Im öffentlichen Gesundheitssektor befindet sich Joëlle Troxler, Masterabsolventin in Health Sciences, in einem abwechslungsreichen und auch herausfordernden Arbeitsfeld. Gerade zumal die 33-Jährige zwischen Familienleben und beruflichen Ambitionen navigiert.
Joëlle Troxler, Sie arbeiten als wissenschaftliche Mitarbeiterin und Projektleiterin beim Bundesamt für Gesundheit (BAG). Können Sie uns einen kurzen Einblick in Ihre Arbeit geben?
Joëlle Troxler: Ich bin mitverantwortlich für die Umsetzung einer nationalen Initiative zur Bekämpfung des Pflegekräftemangels in der Schweiz, die im Jahr 2021 mit 61 Prozent vom Volk angenommen wurde. Zu meinen Aufgaben gehören unter anderem die Schaffung der rechtlichen Rahmenbedingungen, die Planung und Kontrolle des Budgets sowie die Zusammenarbeit mit verschiedenen Interessengruppen, um sinnvolle und praxistaugliche Veränderungen voranzutreiben. Mit 70 Stellenprozenten ist die Bewältigung all dieser Aufgaben herausfordernd, aber auch lohnend.
Vor Ihrem Master in Health Sciences haben Sie einen Bachelor in Wirtschaft und Politik gemacht – wie kam es zu diesem Wechsel?
Den Bachelor, den ich an einer anderen Universität erworben habe, empfand ich als zu theoretisch. Die Arbeit in einem Pflegeheim während meines Studiums brachte mich mit den demografischen und finanziellen Herausforderungen im Gesundheitssektor in Berührung und weckte mein Interesse. Ich erkannte, dass ich meine Fähigkeiten praktischer anwenden möchte, was mich dazu veranlasste, den Master in Luzern zu absolvieren.
Warum haben Sie sich für die Universität Luzern entschieden, und wie hat Ihr Studium Sie auf Ihre heutige Tätigkeit vorbereitet?
Besonders angesprochen hat mich die moderne, familiäre Umgebung sowie der interdisziplinäre Ansatz an der Fakultät für Gesundheitswissenschaften und Medizin. Der Masterstudiengang umfasste verschiedene Bereiche, darunter Biologie, Pflege, Medizin, Soziologie, Wirtschaft und Recht, was mir ein umfassendes Verständnis des Gesundheitssystems vermittelte. Die methodische Ausbildung, insbesondere die Analyse wissenschaftlicher Artikel, und das integrierte Praktikum spielten eine entscheidende Rolle bei der Vorbereitung auf meine jetzige Tätigkeit.
Ich erkannte, dass ich meine Fähigkeiten praktischer anwenden möchte, was mich dazu veranlasste, den Master in Luzern zu absolvieren.
Was waren die nächsten Schritte nach Ihrem Studium?
Nach meinem Master absolvierte ich ein Praktikum in einem Spital und arbeitete später für den Kanton Bern, wo ich Projekte im Bereich psychische Gesundheit und Palliativpflege leitete. Anschliessend besuchte ich einen MAS an der ETH Zürich, der ein Praktikum in Albanien beinhaltete. Dort stellte ich mich den Herausforderungen des Gesundheitswesens in einem ressourcenarmen Umfeld. Nach meiner Rückkehr in die Schweiz stand ich vor der Herausforderung, während der Schwangerschaft eine Stelle zu finden, hatte aber das Glück, dank einer mutigen und aufgeschlossenen Abteilungsleiterin, die meine Fähigkeiten und mein Potenzial schätzte, eine spannende Position beim BAG zu finden.
Welche Herausforderungen und Chancen sehen Sie heute im Bereich der öffentlichen Gesundheit?
Der öffentliche Gesundheitssektor steht unter finanziellem Druck, was sich auf die Verfügbarkeit und Sicherheit von Arbeitsplätzen auswirkt. Politische Veränderungen haben zu Budgetkürzungen, weniger Praktikumsplätzen und mehr befristeten Verträgen geführt, was den Einstieg in den Bundesbetrieb erschwert und das Stressniveau erhöht. Trotz dieser Herausforderungen bietet die öffentliche Gesundheit einzigartige Möglichkeiten, systemische Veränderungen voranzutreiben und am Puls der Politik zu arbeiten. Allerdings bleibt die Balance zwischen Karriereambitionen und familiären Verpflichtungen auch im öffentlichen Sektor eine Herausforderung.
Praktische Erfahrungen während des Studiums sind in einem hochkompetitiven Arbeitsmarkt entscheidend.
Welche Fähigkeiten oder Kenntnisse sind in Ihrer täglichen Arbeit am wichtigsten?
Vorausschauende Planung, Teamführung und Effizienz sind besonders wichtig. Meine finanzielle Expertise und mein breites wirtschaftliches Wissen, insbesondere im Bereich der Finanzierung des Gesundheitswesens, waren in verschiedenen Projekten von grossem Wert.
Welchen Rat würden Sie Studierenden oder Absolventinnen und Absolventen geben, die in Ihr Berufsfeld einsteigen möchten?
Praktische Erfahrungen während des Studiums sind in einem hochkompetitiven Arbeitsmarkt entscheidend. Hochschulpraktika bieten wertvolle Einstiegsmöglichkeiten. In der Bundesverwaltung sind zudem gute Sprachkenntnisse wichtig, das Beherrschen mindestens zweier Landessprachen ist eine zwingende Anforderung. Bei den Kantonen gibt es vielversprechende Arbeitsstellen, insbesondere für diejenigen, die sich für Lokalpolitik interessieren und gerne in einem familiären Umfeld arbeiten.
Sie haben die Herausforderung erwähnt, berufliches Wachstum und familiären Verpflichtungen zu vereinbaren. Wie sehen diese für Sie als Mutter aus?
Als junge Mutter arbeitstätig zu sein und einen verantwortungsvollen Job zu haben, ist aus meiner Sicht in der heutigen Arbeitswelt nach wie vor eine Herausforderung. Obwohl ich denke, dass ich eine bessere Mitarbeiterin geworden bin, seit ich Mutter bin. Ich bin sehr effizient, multitaskingfähig, kann unter Druck Entscheidungen treffen und bleibe auch in stressigen Arbeitssituationen ruhig. Nichtsdestotrotz leiste ich mit 70 Prozent gefühlt ein höheres Pensum und fühle mich bei beispielsweise Aufstiegsmöglichkeiten oder der Zuteilung spannender, anspruchsvoller Aufgaben benachteiligt. Als bedenklich erachte ich zudem, dass es oft für Frauen in den Dreissigern nicht einfach ist, einen spannenden Job zu finden. Umso entscheidender erscheint mir ein gesellschaftlicher Wandel hin zu mehr Anerkennung von Familien und einer besseren Vereinbarkeit von Karriere und Familie. Die nordischen Staaten dienen dabei als Vorbild, da sie Kinder als gemeinsamen gesellschaftlichen Auftrag betrachten.
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