Bernhard Lange treibt Kampfsport, geht nie zweimal ins gleiche Restaurant und hat gerne die Kontrolle über seinen Geist und Körper. Der Leiter des Zentrums für Lehre engagiert sich dafür, dass Dozierende und Studierende ihr Lehren und Lernen hinterfragen und verbessern.

Bernhard Lange, der eine Kick-Bewegung ausführt, im Treppenhaus der Universität Luzern
Sucht Erfahrungen jenseits der Komfortzone: Bernhard Lange im Treppenhaus der Universität Luzern. (Bild Philipp Schmidli)

«Wenn du nicht hochkonzentriert bist, verlierst du, dann stürzt du ab.» Bernhard Lange ist ein Gesprächspartner, der kein Blatt vor den Mund nimmt, sondern gleich zur Sache kommt. Krav Maga stammt aus Israel und bedeutet im Hebräischen so viel wie Kontaktkampf. Der gebürtige Deutsche übt diese Sportart seit zehn Jahren aus. «Kampfsport betreibe ich aber seit über 30 Jahren», sagt der 45-Jährige. An der Universität Luzern ist er nebenbei als Trainingsleiter im Kurs «Selbstverteidigung für Frauen» tätig. «Das macht Spass, zudem finde ich es sinnvoll für Frauen, dass sie ein Grundwissen haben, wie sie sich wehren können. Für viele Teilnehmerinnen ist es zunächst wichtig zu akzeptieren, dass sie sich wehren dürfen.»

Auch Klettern fasziniert ihn. Beide Sportarten verlangen die totale Hingabe – Halbherzigkeiten erträgt es nicht. «Das interessiert mich. Es geht darum, aus der Komfortzone rauszukommen.» Erst da fange es an, spannend zu werden. Komfort sei langweilig, fügt er an. Genau da setzt Lange auch als Leiter des Zentrums Lehre an. Lernen finde ausserhalb dieses Bereichs statt, ist er überzeugt. «Lernen bedeutet, den eigenen Horizont zu erweitern, andere Positionen kennenzulernen, unbekanntes Terrain zu betreten. Lernen bedeutet auch Anstrengung.»

Wie wird Wissen vermittelt?

Damit gutes Lernen möglich ist, braucht es entsprechenden Unterricht. Das Zentrum für Lehre bietet diverse Angebote an, um Dozierende im Bereich Lehre zu unterstützen. Ein insgesamt etwa siebentägiger Basiskurs Hochschuldidaktik soll beispielsweise dazu befähigen, eine eigene Lehrveranstaltung kritisch reflektiert zu gestalten und durchzuführen. Zudem gibt es diverse Weiterbildungsmöglichkeiten zu spezifischen Fragen, wie etwa den Themen Feedbackkultur oder Prüfungsgestaltung. Auch wenn es Bernhard Lange nicht explizit erwähnt: Er würde es begrüssen, wenn die freiwilligen und kostenlosen Weiterbildungsangebote noch breiter genutzt würden und die Frage, wie man Wissen vermittelt, auf der universitären Stufe mehr Gewicht erhielte.

Fehlende Didaktik kann dazu führen, dass sich der Graben unter den Studierenden vertieft.
Bernhard Lange, Leiter Zentrum Lehre

Um das zu erläutern, nimmt der in der Stadt Luzern Wohnhafte ein Beispiel aus seiner eigenen Studienzeit zu Hilfe. «Fast alle Seminare waren gleich aufgebaut. Am Anfang wurden die Themen verteilt, und alle mussten einmal im Semester ein Referat halten.» Das hatte zur Folge, dass die Studierenden die meiste Zeit Referate der Kolleginnen und Kollegen anhörten. «Es wurde kaum geübt, wie man ein solches Referat hält, und in der abschliessenden Feedbackrunde schlossen sich die meisten der Meinung der Vorrednerin, des Vorredners an. Weil wir nicht wussten, wie man gute Rückmeldungen gibt.» Bernhard Lange schmunzelt. Skurril sei das mitunter gewesen. Und vor allem habe es dazu geführt, dass die Studierenden sich nicht aus ihrer Komfortzone herausbewegten. «Es bestand die Gefahr, dass man die Veranstaltung quasi als Zuschauer absass», weil jede und jeder nur ein einziges Mal selbst etwas aktiv leisten musste.

Die Folge war, dass dadurch eine versteckte Selektion stattfand. «Nur diejenigen, die eine intrinsische Motivation mitbrachten, waren aktiv dabei. Wer aus einem interessierten, intellektuellen Umfeld kam, profitierte, andere blieben in ihrer Entwicklung stecken.» Viele seien dagesessen und hätten gedacht: Die anderen wissen alles, ich weiss nichts. «Fehlende Didaktik kann dazu führen, dass sich der Graben unter den Studierenden vertieft», ist Bernhard Lange überzeugt. Darum ist für ihn klar, dass nicht nur der Wissensinhalt, sondern auch die Frage, wie man diesen vermittelt, von grosser Bedeutung ist.

