Soziologischer Standpunkt: «Erinnern ist mehr als Gedächtnis»
Wenn man viel vergisst, dann kriegt man oft zu hören, dass man ein schlechtes Gedächtnis hat. Doch liegt Erinnern wirklich nur an unserem Gedächtnis? Oder fliesst auch hier das Soziale mit ein? Und wer entscheidet eigentlich, ob etwas als erinnerungswürdig gilt?
Die Firmung der Tochter bleibt in Erinnerung, die Abstimmungen vor fünf Jahren hingegen nicht – oder andersrum. Unser Gedächtnis scheint selektiv, mal gut und mal schlecht. Prof. Dr. Nadine Arnold zeigt in der Kolumne «Soziologischer Standpunkt» jedoch, dass Erinnern eben kein rein psychologisches Phänomen ist. Die «mnemotechnische Sozialisation», so der Soziologe Eviatar Zerubavel, beschreibt, wie wir lernen, uns zu erinnern. Was erinnert werden soll, und was als irrelevant gilt, ist sozial abhängig: Insbesondere die Familie, später Freundeskreise oder auch das Arbeitsumfeld, prägen, was in Erinnerung bleibt. Anhand gesellschaftlicher Regeln lernen wir, dass die Namen unserer Ur-Ur-Grosseltern unwichtig sind, als Schweizerin das Jahr 1291 aber erinnert werden soll. Wie wir uns sogar an weit zurückliegende Ereignisse erinnern können – und warum Vergessen nicht einfach ein Zeichen für ein schlechtes Gedächtnis ist – zeigt die Kolumne. Zur Kolumne!
