"Schöpferische Zerstörung": Effekte einer Denkfigur in Marktgesellschaften

Öffentlicher Vortrag des Historikers Jakob Tanner, emeritierter Professor für Geschichte der Neuzeit, Ehrendoktor 2015 der Kultur- und Sozialwissenschaftlichen Fakultät der Universität Luzern

Datum: 17. November 2015
Zeit: 18.15 Uhr bis 20.00 Uhr
Ort: Universität Luzern, Frohburgstrasse 3, Hörsaal 5 (EG)

Der Ökonom Joseph A. Schumpeter erklärte "Innovation" zu einem Leitbegriff der Wirtschafts- und Wachstumstheorie. 1942 sprach er von der "schöpferischen Zerstörung" durch den konsequent dem Neuen verpflichteten kapitalistischen Unternehmer. Diese Fortschrittsorientierung stellt Traditionen in Frage. Sie verursacht neben Produktivitätsgewinnen auch soziale Kosten und wird von vielen als Zumutung empfunden. Dies führte in modernen Marktgesellschaften fortgesetzt zu ideologischen Kontroversen und politischen Konflikten.

Dieselbe Problematik macht auch den heutigen Kult der Kreativität, wie er weit über die Wirtschaft hinaus in allen Lebensbereichen zu beobachten ist, zu einer zwiespältigen Sache. Der Vortrag von Jakob Tanner, dem die Kultur- und Sozialwissenschaftliche Fakultät der Universität Luzern am 5. November für seine Verdienste in der Forschung die Ehrendoktorwürde verlieh wurde (Laudatio), spürt aus historischer Perspektive der spannungsreichen, widersprüchlichen Verbindung von Kreativem und Destruktivem nach und bezieht diese zum Schluss auf die grossen Herausforderungen der Gegenwart. 

Jakob Tanner, geb. 1950, ist Professor em. für Geschichte der Neuzeit an der Forschungsstelle für Sozial- und Wirtschaftsgeschichte und am Historischen Seminar der Universität Zürich. Vor Beginn seiner langjährigen Tätigkeit in Zürich im Jahre 1997 lehrte er an verschiedenen Universitäten, absolvierte Forschungsaufenthalte in London, Paris und Washington und erhielt im Jahr 1996 auch einen Ruf an die Universität Bielefeld.
Von 1996 bis 2001 war Jakob Tanner Mitglied der Unabhängigen Expertenkommission Schweiz-Zweiter Weltkrieg (Bergier-Kommission). Anschliessend hielt er sich in den Jahren 2001 und 2002 als Fellow am Wissenschaftskolleg und als Gast am Max-Planck-Institut für Wissenschaftsgeschichte (beides Berlin) auf. 2004 gründete Jakob Tanner das Zentrum für die Geschichte des Wissens mit, dem er bis heute angehört; von 2004 bis 2009 forschte er als Fellow am Collegium Helveticum (beides ETHZ und UZH). 2011 weilte er als Senior Fellow am FRIAS (Freiburg i.B.).

Jakob Tanner ist (Mit-)Herausgeber verschiedener historischer Zeitschriften. Seine Forschungsschwerpunkte sind Geschichtstheorie, Geschichte der Schweiz und Europas, Wirtschafts-, Finanz- und Unternehmensgeschichte, sowie Wissenschafts-, Körper-, Ernährungs- und Medizingeschichte. Darüber hinaus zeigt er Interesse für transdisziplinäre Forschungszugänge und publizierte zur historischen Anthropologie und zur Wissensgeschichte. Seine neueste Monografie mit dem Titel "Geschichte der Schweiz im 20. Jahrhundert" ist vor kurzem erschienen. Ausführliche Liste von Tanners Forschungsprojekten und Veröffentlichungen

Im Anschluss an den Vortrag findet ein Apéro statt, zu dem Sie ebenfalls herzlich eingeladen sind. Um Anmeldung wird gebeten: ksfremove-this.@remove-this.unilu.ch