Von Gott reden – und dabei mehr über sich lernen
Zum dritten Forum Ökumene des Ökumenischen Instituts Luzern war der promovierte Theologe Thorsten Dietz eingeladen, darüber zu reden, wie wir heute von Gott reden können. Mehr noch: Er sollte auch darlegen, was wir als Kirche dabei neu lernen beziehungsweise verlernen können. Eine anspruchsvolle Aufgabe in einer Zeit, in der ein von der Kirche verkündeter Gott immer weniger zu interessieren scheint.
Thorsten Dietz ist Mitarbeiter von Fokus Theologie, der Fachstelle für theologische Erwachsenenbildung der Deutschschweizer Reformierten Kirchen (siehe Box). Für ihn ist das Reden über Gott Alltag und er betreibt es sowohl in der Theologie wie auch in der Kirche gut, wie die Auszeichnung mit dem Predigtpreis der Universität Bonn deutlich macht. So erstaunt es nicht, dass er gleich zu Beginn seines Vortrags den Rückgang von der Rede über Gott heute infrage stellte: «Religion schwindet nicht, sie verändert sich», hielt Dietz vor den mehr als 90 Besucherinnen und Besuchern des Forums Ende Oktober fest.
Neue Formen und Orte für die Gottesrede
Diese Veränderung aber, die überrasche viele. Und sie könne auch zu Verunsicherung führen, wenn dabei vertraute Formen der Gottesrede aufgebrochen werden. Die Weitergabe des Glaubens erfolge heute «robuster, affirmativer, emotionaler und eingebettet in dichte religiöse Gemeinschaften», so der Referent, was er anschliessend anhand einer These ausführte. Diese lautet: Menschen werden in der Kirche der Zukunft sein, weil sie etwas glauben. Die traditionelle Zugehörigkeit zur Kirche – weil man einfach dabei ist – verschwindet mehr und mehr: «Menschen werden bewusst in der Kirche sein, aus Gründen, die sie bei Bedarf sich selbst und anderen erklären können.»
Dafür bedarf es, so der Referent, geeigneter Orte und Formen. Diese werden, gerade in Gesellschaften mit starkem kulturellem und wirtschaftlichem Wandel, in erfahrungsintensiven Gemeinschaften gefunden. Dies zeige sich beispielsweise in pfingstlich inspirierten Gemeinden, wo Menschen ihre persönlichen Erfahrungen einbringen können oder in extrem traditionalistischen Kreisen, was bis zu christlichen Nationalismen führen könne.
Gott als Gegenwelt im Alltag
Der persönlichen Frage der Menschen nach Gott, dem Bedürfnis nach Auseinandersetzung mit dem eigenen Glauben, nach spirituellen Erfahrungen, die im Gemeindegottesdienst nicht gefunden werden, dem müssten sich Kirchen stellen und dazulernen. Denn neue Formen der Spiritualität gäbe es zuhauf: Naturerfahrungen, Atem- oder Körperübungen, Gesang und Musik, Rituale, Feste und Begegnungen. Für den Referenten sind dies auch Formen des Redens von Gott. Für die Kirchen gelte es deshalb, Gott im Alltag zu vermitteln.
Hier in der Seelsorge neue Wege zu gehen, ist für Thorsten Dietz keine Möglichkeit, sondern Auftrag. Der Wandel der – auch christlichen – Spiritualität sei unumkehrbar. Bald handle es sich um die «letzte Generation» von Kirchenmitgliedern, denen die traditionellen Formen noch genügten. Andere Ansätze im Reden von Gott zu verfolgen, biete den Kirchen aber auch die Chance zu zeigen, dass Glaube und Kirche wieder untrennbar zusammengehören.
Beitrag von Martin Spilker
Über Thorsten Dietz
Thorsten Dietz ist Mitarbeiter von Fokus Theologie, der Fachstelle für theologische Erwachsenenbildung der Deutschschweizer Reformierten Kirchen. Er wurde 2024 mit dem Ökumenischen Predigtpreis der Universität Bonn ausgezeichnet.
Dietz produziert den Podcast «Geist.Zeit»: Was fehlt, wenn Gott fehlt? Was fehlt, wenn Gott fehlt? | Fokus Theologie
