Theologie: ein vielseitiges Studium für Kopf und Herz

Andrea Sabrina Canepa hat soeben ihr Bachelordiplom in Theologie entgegennehmen dürfen. Es ist ihr Zweitstudium – nach Rechtswissenschaften und verschiedenen beruflichen Stationen.

Absolventin Andrea Sabrina Canepa (Bild: Stefanie Korherr)

Sie sei immer etwas neidisch gewesen auf jene Leute, die genau wissen, was sie werden möchten. Andrea Sabrina Canepa hatte schon immer viele Interessen, was es ihr auch nicht immer ganz einfach gemacht habe, wie sie lachend erzählt. Man merkt gleich: Die vielen Interessen machen ihr dennoch mehr Freude als Kummer.

Zuerst das Vernunftstudium

Trotz der vielen Optionen hat sie sich nach der Latein-Matura zunächst für ein Studium entschieden, Rechtswissenschaften an der Universität Zürich sollten es sein. Mit dem Lizenziat in der Tasche begann sie 2009 ihren beruflichen Weg bei einem Impact Asset Manager, der in der nachhaltigen Entwicklungsfinanzierung aktiv ist, zum Beispiel bei der Vergabe von Mikrokrediten in Entwicklungs- und Schwellenländern.

Sie blieb während beinahe sieben Jahren, begleitete das Unternehmen vom kleinen Start-up bis zur grossen Firma mit weltweiten lokalen Niederlassungen und entwickelte dort das HR-Departement. So blieben zwar gewisse Anknüpfungspunkte zum ursprünglichen Studium, zum Beispiel zum Arbeitsrecht, doch es kamen noch ganz neue Aufgaben hinzu. Dass sie weder Anwältin noch Richterin werden wollte, hatte sie schon vor dem Abschluss des Studiums gewusst. So hat sie sich inzwischen mehrfach im HR-Bereich, unter anderem bis zur HR-Fachfrau weitergebildet, und auch zusätzliche Jahre Berufserfahrung in Grossunternehmen wie der Zürich Versicherungsgesellschaft oder bei Daimler in Deutschland gesammelt.

Aufgaben mit Sinn und Freude am Neuen

In Rapperswil-Jona aufgewachsen, lebt die 39-Jährige heute in Zürich und Berlin. Bei all ihren Tätigkeiten für internationale innovative Firmen, war Andrea Sabrina Canepa immer die Arbeit für und mit dem Menschen wichtig. Durch die Arbeit eine Sinnhaftigkeit zu erfahren und in einem dynamischen Umfeld immer Neues zu sehen, gehört für sie dazu. So auch bei ihrem heutigen Arbeitgeber, der neue Therapieformen für aggressivste Krebsarten entwickelt.

Wenn man ihren Lebenslauf liest, wird ausserdem noch klarer, wie vielfältig ihre Interessen sind. Neben ihrer Arbeit bei verschiedenen Unternehmen hat sie den Gestalterischen Vorkurs an der ZHDK absolviert, Weiterbildungen in visueller Kommunikation gemacht, Auslandaufenthalte absolviert und ist im Familiengartenverein Zürich-Wipkingen aktiv.

Doch wie kam sie nun zum Theologiestudium? Schon immer habe ihr Vater, ein treuer Zuschauer von Sternstunde Philosophie und Sternstunde Religion, ihr gesagt, mit ihrer Sprachbegabung, den breiten Interessen und Talenten sei doch das Theologiestudium das Richtige für sie. Nach der Matura habe sie das aber nicht wirklich in Betracht gezogen und sich erst einmal für ein Vernunftstudium entschieden. Nach einigen Jahren im Beruf zog es sie aber zurück an die Universität, das Studium als solches sowie die wissenschaftliche Auseinandersetzung mit Themen, das Lernen und Erweitern des Horizonts fehlten ihr.

Eine Freundin von Andrea Sabrina Canepa wurde zu der Zeit reformierte Pfarrerin und inspirierte sie mit ihren Erzählungen über den Beruf. Auch ihr Vater sei ihr wieder in den Sinn gekommen und wie er immer von der Themenvielfalt des Theologiestudiums erzählt habe, die doch so gut zu ihr passen würden.

Breit gefächertes Interesse

Der Entscheid fiel und sie hat ihn nicht bereut. Nach ihren Lieblingsfächern gefragt, zeigt sich abermals, wie viele Dinge sie interessieren: Da ist eine Arbeit zu queerer Exegese im Seminar «Gender und Macht im Alten Testament», eine über Sakralbauten des Christentums in der Antike und eine in Rechtsgeschichte zur Konstantinischen Schenkung. In Referaten hat sie sich unter anderem der St. Hedwigs-Kathedrale in Berlin und dem jüdischen Komponisten, Kabarettisten und Musikdichter Friedrich Hollaender gewidmet.

Die Wahl des Theologiestudiums, das so viele Themen und Fächerbereiche in sich vereint, war für Andrea Sabrina Canepa letztlich ein Entscheid für ein Studium nicht nur für den Kopf, sondern auch fürs Herz. Dafür hat sie sich die nötige Zeit genommen. Neben einem zunächst 60%- und zuletzt 100%-Pensum im Beruf war das auch nötig. Sie sagt es sei nicht immer einfach gewesen Studium, Beruf und Privatleben unter einen Hut zu bringen. Umso wichtiger war es, dass sie während den letzten Jahren stets auf die Unterstützung von Partner, Familie und Freunden zählen konnte.

Weiter kam hier auch das Flexstudium gelegen, ein Mix aus Fern- und Präsenzstudium, wo sich die Bachelorabsolventin je nach Pensum einen Präsenztag an der Universität wählen und die anderen Vorlesungen sogar während der Mittagspause im Büro oder abends digital verfolgen konnte. Wer zwischen den Zeilen liest, hat schon gemerkt: Andrea Sabrina Canepa arbeitet viel und gern.

Neues Netzwerk für die tiefgründigen Lebensfragen

Das Beste aus dem Studium seien aber neben der gelernten Fach- und Auftrittskompetenz die neuen Kontakte im ganzen deutschsprachigen Raum. So viele Ansprechpartnerinnen für die verschiedensten Themen zu haben, sei die grösste Bereicherung. Nicht zuletzt, weil es ja gerade in Glaubensfragen um zutiefst menschliche Themen gehe.

Die Freude über den erreichten Meilenstein, ein Bachelor-Diplom mit der Bewertung «Summa cum laude», ist gross. Nun geht Andrea Sabrina Canepa das Masterstudium an und kann sich auch vorstellen, dereinst zu doktorieren. Auch der Möglichkeit, einmal Pfarrerin zu werden, sofern das in der katholischen Kirche dann möglich wäre, verwehrt sie sich nicht. Wie bei allen ihren Entscheidungen auf ihrem Weg ist sie offen dafür, wohin sie führen. Als nächster Schritt steht nun eine Stelle als Senior Human Resources Manager bei Microsoft an, eine gute Möglichkeit die Tradition des ethischen Denkens auf die digitale Welt anzuwenden.