Engel und Dämon – Wie Fantasy religiöse Fragen neu verhandelt

Was passiert, wenn Engel und Dämonen nicht in heiligen Texten, sondern in einem Fantasy-Roman auftreten? Die sechste Ausgabe der Vorlesungsreihe «Ist Religion noch relevant?» zeigt am Beispiel des Klassikers Good Omens, wie Popkultur traditionelle religiöse Motive neu erzählt – und damit überraschend lebendige theologische Diskussionen anstösst.

Von links nach rechts: Dr. Marie-Therese Mäder, Dr. Andreas Tunger-Zanetti, Dr. Nathalie Fritz (Bild: Michael Bieri)

Schon zu Beginn des Abends verschwimmen religiöse Bilder spielerisch: Dr. Marie-Therese Mäder (LMU München) erscheint als Engel, Dr. Nathalie Fritz (LMU München/FH Graubünden) als Dämon. Der performative Einstieg verweist auf die zentrale Frage der Veranstaltung: Wie verändert sich Religion, wenn sie in popkulturelle Formate einwandert?
 

Gut und Böse – Engel und Dämon?
Good Omens von Terry Pratchett und Neil Gaiman (1990) greift klassische Bibelmotive auf – vom Sündenfall bis zur Apokalypse – und führt sie mit Humor und Ironie weiter. Engel und Dämon sind hier keine eindeutigen Gegenspieler, sondern Figuren mit eigenen Zweifeln, Motiven und moralischen Grauzonen. In dieser Ambivalenz liegt die theologische Pointe: Kategorien wie «Gut» und «Böse», die in religiösen Traditionen oft scharf getrennt sind, werden brüchig.

Besonders deutlich wird dies an der Figur des elfjährigen Antichristen Adam, der sich weigert, seine vorherbestimmte Rolle zu erfüllen. Er will weder Gottes noch Satans Werkzeug sein, sondern schlicht Mensch. Damit löst sich der klassische Dualismus von Gut und Böse auf – eine religiöse Innovation, wie die Referentinnen betonen.

 

Popkultur als neue theologische Räume
Mit Blick auf die Frage nach der Relevanz von Religion verweisen die Expertinnen auf die lebendigen Online-Communities rund um Good Omens. Dort wird nicht nur über die Serie diskutiert, sondern auch über grundlegende theologische Fragen, die Bedeutung von Engeln in einer säkularen Gegenwart oder das Verhältnis von freiem Willen und göttlicher Vorhersage. Und da die Beziehung zwischen Engel und Dämon im Roman und in der Serienadaption häufig mit einem homoerotischen Unterton gelesen wird, stellt sich auch die Frage nach queeren Beziehungen im theologischen Kontext.

Diese digitalen Räume funktionieren wie informelle theologische Foren: niederschwellig, kreativ und offen. Fragen, die in traditionellen religiösen Kontexten oft kontrovers oder tabuisiert sind, werden hier neu gestellt.

 

Niederschwelliger Zugang zu Religion
Fantasy ist längst mehr als Unterhaltung. Es eröffnet, so das Fazit des Abends, einen Zugang zu religiösen Themen für Menschen, die nicht in kirchlichen oder akademischen Kontexten beheimatet sind. Good Omens führt humorvoll in komplexe Fragen ein und schafft Räume, in denen sich theologische und moralische Überlegungen neu entfalten können.

Dass ein Engel und ein Dämon in einem Fantasy-Roman so viel theologische Bewegung auslösen können, zeigt eindrücklich, wie lebendig Religion sein kann. «Religion ist relevant», erinnert Mäder – auch dort, wo man sie nicht vermuten würde.
 

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Programmflyer

Dieser Beitrag wurde von Michael Bieri, Masterstudent in Ethnologie und Religionswissenschaft, verfasst.