Islamunterricht in Schul­räumen fördert Toleranz

Die wachsende religiöse Diversität in der Schweiz stellt auch Schulen vor neue Anforderungen. Eine Studie von Forschenden der Universitäten Fribourg und Luzern zeigt unter anderem, dass sich islamischer Religionsunterricht in Schulräumen integrativ auswirkt, da er die Lebenswelten von Schule und Religion in einen Austausch bringt.

Szene aus einem islamischen Religionsunterricht im Kanton Luzern (Bild: S. Sabadia)

In der Deutschschweiz wird konfessioneller islamischer Religionsunterricht derzeit in acht Schulhäusern in vier Kantonen (Luzern, Zürich, Thurgau, Schaffhausen) erteilt, wie im Rahmen der Studie zusammengetragen wurde. Dieser Unterricht findet wie der katholische oder reformierte ergänzend zum obligatorischen Unterricht zu Fragen von Ethik und Religionen statt. Trägervereine stellen eine breite Basis her, die Eltern, Gemeinden und Kirchen einbezieht. Der Unterricht trägt zur altersgemässen Vermittlung des Islams bei, die auf den Schweizer Kontext ausgerichtet ist. Während in einem grossen Teil der Kantone die öffentlich-rechtliche Anerkennung einer Religionsgemeinschaft Voraussetzung dafür ist, Religionsunterricht zu erteilen, besteht in anderen Handlungsspielraum.

In der Westschweiz gibt es im Unterschied dazu nur religionskundlichen Unterricht in staatlicher Verantwortung. Teilweise bieten Exkursionen die Möglichkeit, religiöse Gebäude zu erkunden und Vertreterinnen und Vertretern von Religionsgemeinschaften zu begegnen. So bezieht der Unterricht zunehmend auch gelebte Religion mit ein. Im Tessin wiederum zeigt sich, dass der 2019 neu eingeführte religionskundliche Unterricht auch Anliegen religiöser Minderheiten im Blick hat.

Prävention von Radikalisierung

Für die Studie befragten die Autoren und die Autorin – seitens der Universität Luzern ist Dr. Andreas Tunger-Zanetti von Zentrum Religionsforschung involviert – in qualitativen Experteninterviews Schlüsselpersonen des konfessionellen islamischen wie des staatlichen religionskundlichen Unterrichts. Sie erhielten so unterschiedliche Perspektiven aus Verwaltung, Schule und Religionsgemeinschaften. Es zeigte sich, dass die Unterrichtsformen trotz grundlegend verschiedener Ausgangslage in wichtigen Punkten ähnliche Merkmale aufweisen, etwa in der Akzeptanz unterschiedlicher Perspektiven zum Thema Religion. Nach genereller Ansicht der Forschung leisten Unterrichtsformen, die dieser Diversität Rechnung tragen, einen wichtigen Beitrag zur Prävention von Radikalisierung: Sie stärken Verständnis und Toleranz, begleiten Kinder und Jugendliche beim Aufbau einer eigenen religiösen Identität, befähigen sie zum konstruktiven Umgang mit religiöser Diversität und fördern damit Resilienz gegenüber stark abgrenzenden und identitären Religionsverständnissen. Auf diese Weise lässt sich vermeiden, dass im Hinblick auf Religion und Identität ein Vakuum entsteht, das junge Menschen für Radikalisierungsprozesse anfällig machen kann.

Das Forschenden-Team empfiehlt, lokale Erfahrungen zu nutzen und Kontakte zwischen Schulen und Religionsgemeinschaften auszubauen. Rechtliche Spielräume sollen für den Ausbau von islamischem Religionsunterricht genutzt werden. Zugleich sei dieser mit Massnahmen der Qualitätssicherung und der Weiterbildung sowie durch Vernetzung der Akteure weiterzuentwickeln.

Studie im Volltext (deutsch)
Studie im Volltext (französisch)
Newsmeldung der Université de Fribourg
 

Förderung durch das Bundesamt für Polizei

Die Studie wurde gemeinsam vom Schweizerischen Zentrum für Islam und Gesellschaft (SZIG) und dem Institut für Religionsrecht der Universität Freiburg sowie dem Zentrum Religionsforschung der Universität Luzern erarbeitet. Die Studie wurde im Rahmen des Nationalen Aktionsplans zur Verhinderung und Bekämpfung von Radikalisierung und gewalttätigem Extremismus vom Bundesamt für Polizei (Fedpol) gefördert.