Anspruch an Dozierende

Als «Kämpfer für die Lehre» könnte man ihn deshalb bezeichnen. Im Gespräch mit dem grossen, drahtigen Mann ist seine Leidenschaft für die Thematik spürbar. Er weiss auch, dass seine klare Haltung nicht überall auf Zustimmung stösst. «Ich verstehe, dass Dozierende den Grossteil ihrer Energie für die Inhalte aufwenden müssen und sie darum nicht auch noch ausführlich mit didaktischen Methoden experimentieren können.» Der Druck, die eigenen wissenschaftlichen Ergebnisse zu publizieren, sei hoch. Deshalb sei es manchmal schwierig, die Forschenden für seine Anliegen zu gewinnen. «Ich ermutige dennoch dazu, sich tief in die Didaktik hineinzuwagen. Auch wenn es zusätzlichen Aufwand bedeutet und die Auseinandersetzung mit den Lehrmethoden verunsichern kann.» Bernhard Lange ist sich bewusst, dass sich die Dozierenden damit auch zum Teil in eine weitere wissenschaftliche Disziplin einarbeiten müssen.

Aber es lohnt sich, ist er überzeugt. Das Wichtigste für ihn ist zunächst, dass das «Constructive Alignment» stimmt, dass also die Lernziele, die Leistung der Studierenden und ihre Aktivitäten während einer Lehrveranstaltung im Einklang stehen. «Nehmen wir eine stereotype Vorlesung, bei der am Ende eine Klausur dazugehört. Wenn hier verlangt wird, die gehörte Theorie anhand eines tagespolitischen Themas zu erläutern, dann darf diese Leistung nicht erst an der Prüfung gefordert sein.» Die Studierenden sollten während des Semesters das, was sie am Schluss beherrschen müssen, konkret üben. Dazu gehöre unter anderem die Fähigkeit, etwas anschaulich zu erklären. Auch richtiges Recherchieren wolle gelernt sein. «Wenn das in einer Seminararbeit verlangt ist, es aber nie thematisiert wurde, darf ich als Dozent nicht verwundert sein, wenn die Recherche bei Wikipedia hängen bleibt.» Die Studentinnen und Studenten müssten lernen, wie man sich in Verzeichnissen zurechtfindet, wo man welche Informationen erhalte.

Wichtig ist auch das Thema, wie die Kantonsschülerinnen und -schüler den Übergang zur Hochschule bewältigen.

Didaktik, die Lehre des Lehrens und Lernens, ist aber nicht sein einziges Tätigkeitsfeld. Bernhard Lange arbeitet auch mit den Gymnasien zusammen, wo er unter anderem in der Jury mitwirkt, welche die jährlichen Maturaarbeiten begutachtet. «Wichtig ist auch das Thema, wie die Kantonsschüler den Übergang zur Hochschule bewältigen», sagt Bernhard Lange. Gegenseitige Erwartungen würden diskutiert, etwa die Frage, wie gross die Kompetenzen der angehenden Studierenden sein müssen und auf welchem Niveau die Dozierenden ansetzen können. Daneben pflegt er den Kontakt zur Organisation «Schweizer Jugend forscht», organisiert Studienwochen und vernetzt sich auf internationalen Tagungen. Ab und zu ist er noch als Dozent in der Religionswissenschaft tätig. Am Religionswissenschaftlichen Seminar hat er 2008 als Doktorand an der Universität Luzern begonnen und seine Dissertation abgeschlossen. Leiter des Zentrums Lehre ist er seit 2016. Die vier Jahre davor war er zudem Koordinator des universitären Zentrums für Religion, Wirtschaft und Politik und von 2014 bis 2016 parallel dazu Studienberater in der Kultur- und Sozialwissenschaftlichen Fakultät. Nicht zu vergessen das anfangs erwähnte sportliche Engagement als Trainingsleiter beim Hochschulsport Campus Luzern.

Privat beschäftigt er sich viel mit seinen beiden Kindern, die zwei und vier Jahre alt sind. «Es ist grossartig, wie sie sich am Klettergerüst motorisch überdurchschnittlich bewegen. Das macht mich stolz.» Natürlich fördert er sie mit seinen didaktischen Finessen – einer Mischung aus Hilfestellung geben und ausprobieren lassen. Auch abseits des Berufs sucht Bernhard Lange Erfahrungen jenseits der Komfortzone, möchte stets lernen und Neues entdecken. So sucht er immer wieder neue Spielplätze für seine Kinder. «Und ich gehe selten zweimal ins gleiche Restaurant.»

unilu.ch/bernhard-lange