Polarisierung bei Gesundheitsthemen
Wird Gesundheit zunehmend zum Politikum? Ein vom Schweizerischen Nationalfonds (SNF) gefördertes Projekt unter der Leitung von David Weisstanner untersucht, wie politische Parteien Gesundheitsthemen für ihre Wahlprogramme nutzen.
Gesundheitspolitik galt lange als unideologisches Sachthema mit breitem Konsens über das Ziel einer qualitativ hochwertigen Gesundheitsversorgung. Doch in den letzten Jahren zeigt sich: Gesundheit wird zunehmend zum politischen Streitpunkt. Die Corona-Pandemie hat tiefe parteipolitische Gräben offengelegt, etwa bei Impfungen oder Schutzmassnahmen. Aber auch andere gesellschaftliche Themen sorgen für Spannungen, zum Beispiel der Zugang zur Gesundheitsversorgung für Migrantinnen und Migranten, geschlechtsspezifische Angebote für trans Personen oder die Diskussion um Schwangerschaftsabbrüche. Diese zunehmende Polarisierung könnte das Vertrauen in das Gesundheitssystem schwächen und notwendige Reformen blockieren.
Parteien im Fokus
Wie genau zeigt sich diese Polarisierung – und was bedeutet sie für die Demokratie? Hier setzt das von Ass.-Prof. Dr. David Weisstanner geleitete Forschungsprojekt an. Es untersucht, wie politische Parteien in westlichen Demokratien seit den 1960er-Jahren das Thema Gesundheit aufgreifen, also wie sie es in Wahlprogrammen nutzen, um sich von anderen Parteien abzugrenzen. Dabei geht es nicht nur um klassische wirtschaftliche Fragen, etwa die Rolle des Staates bei der Finanzierung von Gesundheitsleistungen. Im Mittelpunkt stehen auch kulturelle Konfliktlinien, zum Beispiel Identitätspolitik, Umweltaspekte oder der Umgang mit öffentlicher Gesundheit.
Analyse mit Künstlicher Intelligenz
Ziel des vom SNF geförderten Projekts ist es, besser zu verstehen, wann und warum Parteien das Thema Gesundheit zu einem ideologisch aufgeladenen Thema machen. Dafür werden über 2’600 Wahlprogramme aus 25 westlichen Ländern systematisch mit Hilfe moderner Textanalyse und Künstlicher Intelligenz ausgewertet. Zusätzlich wird in vier Ländern (Schweiz, Deutschland, Grossbritannien und Kanada) eine repräsentative Umfrage durchgeführt. Diese soll zeigen, wie gut die Positionen der Parteien mit den Ansichten der Bevölkerung übereinstimmen.
Spiegel der Gesellschaft
Das Projekt will zu einem besseren Verständnis der politischen Auseinandersetzungen rund um das Gesundheitswesen beitragen. Im Zentrum steht die Frage, ob Gesundheit zunehmend zum Spiegel gesellschaftspolitischer Spannungen und Wertefragen geworden ist und welche Rolle die Parteien dabei spielen. Indem es diese Entwicklungen systematisch untersucht, liefert das Projekt wichtige Grundlagen, um zu verstehen, wie politische Konflikte das Vertrauen in das Gesundheitssystem und seine Reformfähigkeit beeinflussen könnten.
- Originaltitel des Projekts und Übertragung ins Deutsche:Party Politics and the Politicization of Health Care» («Parteipolitik und die Politisierung von Gesundheit»)
- Leitung: Ass.-Prof. Dr. David Weisstanner, Assistenzprofessor für Gesundheits- und Sozialpolitik
- Projektbeteiligte und Mitarbeitende: Victoria A. Haerter, Forschungsmitarbeiterin Post Doc, ein Doktorand oder eine Doktorandin, zwei wissenschaftliche Mitarbeiterinnen oder Mitarbeiter (noch zu bestimmen)
- Projektdauer: 48 Monate
- Bewilligte Fördersumme: 861'000 Franken (gerundet)