Johannes Saal arbeitet als wissenschaftlicher Mitarbeiter am Zentrum für Religion, Wirtschaft und Politik an der Universität Luzern. Dies, nachdem der 34-Jährige hier auch seinen Master absolviert und seine Doktorarbeit abgeschlossen hat. Das Thema: religiöser Extremismus.

Johannes Saal, wissenschaftlicher Mitarbeiter an der Universität Luzern Absolvent Joint Degree Master «Religion – Wirtschaft – Politik», Doktorat Politikwissenschaft. (Bild: Silvan Bucher)

Johannes Saal, Sie haben den akademischen Weg eingeschlagen; wie kam es dazu?

Johannes Saal: Ich habe bereits während meines Bachelorstudiums an der Universität Potsdam gemerkt, dass ich meine Begeisterung für Forschung gerne auch im Beruf ausleben möchte. Dieser Wunsch hat sich dann im Laufe des Masterstudiums, für das ich nach Luzern wechselte, verfestigt. Aufgrund meiner guten akademischen Leistungen war ich später privilegiert, Unterstützung seitens des Zentrums für Religion, Wirtschaft und Politik (ZRWP) und der Kultur- und Sozialwissenschaftlichen Fakultät sowie des Schweizerischen Nationalfonds (SNF) für die Realisierung meiner Doktorarbeit zu erhalten.

Was gefällt Ihnen besonders am wissenschaftlichen Arbeiten? Was sind die Herausforderungen?

Seit meiner Kindheit hege ich eine grosse Neugier. Wenn mich etwas interessiert, dann kann ich mich sehr lange damit beschäftigen. Die Freiheit, sich mit einem Thema oder Problem über einen langen Zeitraum intensiv auseinanderzusetzen, bietet sich in der heutigen schnelllebigen Zeit kaum in einem anderen Berufsfeld. Zugleich hat mein Forschungsschwerpunkt – religiöser Extremismus – auch hohe gesellschaftliche und politische Relevanz. Ich kann mich daher sehr glücklich schätzen, mein Wissen sowohl im akademischen als auch nichtakademischen Bereich teilen zu dürfen. Was die Herausforderungen anbelangt, fiel es mir insbesondere am Anfang schwer, Grenzen zwischen Beruf- und Privatleben zu ziehen. In arbeitsintensiven Phasen – so beim Schreiben der Dissertation – hatte ich oftmals das Gefühl, nie wirklich Feierabend oder einen freien Tag zu haben. Diesbezüglich habe ich mittlerweile dazugelernt. Eine grössere Herausforderung ist jedoch die berufliche Unsicherheit, in der man sich als Nachwuchsforschender über mehrere Jahre befindet. Das erschwert nicht nur die Karriereplanung, sondern auch die Planung des Privatlebens.

Was haben Sie im Rahmen Ihrer Master- und Doktorarbeit untersucht und was sind die wichtigsten Befunde und Erkenntnisse?

Religiöser Extremismus interessierte mich seit langem, sodass ich in meiner Masterarbeit der Frage nachging, wie religiöse und säkulare Terrororganisationen in Palästina effektiv Gewalt als politisches Mittel mobilisieren. Inspiriert durch ZRWP-Veranstaltungen zu Religionsökonomie und religiösen Akteuren in der Zivilgesellschaft, lag der theoretische Ansatz der Forschungsarbeit der Theorie sozialen Kapitals zugrunde, das aus zwischenmenschlichen Beziehungen entsteht und wichtig für kollektive Handlungen ist. In meiner Dissertation zu dschihadistischen Netzwerken in Deutschland, Österreich und der Schweiz konkretisierte ich meine theoretischen Vorüberlegungen. Sozialkapital spielt nämlich nicht nur bei der Mobilisierung von verschiedenen Ressourcen wie Wohltätigkeit, Unterstützung und Gewalt eine bedeutende Rolle, sondern auch beim Prozess der Radikalisierung selbst. Dabei hat sich gezeigt, dass weniger soziodemografische und biografische Profile, sondern vielmehr das soziale Umfeld enormen Einfluss auf Radikalisierung haben. Diese Ergebnisse haben schliesslich auch praktische Implikationen, wenn Politik und Gesellschaft nach effektiven Mitteln der Prävention und De-Radikalisierung fragen.

Woran forschen Sie zurzeit?

In meiner Funktion als wissenschaftlicher Mitarbeiter arbeite ich momentan an einem Forschungsprojekt zu Religionspolitik in Deutschland und der Schweiz mit, möchte aber meine bisherige Forschung langfristig mit einem verbesserten theoretischen Modell, einem konsistenteren Datensatz und neueren Methoden in der Sozialen Netzwerkanalyse als Postdoc fortführen. Der Bescheid über die finanzielle Förderung dieses Forschungsprojekts durch den SNF steht noch aus.

