Die digitale Transformation bietet weitreichende Chancen und erfordert gleichermassen vielfältige Kompetenzen. Die Studienprogramme der Wirtschaftswissenschaften tragen dem mit einer breiten Basis an Grundlagen sowie zusätzlichen Spezialisierungsmöglichkeiten in «Data Science» Rechnung.

Lukas D. Schmid, Professor für Empirische Methoden. (Bild: Silvan Bucher)

Sei es beim Kauf von Fahrkarten, beim Surfen durch das World Wide Web oder bei der Nutzung von Applikationen, die auf unseren Geschmack zugeschnittene Musik und Videos zusammenstellen: Daten umgeben und begleiten uns in diversen Situationen unseres Alltags. Damit die verwendeten Anwendungen wie gewünscht und gewohnt funktionieren können, werden Daten verarbeitet, aggregiert, analysiert, personalisiert oder anonymisiert. Prozesse, von denen die Nutzenden in der Regel nichts mitbekommen und die zu einem Grossteil automatisiert durch Algorithmen und Programme im Hintergrund ausgeführt werden.

Unter den Oberbegriff der Digitalisierung fallen diverse Entwicklungen, Bemühungen und damit verbundene Herausforderungen: die Optimierung und Umgestaltung von Unternehmensprozessen oder von Dienstleistungen öffentlicher Verwaltungen wie auch die Schaffung neuer Möglichkeiten und Angebote. Geht man eine Ebene tiefer, geht es bei Digitalisierung im Grundsatz um die Transformation analoger Daten und physischer Gegenstände in digitale Daten sowie um die datenbasierte Abbildung bestehender oder neuartiger Prozesse in digitalen Systemen und Anwendungen.

Basis im Bachelor, Spezialisierung im Master

Nebst der eigenen Disziplin der Data Science gibt es sowohl in der Betriebswirtschaft als auch in der Volkswirtschaftslehre diverse Gebiete, in denen Datenwissenschaft relevant ist und zum Einsatz kommt. Im Studium der Wirtschaftswissenschaften an der Universität Luzern drückt sich dies in zahlreichen Lehrveranstaltungen sowie in der Master-Spezialisierung «Applied Data Science» aus. Im Bachelorprogramm wird den Studierenden eine breite Basis an Kompetenzen für die Erhebung, Bearbeitung und Analyse von Daten vermittelt. Basierend auf den persönlichen Interessen und beruflichen Ambitionen kann diese Basis durch Wahlkurse erweitert und im Master mit dem entsprechenden Spezialisierungsprogramm vertieft werden. Das Angebot umfasst verschiedene Methodenkurse sowie Veranstaltungen zu «Machine Learning», Datenbanken, «Big Data Analytics » und Datenvisualisierungen.

In der Forschung gehört die Erhebung und Analyse von quantitativen und qualitativen Datensätzen zu den wichtigsten Grundlagen für die Ableitung von Thesen und Erkenntnissen. Für Unternehmen hat die Fähigkeit, aus Datengrundlagen Erkenntnisse und Entscheidungsgrundlagen abzuleiten, in den letzten Jahren massiv an Bedeutung gewonnen. Leif Brandes, Professor für Marketing und Strategie, erklärt, dass dadurch gleichzeitig auch die Herausforderungen spürbar gestiegen sind: Galt es früher vor allem Zusammenhänge in «strukturierten» Daten wie Produktionsmengen, Umsatz pro Absatzkanal oder Werbeausgaben zu finden, so existieren heutzutage immer mehr «unstrukturierte» Daten.

Mit Voice-Daten und Smart Contracts wie NFTs steht die nächste Generation von datenbasierten Anwendungsmöglichkeiten bereits in den Startlöchern.

Beispiele dafür sind Texte und Bilder auf Social Media, Chatprotokolle von Supportdiensten oder Produktrezensionen, deren Analyse moderne Methoden erfordern. Derartige Analysen können Unternehmen wichtige Einsichten bringen: Spontane Kundenreaktionen auf Fernsehwerbung via Social Media erlauben eine Evaluation der Werbung in Echtzeit, Chatprotokolle können Unternehmen helfen, ihre Mitarbeitenden besser zu schulen und Chatbots besser zu programmieren. Die automatisierte inhaltliche Analyse von Rezensionstexten ermöglicht dem Kundendienst, schneller auf kritische Bewertungen oder auf Fragen einzugehen. Wem das schon komplex erscheint, dem sei gesagt: Mit Voice-Daten und Smart Contracts wie NFTs steht die nächste Generation von datenbasierten Anwendungsmöglichkeiten bereits in den Startlöchern.

