Sophie Mützel, Professorin für Soziologie mit Schwerpunkt Medien und Netzwerke, antwortet.

(Bild: Silvan Bucher)

Der kleine Akt des Bezahlens an der Supermarktkasse befindet sich in einem grossen Umbruch: Wir können nicht mehr nur zwischen Bargeld, Kredit- oder Debitkarten wählen, sondern auch mit Apps auf unseren Smartphones oder Smartwatches bezahlen. Ein Blick in die Kamera, ein Druck mit dem Daumen, ein Winken mit der Hand und schon ist der Einkauf bezahlt. Die Apps für digitales Bezahlen versprechen uns, unser Leben zu erleichtern und zu verbessern: Sie erfassen unsere Ausgaben, bieten uns Rabatte an, sparen Zeit und werden in Zeiten einer globalen Pandemie angepriesen als «die hygienische Art zu bezahlen».

Dies ist jedoch nur die eine Seite des digitalen Bezahlens: jene aus Sicht der Kundschaft mit Fokus auf die Annehmlichkeiten. Den Anbietenden dieser Dienste geht es aber um viel mehr: Daten zu sammeln, zu bearbeiten und zusammenzuführen, den Zugang zu zielgruppenspezifischen Datengruppen zu verkaufen, damit Datenprofile und Werbeinteressen zusammenzubringen und letztendlich den Gewinn zu steigern. Dies verändert das ökonomische System.

Die ersten Statistiken zeigen, dass die Corona-Pandemie die Einführung kontaktloser, digitaler Zahlungen weltweit beschleunigt hat. Aktuelle Marktprognosen erwarten auch in den nächsten Jahren einen bedeutenden Anstieg der Nutzerinnen und Nutzer, insbesondere in Europa von heute 25 auf über 35 Prozent der Bevölkerung.

Auch in der Schweiz ist die Nutzung von bargeldlosen Optionen beim Bezahlen seit Pandemiebeginn stark angestiegen, während der Bargeldgebrauch erstmalig deutlich abgenommen hat – von knapp über der Hälfte aller Transaktionen in Geschäften 2019 auf 35 Prozent im Januar 2022. Wobei hierzulande kontaktloses Bezahlen mit Debitkarten im Begriff ist, das traditionelle Bargeldbezahlen abzulösen und zum neuen Bezahlstandard zu werden – es handelt sich dabei sowohl um das umsatzstärkste als auch das meistgenutzte Zahlungsmittel in Geschäften in der Schweiz. Auch das Bezahlen mit Smartphone oder Smartwatch, hauptsächlich über die schweizerische App Twint, hat stark zugenommen, stellt jedoch trotz 4 Millionen Nutzerinnen und Nutzern bislang mit 8 Prozent nur einen kleinen Anteil aller Bezahltransaktionen dar.

Ein anderes Bild bieten Länder wie Schweden, die sich in Richtung einer Bargeldlosigkeit entwickeln. Die schwedische App Swish wird von 80 Prozent der dortigen Bevölkerung genutzt und ist überall im Alltag einsetzbar, nicht nur in Geschäften, sondern auch auf Flohmärkten und in Gottesdiensten. Wie auch Twint wird Swish genutzt, um Geldsummen für Einkäufe zu überweisen sowie um Auslagen im Freundeskreis auszugleichen. Begleitet wird die Zahlung von einer Nachricht, mit Text und Emojis – ganz im Stil der Kommunikation auf sozialen Netzwerkplattformen.

Der finanzielle Erfolg der grossen Tech-Unternehmen und des Onlinehandels zeigt, dass es sich offenbar lohnt, auch scheinbar kleine, nebensächlich anfallende Verhaltensinformationen zu Aussagen über zukünftige Präferenzen zu verarbeiten, die wiederum auf weiteren Konsum gerichtete Werbung und Angebote ermöglichen. Bezahl-Apps liefern wichtige Hinweise nicht nur darauf, welche Werbung betrachtet wurde, sondern welche Produkte an welchen Orten gekauft wurden. Der fast unmerkbare Akt des digitalen Bezahlens ist ein entscheidender Schritt, die Kette an Datenpunkten über einzelne Kundinnen und Kunden wachsen zu lassen und den Lauf von errechneten Präferenzen über geschaltete Werbung bis hin zum Kauf zu vervollständigen. Bezahl-Apps wirken somit als zentrale Instrumente der digitalen Ökonomie. Diesen Aspekt und weitere zukünftige Wirkweisen untersucht das im September 2021 begonnene SNF-geförderte Forschungsprojekt «Digital Payments: Making Payments Personal and Social» in Schweden und in der Schweiz.

Es handelt sich um die Beantwortung der im Rahmen des Jahresberichts 2021 der Universität Luzern gestellten Frage. Siehe auch das Interview mit Professorin Mützel im selben Bericht.

Foto Sophie Mützel

Sophie Mützel

Professorin für Soziologie mit Schwerpunkt Medien und Netzwerke
unilu.ch/sophie-muetzel