Nizänum und Islam – Debatten des Nizänums in koranischen Suren
Festvortrag zum Dies Academicus – Prof. em. Dr. Angelika Neuwirth
| Datum: | 6. November 2025 |
|---|---|
| Zeit: | 18.15 Uhr |
| Ort: | Universität Luzern, Hörsaal 9 |
Zur Person
Die international renommierte Arabistin und Koranwissenschaftlerin Prof. em. Dr. Angelika Neuwirth hatte – nach einer reichen Forschungs- und Lehrtätigkeit in Bamberg und München, Amman, Beirut und Istanbul – bis zu ihrer Emeritierung den Lehrstuhl für Arabistik an der Freien Universität Berlin inne. Sie erforscht Fragen arabischer Literatur- und Kulturgeschichte, literarische Struktur und Ästhetik des Korans und seine Wirkungsgeschichte innerhalb der islamischen Tradition sowie sein Verhältnis zu jüdischen und christlichen Texten.
Thema des Vortrages
Das Nizänische Glaubensbekenntnis, formuliert im Jahr 325 auf dem Konzil von Nicäa, feiert in diesem Jahr sein 1700-jähriges Jubiläum. Seine Wirkung reichte weit über das byzantinische Reich hinaus und berührte auch die junge islamische Gemeinde, die sich im 7. Jahrhundert nach ihrer Auswanderung aus Mekka in Medina konstituierte. Der Text stellte sie vor die Herausforderung, auf zentrale christologische Positionen zu reagieren. Besonders der zweite Paragraph des Nizänums, die Erhebung Jesu Christi in den Rang des einziggeborenen Sohnes Gottes, wesensgleich mit dem Vater, stellte wie für das Judentum so auch für den Islam ein gravierendes theologisches Problem dar.
Im frühesten Islam jedoch, so die These des Vortrags, wird diese Herausforderung auf sprachlich-poetischer Ebene aufgefangen und bearbeitet. Die Gemeinde stand im 7. Jahrhundert liturgisch in regem Austausch mit lokalen Juden in Medina. Er sollte sich in einer poetischen Synopse von jüdischen und christlichen Lichtpreisungen niederschlagen.
Grundlegend für diese Verschränkung von Liturgien war die spätantike rabbinische Liturgie-Ordnung, die mit ihrer Festsetzung von expressiven Prophetenlesungen, Haftarot, erlaubte, jüdische Stimmen in aktuelle theologische Debatten der Zeit einzubringen. Die muslimische Gemeinde, zur Hörerschaft der Liturgien gehörig, fand bei ihrer Reflektion über den zentralen christologischen Vers des Nizänums – «phos ek photos» («Licht vom Licht, wahrer Gott von wahrem Gott») in der Haftara zum Enkainia-, d.h. Chanukka-Fest ein Gegengewicht: in der biblisch-jüdischen Leuchtervision Sacharjas, die eine expressive Lichtsymbolik entfaltet und damit eine alternative Lichttheologie zu der im Nizänum formulierten bietet. Dieses liturgische «Gespräch» wurde von der muslimischen Gemeinde poetisch bearbeitet. (Sure 24 «Das Licht») – ein früher interreligiöser Dialog.
Das Jubiläum des Nizänischen Glaubensbekenntnisses ist daher nicht nur Anlass zur Rückschau auf die christliche Dogmengeschichte, sondern auch eine Einladung, die komplexen Wechselwirkungen zwischen Christentum, Judentum und Islam neu zu entdecken und zu verstehen.
Würdigung und Einladung
Am Donnerstag, 6. November 2025, findet der diesjährige Dies Academicus der Universität Luzern statt. Im Rahmen dieser Feierlichkeiten verleiht die Theologische Fakultät Prof. em. Dr. Angelika Neuwirth die Würde einer Doktorin der Theologie honoris causa.
Mit dem von ihr – gemeinsam mit Nicolai Sinai und Michael Marx – initiierten und von ihr wissenschaftlich verantworteten Langzeitvorhaben Corpus Coranicum (corpuscoranicum.de) schuf sie ein herausragendes Instrumentarium für eine kritische Erforschung des Koran(textes), das unverzichtbare Grundlagen für eine textkritische Erschliessung ebenso bereitstellt wie eine chronologisch-literaturwissenschaftliche Kommentierung. Dabei knüpft Angelika Neuwirth an Arbeiten jüdischer Wissenschaftler des 19. Jahrhunderts an und profiliert den Koran betont als einen Text der Spätantike, der sich – als genuin arabischer «Debattenbeitrag» – den literarischen, religiösen (exegetischen) und intellektuellen Diskursen derjenigen Epoche verdankt, in der auch das Judentum und das Christentum entscheidend geprägt werden.
Angelika Neuwirths wissenschaftliches Werk schlägt damit – v.a. für europäisch-abendländisch geprägte Forschende – unverzichtbare Brücken zum Verständnis der koranisch-islamischen Tradition und Gelehrsamkeit.
In unablässiger Publikations- und Vortragstätigkeit vermittelt sie ihrer Leser- und Hörerschaft die Bereicherung, die aus der Begegnung der religiösen Traditionen erwächst und eröffnet damit neue Horizonte für den interreligiösen Dialog.
Die persönliche Entgegennahme der Ehrendoktorwürde durch Professorin Angelika Neuwirth bedeutet auch eine hohe Auszeichnung für die Theologische Fakultät der Universität Luzern. Am Abend des Dies Academicus 2025 wird sie einen Festvortrag zu einem Schwerpunkt ihrer Forschung der letzten Jahre halten, zu dem Sie herzlich eingeladen sind!
Veranstaltungsflyer | Erfahren Sie mehr über Prof. em. Dr. Angelika Neuwirths Forschung im Interview
Eine Anmeldung bis zum 31. Oktober 2025 ist erwünscht. Die Teilnahme über Zoom wird möglich sein.
Für eine Teilnahme ohne Apéro melden Sie sich nach der Anmeldefrist bitte bei franziska.winterberger@unilu.ch.
