«Ambizione»-Projekt zur visuell-räumlichen Aufmerksamkeit

Dr. Brigitte Kaufmann erforscht, wie wir unsere Umgebung wahrnehmen und was geschieht, wenn diese Mechanismen nach einem Schlaganfall aus dem Gleichgewicht geraten. Dies im Rahmen des «Ambizione»-Programms des Schweizerischen Nationalfonds (SNF).

Beim Überqueren einer Strasse blicken wir intuitiv nach links und rechts, prüfen die Ampel über uns und achten auf die Bordsteinkante unter unseren Füssen. Diese scheinbar selbstverständlichen Handlungen beruhen unter anderem auf komplexen Prozessen der visuell-räumlichen Aufmerksamkeit – eine Fähigkeit, die durch einen Schlaganfall erheblich beeinträchtigt werden kann.

Fokus auf vertikale Dimension

Ein Schlaganfall in der rechten Hirnhälfte führt häufig zu einem sogenannten Neglect, einer Vernachlässigung der linken Raumhälfte. Betroffene nehmen Objekte, Personen oder Ereignisse auf der linken Seite nicht wahr. Die Folgen im Alltag sind gravierend: Patientinnen und Patienten kollidieren mit Hindernissen, haben Schwierigkeiten unter anderem beim Navigieren oder Lesen.

Während die horizontale Dimension (links/rechts) des Neglects bereits gut beschrieben ist, blieb die vertikale Dimension (oben/unten) bislang deutlich weniger erforscht. Dabei spielt auch sie im Alltag eine zentrale Rolle – etwa beim Erkennen von Ampeln, beim Absuchen von Regalen oder beim Treppensteigen.

Verstehen, vernetzen, verbessern

Das nun vom SNF bewilligte, mit 793’000 Franken geförderte Projekt «VERA Unravelling Vertical Visuospatial Attention to Enhance Post-Stroke Recovery» von Dr. Brigitte Kaufmann setzt auf Augenbewegungsanalysen, Magnetresonanztomographie und nicht-invasive Hirnstimulation. Dies, um die vertikale Dimension des Neglects sowie die zugrunde liegenden Hirnstrukturen besser zu verstehen. Im Zentrum steht zunächst die systematische Untersuchung des vertikalen Neglects nach einem Schlaganfall. Darauf aufbauend werden die neuroanatomischen Grundlagen erforscht, um zu klären, wie das Gehirn die Aufmerksamkeit nach oben oder unten lenkt. Abschliessend sollen jene neuronalen Netzwerke identifiziert werden, welche die Rehabilitation des vertikalen Neglects unterstützen.

Die Erkenntnisse aus dem Projekt sollen längerfristig dabei helfen, diagnostische und therapeutische Ansätze für die Neglect-Patientinnen und -Patienten zu individualisieren und zu verbessern.

Forschung und Klinik im Dialog

Das auf vier Jahre angelegte Projekt, das voraussichtlich im Frühling 2026 startet, wird von Brigitte Kaufmann an der Fakultät für Verhaltenswissenschaften und Psychologie (VPF) im Rahmen der Forschungsgruppe «Experimentelle Rehabilitationswissenschaften» von Prof. Dr. Matthias Ertl durchgeführt. Parallel dazu bleibt Dr. Kaufmann weiterhin zu 20 Prozent auf der Neurorehabilitation des Luzerner Kantonsspital (LUKS) tätig. Diese durch die Universität Luzern und das LUKS unterstützte Schnittstelle zwischen Forschung und klinischer Praxis trägt auch weiterhin dazu bei, den Transfer wissenschaftlicher Erkenntnisse in die therapeutische Praxis zu erleichtern.
 

SNF-Ambizione Projekte

Die Ambizione-Beiträge richten sich an Nachwuchsforschende, die ein selbstständig geplantes Projekt an einer Schweizer Hochschule durchführen, verwalten und leiten möchten. Das Instrument hat zum Ziel, Forschende aus der Schweiz sowie aus dem Ausland zu fördern. Auch Forschende auf Mittelbaustellen sind zur Gesuchstellung berechtigt.

Ein Ambizione-Beitrag umfasst das Salär der Beitragsempfangenden und Projektmittel von bis zu 250’000 Franken. Ein Ambizione-Projektbeitrag enthält hingegen nur Projektmittel. Die Beiträge werden für maximal vier Jahre zugesprochen. Der nächste Einreichetermin ist der 4. November 2025. Das Grants Office der Universität Luzern bietet Unterstützung bei der Antragstellung.