Dr. Andrea De Angelis, Forschungsmitarbeiter und Lehrbeauftragter am Politikwissenschaftlichen Seminar, antwortet.

(Bild: Silvan Bucher)

Algorithmen nutzen formale Verfahren, um Probleme zu lösen. Im Zeitalter der digitalen Transformation werden immer komplexere mathematische Modelle entwickelt, die Daten analysieren, um automatische Vorhersagen zu treffen. Algorithmen sind sehr flexibel und können mit sehr unterschiedlichen Datentypen umgehen: Bilder können verwendet werden, um Computer-Vision-Algorithmen zu trainieren, die bestimmte Muster in neuen Bildern erkennen, und grosse Textmengen können verwendet werden, um Sprachmodelle zu trainieren, die Ereignisse in Nachrichtenartikeln erkennen.

Diese Anwendungen sind nur wenige Beispiele für den weltweiten Aufschwung der künstlichen Intelligenz (KI), was Geschäftsmodelle umwälzt und völlig neue Branchen entstehen lässt. Da wir jedoch zunehmend digitale und soziale Medienplattformen wie Facebook, Twitter und LinkedIn nutzen, verlassen wir uns implizit auf Algorithmen, um personalisierte «Read next»- oder «Watch next»-Empfehlungen zu erhalten. Diese digitalen Trends verändern rasch die Art und Weise, wie politische Parteien und Regierungen sowie Wählerinnen und Wähler Informationen sammeln und Entscheidungen treffen. Und sie wirken sich auf das aus, was uns am wichtigsten ist: unsere Demokratie.

Doch stärken nun oder bedrohen Algorithmen die Demokratie? Einerseits werden die negativen Folgen des Missbrauchs von Algorithmen immer deutlicher: Algorithmische Personalisierung kann die Schaffung von «Echokammern» begünstigen, die politische Diskurse verzerren und einen Lebensraum für Ressentiments und extremistische Ansichten schaffen. Algorithmen können Journalistinnen und Nachrichtenredaktoren ersetzen und die Verbreitung von ungeprüften Nachrichten und gezielten Desinformationskampagnen begünstigen. Und schliesslich können Algorithmen unter bestimmten Umständen mit Social-Media-Sucht und Aufmerksamkeitsdefiziten in Verbindung gebracht werden.

Andererseits können Algorithmen durchaus zu einem Verbündeten der Demokratie werden: Sie unterstützen und informieren die Politik mit genauen Prognosen und personalisierten Vorhersagen. Social-Media-Plattformen verlassen sich ebenfalls auf Algorithmen, um uns vor hasserfüllten und falschen Inhalten zu schützen. In Zukunft werden Algorithmen der Schlüssel zu einer sicheren elektronischen Stimmabgabe sein, den Zugang zum politischen System digitalisieren und die Bürgerinnen und Bürger näher an politische Entscheidungen heranführen.

Algorithmen sind also mächtige Werkzeuge: Sie können gefährlich werden, wenn sie missbraucht werden, aber sie sind nicht quasi von Natur aus schlecht. Die Antwort auf die Frage, ob Algorithmen die Demokratie stärken oder bedrohen werden, hängt also letztlich von uns ab. Werden wir uns schnell mit Algorithmen vertraut machen und lernen, wie wir Algorithmen nutzen können, um uns die Welt zu erschliessen, oder werden wir Opfer der algorithmischen Personalisierung bleiben? Werden wir Regulierungen fordern, um faire und unvoreingenommene Algorithmen zu entwickeln oder werden wir die sozialen Auswirkungen schlechter Algorithmen ignorieren?

Die Frage nach Algorithmen und deren Einfluss auf die Demokratie ist sicherlich eine, die nach mehr Forschung ruft, um gute Antworten bereitstellen zu können. Ein laufendes Forschungsprojekt, das vom Schweizerischen Nationalfonds (SNF) finanziert und von der Universität Luzern mit hiesigen Forscherinnen und Forschern sowie Angehörigen der Stanford University durchgeführt wird, befasst sich derzeit mit diesen kritischen Fragen, um so eine der wichtigsten Debatten unserer Zeit voranzutreiben.

Es handelt sich um die Beantwortung der im Rahmen des Jahresberichts 2021 der Universität Luzern gestellten Frage.

Andrea De Angelis

Forschungsmitarbeiter und Lehrbeauftragter am Politikwissenschaftlichen Seminar
unilu.ch/andrea-de-angelis