Rückblick – Einblick – Ausblick

Jahresbericht 2020: Vorwort Bruno Staffelbach, Rektor der Universität Luzern

Bruno Staffelbach, Rektor der Universität Luzern. (Bild: Silvan Bucher)

Aerosole, Antikörpertest, Besuchsverbot, Breakout Sessions, Contact Tracing, Corona-Skeptiker, Covid-19, Durchseuchung, Herdenimmunität, Inzidenzwert, Lockdown, R-Wert, Schutzkonzept, Selbstisolation, Social Distancing, Spreader, SwissCovid App, Virus-Mutation, Vorerkrankung, Zoom …

Was haben diese Worte vor eineinhalb Jahren für uns bedeutet? 2020 haben wir viel gelernt, nicht nur Fachbegriffe. Wir haben gelernt, uns auf Distanz nahe zu fühlen, digital Gefühle auszutauschen und aufgeteilt Gemeinsames zu erleben. Wir haben erfahren, dass die Uni weitergeht, auch wenn das Haus geschlossen ist, dass hinter Zoom, Telefon und Mausklicks Menschen sind, die von der persönlichen Uni träumen, und dass wir mehr sind als ein Verbund von Homeoffices, Plattformen und Netzwerken. Corona hat aber auch die Prinzipien, auf denen die Universität Luzern basiert, bestätigt:

  • Fokussierung: Wir sind eine humanwissenschaftliche Universität. Wir fokussieren uns auf Menschen und ihre Institutionen. Corona zeigt: Molekularbiologisch greift das Virus weltweit überall gleich an. Die Differenzen zwischen Ländern und Kantonen sind nicht natur-, sondern humanwissenschaftlich.
  • Vernetzung: Die Universität Luzern ist staatlich getragen, aber nicht staatlich betrieben. Private Top-Universitäten der Welt ächzen unter der Last ihrer Campus-Fixkosten. Sie bauen Personal ab, schliessen Bereiche und kürzen Löhne. Mit unserer Mischfinanzierung aus staatlicher Grunddotation und leistungsorientierten Zusatzmitteln haben wir günstigere institutionelle Voraussetzungen, der Pandemie zu trotzen, die Unabhängigkeit zu wahren und kooperationsfähig zu bleiben.
  • Gemeinschaft: Jede Universität hat die gleichen Faktoren: Menschen, Technik, Geld. Der Unterschied zwischen den Universitäten besteht in ihren Menschen. Zweimal wechselte die Universität Luzern letztes Jahr in den digitalen Modus. Dank unserer IT, dem Zentrum Lehre und der «Arbeitsgruppe Corona» waren wir gut vorbereitet. Danke!

Wenn Wissen gut ist für das Leben, dann bezweckt Wissenschaft ein gutes Leben. Nie ist mir dies deutlicher bewusst geworden als auf einer Mission im Auftrag des IKRK an den Lake Tschad im Februar 2020, drei Wochen vor dem Lockdown in der Schweiz. Am Arbeitsplatz eines lokalen Mitarbeiters stand folgender Spruch:

Ignorance + Pouvoir = Dictature
Ignorance + Religion = Terrorisme 
Ignorance + Liberté = Chaos
Ignorance + Argent = Corruption
Ignorance + Pauvreté = Crime
L’ignorance est la racine de tout mal.
L’éducation est la clé.

Macht, Ideologien und Freiheit, Geld, Armut und Bildung, ein gutes, gesundes und erfüllendes Leben: Genau dies sind Herausforderungen, die für die Universität Luzern relevant sind. Dabei werden zwei Drittel unserer Absolventinnen und Absolventen dereinst in Berufen pensioniert werden, die es heute noch nicht gibt. Der Beitrag der Universität Luzern liegt also nicht nur darin, qualifizierte Fach- und Führungskräfte für den heutigen Arbeitsmarkt auszubilden. Im Zentrum der universitären Bildung steht auch das Anliegen, jene Kompetenzen zu vermitteln, die Absolvierende in die Lage versetzen, neue Situationen, Kontexte und Welten zu lesen, zu interpretieren und zu verstehen, sich darin zu orientieren, zu bewegen und zu entwickeln und selber und mit anderen zusammen zu entscheiden, zu gestalten und zu lenken.

Auf dieser Basis geht es jetzt darum, die laufenden Pläne umzusetzen und die Folgeplanung in die Hand zu nehmen. Die aktuellen Pläne stehen in der Leistungsvereinbarung 2019–2022 zwischen Kanton und Universität Luzern:

  • Erstens die interprofessionelle Entwicklung des Departements Gesundheitswissenschaften und Medizin mit einer Profilierung Richtung Rehabilitation.
  • Zweitens die organisatorische Bündelung der universitären Weiterbildung in einer Weiterbildungsakademie, die auch für andere Akteure auf dem Campus Luzern offen ist.
  • Drittens die Förderung des wissenschaftlichen Nachwuchses mit einer Graduate Academy, die eine institutionelle Kooperation mit der Università della Svizzera italiana und mit dem European University Institute in Florenz aufbaut.

Grundlage bildet unser humanwissenschaftlicher Fokus auf Menschen und ihre Institutionen. Aber: Es fehlt noch die Auseinandersetzung mit den unterschiedlichen Aspekten des menschlichen Verhaltens. Hier setzt die Folgeplanung an, in der es darum geht, das humanwissenschaftliche Profil mit Verhaltenswissenschaften abzurunden. Damit können wir noch besser dazu beitragen, den Fachkräftemangel in kritischen Branchen zu reduzieren, die Luzerner Standortattraktivität zu steigern und das Profil der Universität Luzern zu stärken.

Träume? Alt ist, wer von keiner Zukunft mehr träumt! Wir sind ein junges Unternehmen. 2020 wurden wir 20. Und ein Geburtstag ist noch lange kein Grund, alt zu werden! Ich danke allen, die an der Weiterentwicklung unserer Universität mitarbeiten, und ich freue mich auf unsere nächsten Entwicklungsschritte. Wenn wir überzeugt sind, dass wir es schaffen, haben wir es schon fast geschafft!

Bruno Staffelbach, im Mai 2021