Selbstlernende Programme im Fokus

Maschinelles Lernen, besser bekannt unter dem englischen Begriff «Machine Learning», ist zu einem unverzichtbaren Bestandteil der Datenwissenschaft geworden. Es handelt sich dabei um einen Teilbereich der künstlichen Intelligenz mit dem Ziel, auf der Basis vorhandener Datenbestände Muster und Gesetzmässigkeiten zu erkennen und diese zu verallgemeinern. Dadurch sind die dafür geschriebenen Programme in der Lage, eigenständig Lösungen für neue und unbekannte Probleme zu finden; man spricht auch von selbstlernenden Programmen. Als Konsumentinnen und Konsumenten begegnen wir Programmen, die auf Machine Learning basieren, unter anderem bei der Spracherkennung auf Mobiltelefonen, der Gesichtserkennung in Fotodatenbanken oder beim E-Mail-Spamfilter.

Lukas D. Schmid, Professor für Empirische Methoden, betont, dass es gerade für die Wirtschaftswissenschaftlerinnen und -wissenschaftler der Zukunft wichtig ist, diese Technologien und Anwendungen mit ihren Stärken und Schwächen zu kennen. Dies erlaubt ihnen einen Austausch mit technischen Spezialistinnen und Spezialisten auf fachlicher Augenhöhe. Diese Art von Zusammenarbeit zwischen Technikern und Fachkräften mit zusätzlichem wirtschaftswissenschaftlichem Hintergrund ermöglicht die volle Ausschöpfung des Potenzials der Datenrevolution.

In der Vorlesung «Machine Learning» von Dr. Massimo Mannino wenden die Studierenden die Methoden des maschinellen Lernens auf verschiedene konkrete Aufgabenstellungen an. Sie erarbeiten beispielsweise ein Modell für eine Bank, welches zu prognostizieren versucht, bei welchen Klientinnen und Klienten eine hohe Wahrscheinlichkeit besteht, dass sie ihre Kreditkartenrechnungen nicht bezahlen. Aus Sicht der Bank ist diese Prognose zentral, weil durch nicht bezahlte Kreditkartenabrechnungen Abschreibungen und administrativer Aufwand anfällt. Mithilfe von Daten zum Einkommen, der Kreditkartenlimite und weiteren Einflussgrössen der bestehenden Kundschaft wird ein Modell erstellt, welches eine Prognose für künftige Kunden erlaubt. Eine weitere Anwendung im Kurs ist die Modellierung der Nachfrage für ein bestimmtes Hotel in Abhängigkeit der geografischen Herkunft der potenziellen Kundinnen und Kunden, wodurch eine optimierte Ausrichtung der Marketingkampagnen möglich wird.

Zukunftsperspektiven

Die Bedeutung von Datenwissenschaften und digitalen Kompetenzen im Allgemeinen wird in naher Zukunft weiter zunehmen. Die Bundesverwaltung hat auf die Entwicklungen reagiert, indem sie Anfang 2021 ein nationales Kompetenzzentrum für Datenwissenschaft geschaffen hat. Der «Future of Jobs Report» des World Economic Forum listet das Jobprofil «Data Analysts and Scientists» auf Platz 1 der «Top 10 Emerging Jobs» für das Jahr 2025.

Nebst einer Vielzahl an Chancen gehen mit der digitalen Transformation unterschiedliche Herausforderungen einher: Viele davon sind technischer Natur; zusätzlich stellen sich gesellschaftliche, politische und rechtliche Fragen.

Weitere Digitalisierungsschritte stehen bevor, verbunden mit neuen Möglichkeiten und einer zusätzlich erhöhten Nachfrage für Datenkompetenzen. Nebst einer Vielzahl an Chancen gehen mit der digitalen Transformation unterschiedliche Herausforderungen einher: Viele davon sind technischer Natur; zusätzlich stellen sich gesellschaftliche, politische und rechtliche Fragen. Eine stets naheliegende Frage betrifft den Schutz personenbezogener Daten.

Bildungsinstitutionen sind in der Ausgestaltung ihrer Lehrprogramme gefragt, nebst technischen Kernkompetenzen auch damit verbundene Fragestellungen aus anderen Perspektiven zu vermitteln. Absolventinnen und Absolventen sollen bereit sein für die Anforderungen der Wirtschaft und eine aktive und gewinnbringende Rolle in der digitalen Transformation einnehmen können – gleichzeitig müssen sie auch dazu in der Lage sein, Dinge zu hinterfragen und relevante Aspekte aus anderen Bereichen in ihre Arbeit miteinzubeziehen. Mit den inhaltlich breit angelegten Studienprogrammen der Wirtschaftswissenschaftlichen Fakultät und der humanwissenschaftlichen Fokussierung der Universität Luzern wird diesen Ansprüchen Rechnung getragen.

Oliver Rölli ist Verantwortlicher für Kommunikation und Marketing an der Wirtschaftswissenschaftlichen Fakultät. Der Text ist im Jahresbericht 2021 der Universität Luzern erschienen.