Neuberufen: Nadine Arnold im Gespräch
Seit rund hundert Tagen ist Nadine Arnold Professorin für Soziologie mit Schwerpunkt Mikroorganisationssoziologie. Im Interview spricht sie über ihre Rückkehr an die Universität Luzern, neue Impulse in Forschung und Lehre und darüber, warum selbst ein «Doggybag» gesellschaftlich relevant sein kann.
Nadine Arnold, Sie haben an der Universität Luzern doktoriert und waren als Oberassistentin am Soziologischen Seminar tätig. Wie fühlt es sich an, wieder zurück zu sein?
Nadine Arnold: Die kurze Antwort wäre, dass es ganz wunderbar ist. Die etwas längere Antwort ist, dass ich mich wirklich freue, an dem Ort zurück zu sein, an dem ich meine akademische Laufbahn begonnen habe. Hier habe ich viel gelernt, wichtige Erfahrungen gesammelt und meine Begeisterung für die Organisationssoziologie entdeckt. In der neuen Rolle der Professorin ist es mein Ziel, diese Leidenschaft möglichst breit weiterzugeben.
Was ist Ihr bisheriges Highlight?
Ein besonderes Highlight für mich ist die Einführung unserer Kolumne «Soziologischer Standpunkt» in der «Luzerner Zeitung». Seit Februar äussern wir uns dort alle zwei Wochen zu gesellschaftlichen Themen aus soziologischer Perspektive. Damit veranschaulichen wir, was die Soziologie leistet, und hoffen zugleich, die Leserschaft etwas zu unterhalten. Ich denke, ein Blick in die bisher erschienenen Kolumnen lohnt sich.
Woran forschen Sie momentan?
Im Fokus steht stets die Rolle von Organisationen in der Gesellschaft, insbesondere wie neue Organisationsformen dazu beitragen, gesellschaftliche Herausforderungen zu lösen – oder eben auch nicht. So geht es beispielsweise um die Organisation von Lebensmittelabfällen und darum, wie verschiedene Organisationen (wie Lebensmitteltafeln, Biogasanlagen, Umweltorganisationen, Bundesämter, Hochschulen oder Beratungsorganisationen) miteinander interagieren, um die massive Verschwendung von Lebensmittelabfällen zu reduzieren. Ihre Interaktionen können dazu beitragen, dass ein verantwortungsvollerer Umgang mit Lebensmittelabfällen als weniger stigmatisierend wahrgenommen wird. Das bedeutet zum Beispiel, dass die Organisationen dafür sorgen, dass es mehr geschätzt wird, wenn Kantinen kleinere Portionen anbieten, um Verschwendung zu verhindern, oder wenn Restaurants uns einladen, Reste in «Doggybags» mitzunehmen.
Dieses Semester führen Sie drei Seminare durch. Worum geht es?
Passend zu dem, was ich forsche, geht es auch in meinen Seminaren um die zentrale Frage, wie verschiedene Organisationen – und damit meine ich Unternehmen, Genossenschaften, Umweltorganisationen, aber auch Krankenhäuser oder Universitäten – unsere Gesellschaft formen. Ein Seminar thematisiert zum Beispiel, wie partizipative Organisationsformen Lösungen für die sozial-ökologischen Krisen bieten können. Neben einer intensiven Auseinandersetzung mit der wissenschaftlichen Forschung dazu werden die gewonnenen Erkenntnisse auch mit einer Vertreterin der Stadt Luzern diskutiert. Dabei erkunden die Studierenden, wie Partizipation in der Luzerner Stadt- und Quartierentwicklung organisiert wird und inwiefern praktische Erfahrungen mit den wissenschaftlichen Ergebnissen in Einklang stehen.
Und was steht in Zukunft an?
Es geht darum, die soziologische Organisationsforschung voranzubringen – sowohl im Kontext internationaler Forschungsprojekte als auch innerhalb der Universität Luzern, wo die Organisationssoziologie spannende Schnittstellen zu verschiedenen Disziplinen aufzeigt. Vor allem geht es aber auch darum, die Studierenden für die Organisationsforschung zu begeistern und sie zu kritischen Denkerinnen und Denkern auszubilden. Sie sollen zukünftig unsere Gesellschaft mit ihren vielfältigen Organisationen auf wegweisende und verantwortungsvolle Weise mitgestalten.