ihre Töchter weiterzugeben als rechtsorientierte. Für letztere ist es aber umgekehrt nicht wahrscheinlicher, dass sie ihre Einstellung an ihre Söhne weitergeben. Generell übernehmen Kinder eher die politische Orientierung ihrer Eltern, wenn zu Hause mehr über Politik diskutiert wird und insbesondere, wenn beide Elternteile sich dem gleichen Lager zugehörig fühlen. Stimmen die Eltern politisch überein, erhöht sich die Wahrscheinlichkeit zur Weitergabe der Einstellung um 15 bis 20 Prozent.

Mathilde van Ditmars Studie «Political socialization, political gender gaps and the intergenerational transmission of left-right ideology» ist im European Journal of Political Research erschienen und open access verfügbar.