An Sonnentagen sind viele Menschen in einer besseren Stimmung und zufriedener mit ihrem Leben als an Schlechtwettertagen. Beeinflusst das aktuelle Wetter daher vielleicht auch die Beurteilung von vergangenen Ereignissen wie Hotelaufenthalten?

Illustration: Sarah Furrer

Die Aussicht auf Ferien ist ein schöner Gedanke – wenn da nur nicht die Suche nach dem richtigen Hotel wäre. Nicht wenige suchen für ihren Aufenthalt nach dem «Himmel auf Erden» (Titel einer TripAdvisor-Bewertung). Wie soll man vor Reiseantritt wissen, in welchem Hotel das Personal freundlich, das Essen schmackhaft und die Lage perfekt ist?

Stark genutzte Orientierungshilfe

Um diese Fragen zu beantworten, besuchen Reisende häufig Hotelbewertungsportale wie TripAdvisor, Expedia oder HolidayCheck. Auf diesen Websites findet man mit wenigen Klicks für fast jedes Hotel in fast jedem Land die gesammelten Erfahrungen, Meinungen und Bilder früherer Reisender. Es scheint, der Weg zum Traumhotel könnte nicht einfacher sein, denn wer wäre besser geeignet zum Informationsaustausch als Personen, die bereits vor Ort waren? Es überrascht daher nicht, dass gemäss einer Umfrage im Jahr 2017 91 Prozent der Kundinnen und Kunden angeben, Produktbewertungen im Internet zu lesen. 84 Prozent gaben an, diesen Bewertungen genauso zu vertrauen wie den Empfehlungen von Freundinnen und Freunden.

Was aber widerspiegeln Hotelbewertungen wirklich? Tatsächlich nur die persönliche Reiseerfahrung oder auch andere Aspekte, die vielleicht gar nichts mit dem Urlaub zu tun gehabt haben? Dieser Frage gingen mein Kollege Yaniv Dover von der Hebrew University in Jerusalem und ich in einer kürzlich veröffentlichten Studie nach.

Informativität nicht immer gegeben

Aus theoretischer Sicht sind Hotelbewertungen unter drei Bedingungen informativ für die Hotelqualität. Erstens müssen die Bewertungen von echten Reisenden stammen. Zweitens müssen gute, moderate und schlechte Erfahrungen gleichermassen von Reisenden geteilt werden. Drittens dürfen Bewertungen nicht durch Aspekte verzerrt sein, die für die Erfahrungen und Entscheidungen zukünftiger Reisender irrelevant sind.

Bisherige Studien hatten bereits gezeigt, dass die ersten beiden Bedingungen durch sogenannte Fake Reviews und einer Tendenz, Extremmeinungen eher zu teilen, häufig nicht erfüllt sind. Was uns interessierte, war die Frage, ob wir auch die dritte Annahme empirisch widerlegen können. Um dieser Frage nachzugehen, wählten wir einen Faktor, der mit der eigentlichen Urlaubserfahrung nichts zu tun gehabt haben konnte: das Wetter am Wohnsitz der Reisenden in der ersten Woche nach Reiseende. Beeinflusst das Wetter die Bewertungsabgabe systematisch? Das klare Ergebnis unserer Studie: ja!

Für unsere Studie untersuchten wir mehr als eine Million Hotelbuchungen.
Leif Brandes, Ordentlicher Professor für Betriebswirtschaftslehre

Für unsere Studie untersuchten wir mehr als eine Million Hotelbuchungen, die zwischen 2003 und 2012 von Reisenden mit deutschem Wohnsitz bei einem führenden internationalen Reiseportal getätigt worden waren. Für jede dieser Buchungen verfügten wir über detaillierte Informationen über das gewählte Reiseziel, den Zeitpunkt und die Dauer des Aufenthalts sowie über den Wohnsitz der Reisenden. Für die 70 000 daraus resultierenden Hotelbewertungen hatten wir zudem detaillierte Angaben über den Zeitpunkt der Bewertungsabgabe und den Bewertungsinhalt. Diesen Datensatz ergänzten wir um tägliche Wetterinformationen von knapp 1200 Stationen des Deutschen Wetterdienstes (DWD). Dabei fokussierten wir auf vier Typen von Wetterbedingungen: kein Niederschlag, Regen, Schnee, Schneeregen.

Schlechtwetter – mehr im Internet

Um den Einfluss des Wetters auf die Bewertungsabgabe zu bemessen, betrachteten wir für jede Buchung die ersten sieben Tage nach Reiseende. Im Vergleich zu Tagen ohne Niederschlag am Wohnsitz wiesen Tage mit Niederschlag eine um 6 bis 9 Prozent höhere Bewertungswahrscheinlichkeit auf. Unser Ergebnis lässt sich primär mit den gesunkenen Opportunitätskosten durch schlechtes Wetter erklären: Regnet oder schneit es draussen, bleiben viele Leute lieber drinnen – und surfen im Internet.

In einer zweiten Analyse verglichen wir den Inhalt derjenigen Bewertungen, die an Tagen mit Niederschlag verfasst worden waren, mit denen, die an Tagen ohne Niederschlag verfasst worden waren. Unsere Ergebnisse zeigten, dass insbesondere Regen einen systematischen Einfluss auf den Bewertungsinhalt hatte: Diese Bewertungen waren im Durchschnitt nicht nur etwas negativer in der Bewertungsnote (um 0,03 Punkte), sondern wiesen auch mehr negative Wörter in der Textbeschreibung auf (ein Anstieg um 2,5 Prozent). Diese Effektgrössen gewinnen an Bedeutung, wenn man weiss, dass ein Drittel der besten Hotels nur maximal 0,13 Punkte auseinanderliegt. Die Effekte selbst lassen sich am besten mit einem unbewussten Einfluss des Wetters auf die Stimmung der Bewertenden erklären. Der Effekt von Regen auf die Hotelbewertung war besonders stark, wenn die Reisenden nur kurz vor Ort gewesen waren und somit relativ wenig Informationen über das Hotel besassen. Bei mehrwöchigen Aufenthalten verschwand der Effekt hingegen gänzlich.

Bedeutung für Praxis und Forschung

Unsere Studie zeigt, dass die Verfügbarkeit und der Inhalt von Hotelbewertungen systematisch von Faktoren beeinflusst werden, die nichts mit der Hotelqualität zu tun haben. Dies ist zugleich für Praxis und Forschung relevant: Erstens impliziert der positive Zusammenhang zwischen Niederschlag und Bewertungsabgabe, dass es für Hotels in diesem langen, warmen und sehr trockenen Sommer etwas schwieriger gewesen ist, Bewertungen zu sammeln. Zweitens zeigt der negative Effekt von Regen auf den Bewertungsinhalt, dass die verfügbaren Bewertungen keine zuvor gefestigten Meinungen widerspiegeln, sondern dass sich die finale Meinung erst zum Zeitpunkt der Bewertungsabgabe bildet. Ein bisschen mehr Vorsicht und ein bisschen weniger blindes Vertrauen in die Bewertungen von Fremden könnten daher der erste Schritt sein beim nächsten Versuch, den «Himmel auf Erden» zu erleben.

Arbeitspapier «Reisebewertungen» (externer Link)

Leif Brandes

Leif Brandes

Ordentlicher Professor für Betriebswirtschaftslehre
unilu.ch/leif-brandes