Die Möglichkeit, Lehrveranstaltungen aus verschiedensten Studienbereichen zu wählen, schaffte eine Atmosphäre des freien intellektuellen Austausches.

Wie haben Sie Ihr Studium in Luzern in Erinnerung? Was hat Ihnen besonders gut gefallen?

Bereits während meines Bachelorstudiums in Potsdam erkannte ich die Vorteile, an einer überschaubaren Universität bzw. an einem kleinen Institut zu studieren. Auch an der Universität Luzern ist der Kontakt zwischen Mitstudierenden und Dozierenden sehr eng. Besonders schön finde ich, dass dies auch über Institutsgrenzen hinaus geschieht. Dies schafft meines Erachtens nicht nur ideale Lernbedingungen, sondern auch ein grossartiges soziales Umfeld, in dem Probleme besser angegangen werden können. Ich bin mir sicher, dass die engen Kontakte am ZRWP sowie an der KSF auch später hilfreich waren, als es darum ging, die nötige Unterstützung für mein Dissertationsprojekt zu erhalten.

Gab es einen bestimmten Grund für den Entscheid, für den Master an die Universität Luzern zu kommen?

Im Bachelorstudium studierte ich Religionswissenschaft und Jüdische Studien. Diese Studienfächer sind in Potsdam sehr geisteswissenschaftlich geprägt. Ich habe mich jedoch eher für eine soziologische und politikwissenschaftliche Perspektive auf Religion interessiert. Ich erfuhr vom Joint-Degree-Masterstudiengang «Religion – Wirtschaft – Politik», der von den Universitäten Luzern, Basel und Zürich angeboten wird. Neben dem Fokus auf die interdisziplinäre Überschneidung von Religions-, Politik- und Wirtschaftswissenschaft war besonders die Vielfalt der Lehrveranstaltungen zur Vertiefung des akademischen Profils attraktiv. Luzern wählte ich, da sich hier die Studiengangsleitung befindet. Das hatte im Studium jedoch keine grosse Relevanz, da ich auch regelmässig Veranstaltungen an den anderen Standorten besuchte. Dass ich – ich bin gebürtiger Berliner – mittlerweile mehr als acht Jahre in Luzern wohne, verdeutlicht aber, dass ich sehr froh über die eher zufällige Wahl meines neuen Wohnortes war.

Was aus dem Studium erwies sich als wertvoll für den akademischen Weg?

Die enorm interdisziplinäre Ausrichtung des ZRWP und die Möglichkeit, Veranstaltungen aus verschiedensten Studienbereichen zu wählen, schafft eine Atmosphäre des freien intellektuellen Austausches. Dieser ist essenziell für innovatives Denken und um eigene Forschungsinteressen zu finden. Ebenso hat der Studiengang sehr gut vermittelt, theoretische Konzepte aus verschiedenen wissenschaftlichen Disziplinen an unterschiedliche Forschungsgegenstände anzuwenden und kritisch zu reflektieren. Im ZRWP wurde auch viel Wert darauf gelegt, Studierende vor der Masterarbeit intensiv mit der Ausarbeitung des Forschungsdesigns vertraut zu machen.

Welche Tipps können Sie Studierenden auf den Weg geben, für die ein akademischer Weg infrage kommt?

Ich denke, es ist wichtig, frühzeitig Forschungsinteressen herauszuarbeiten und erste Ideen in Seminar- und Masterarbeiten zu formulieren. Dabei sollte man nicht nur kreativ und innovativ sein, sondern sich auch für das Themenfeld begeistern, denn immerhin muss man sich im Laufe der Promotion mehrere Jahre (und hoffentlich auch lange darüber hinaus) damit eingehend auseinandersetzten. Zugleich kann ich nur empfehlen, bereits so früh wie möglich anzufangen, ein professionelles Netzwerk zu Forschenden aus dem gleichen Fachbereich und mit ähnlichen Forschungsinteressen aufzubauen. Hier können Summer Schools, Fachverbände und Konferenzen hilfreich sein. Angesichts der eher schwierigen Situation des Mittelbaus muss man schliesslich einen langen Atem haben. Selbst erfolgsverwöhnte Nachwuchsforschende müssen an einem bestimmten Punkt lernen, sich von Misserfolgen nicht demotivieren zu lassen.

www.unilu.ch/johannes-saal

Informationen zum Joint-Degree-Masterstudiengang Religion, Wirtschaft und Politik

Das Interview wurde im Rahmen des Jahresberichts 2020 der Universität Luzern von Dave Schläpfer, stv. Leiter der Universitätskommunikation, geführt. Der Bericht steht unter dem Motto «Absolventinnen und Absolventen im Fokus».