Dr. Anja Feierabend, Oberassistentin und Dozentin am Center für Human Resource Management, antwortet.

(Bild: Silvan Bucher)

Im Alltag sind wir ständig mit Situationen konfrontiert, die von uns Entscheidungen erfordern. Rückblickend erkennen wir, dass nicht alle unsere Entscheide sinnvoll waren und dass auch kluge Menschen, an die wir hohe Erwartungen haben, manchmal dumm entscheiden. Doch warum sind auch die Intelligentesten nicht vor dummen Entscheidungen gefeit?

Unser Gehirn verarbeitet täglich eine riesige Informationsflut. Die Neurowissenschaft geht davon aus, dass wir pro Sekunde mit 11 Millionen Sinneseindrücken konfrontiert sind. Wirklich bewusst verarbeiten wir davon aber gerade mal 0,0005 Prozent. Unser Gehirn reduziert somit die Informationen, die in unser Bewusstsein gelangen, radikal. Ganz unbewusst entwickeln wir mentale Abkürzungen oder «Daumenregeln». Diese Daumenregeln erleichtern uns das Leben. Wir können durch sie Situationen schnell erfassen und Entscheide in nützlicher Zeit treffen. Solche mentalen Abkürzungen entstehen aufgrund von gemachten Erfahrungen, der Sozialisierung und der Kultur, in der wir aufwachsen. Wurden wir zum Beispiel als Kind von einer Wespe gestochen, so sendet unser Gehirn auch im Erwachsenenalter unbewusst das Signal «Vorsicht», wenn wir eine Wespe sehen. Obwohl Daumenregeln Vorteile mit sich bringen, enthalten sie auch Fallstricke. Sie können im Alltag zu Fehleinschätzungen und kognitiven Verzerrungen führen, die wiederum unser Entscheidungsverhalten beeinflussen.

Anfällig für kognitive Verzerrungen sind wir in Situationen, in denen wir mit vielen Informationen konfrontiert sind. Unser Gehirn fokussiert dann gerne auf das Altbekannte und lässt wichtige neue Informationen weg. Und in Situationen, die für uns auf den ersten Blick nicht klar verständlich sind, interpretieren wir gerne etwas hinein. Oder wenn schnelles Entscheiden gefragt ist, hören wir auf unsere Intuition, weil uns die Zeit fehlt, alle Fakten zu prüfen. In all diesen Entscheidungssituationen wenden wir ganz unbewusst Daumenregeln an, die zwar hilfreich sind, aber auch Verzerrungen enthalten. Der Nobelpreisträger Daniel Kahnemann deckt in seinem Buch «Thinking fast and slow» eine Vielzahl kognitiver Verzerrungen auf. Der «Confirmation Bias» ist einer davon. Er bezeichnet unsere Neigung, bestehende Annahmen bestätigen zu wollen und Informationen so auszuwählen, dass sie in unser Weltbild passen. Diese Neigung lässt sich gut anhand von unserem Verhalten in den sozialen Netzwerken illustrieren. Wir umgeben uns gerne mit Menschen, die ähnlich denken wie wir, wodurch sich unsere Annahmen regelmässig bestätigen. Dieser einseitige Blick kann zu dummen Entscheiden verleiten, weil wir andere Sichtweisen ausblenden.

Wie können sich intelligente Menschen vor dummen Entscheidungen schützen? Wichtig ist, sich bewusst zu machen, dass auch die Klügsten ganz unbewusst kognitiven Verzerrungen unterliegen. Vor allem wenn wir bei Entscheiden unter Zeitdruck stehen und nur wenige oder unklare Informationen haben, neigen wir zu systematischen Fehlern in unserem Denken. Bei wichtigen Entscheidungen lohnt sich daher ein ausführlicher Faktencheck.

Es handelt sich um die Beantwortung der im Rahmen des Jahresberichts 2021 der Universität Luzern gestellten Frage.

Anja Feierabend

Oberassistentin und Dozentin am Center für Human Resource Management
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