Nikolai Dittli hat im Jahr 1990 sein Studium der Theologie abgeschlossen. Der heute 55-Jährige ist CEO der Krankenversicherung CONCORDIA mit Sitz in Luzern. Durch das Studium habe er unter anderem gelernt, systematisch zu denken.

Nikolai Dittli, CEO der CONCORDIA Schweizerische Kranken- und Unfallversicherung AG, Luzern. (Bild: Silvan Bucher)

Nikolai Dittli, warum haben Sie Theologie studiert?

Nikolai Dittli: Der Hauptgrund dafür war mein grosses Interesse an Philosophie und Religion. Ich bin aber kein besonders religiöser Mensch. Auch die grosse Vielfalt an verschiedenen Fächern von Ethik und Philosophie über Judaistik bis zu Sprachen, Kirchengeschichte und Bibelexegese überzeugte mich. Ausserdem hätte ich mir ganz am Anfang meines Studiums vorstellen können, vielleicht doch in den kirchlichen Dienst zu gehen. Da die Kirche Arbeit bietet, die vielfältige Aufgaben enthält. Damals war eine grosse Aufbruchstimmung und die Studierenden hatten damit gerechnet, dass die Kirche sich auch bald für Laien mehr öffnen würde. Was jedoch nicht geschah, sodass ich mich schliesslich auf Anraten meiner Frau hin für ein Zweitstudium entschied.

Wieso haben Sie sich für ein Studium an der Theologischen Fakultät Luzern entschieden?

Ich komme aus der Gegend und ausserdem gefällt mir die Stadt sehr gut. Die Theologische Fakultät bot schon damals eine grosse Fächervielfalt; gerade auch Judaistik wurde hier sehr gefördert. Ich war mir sicher, dass die offene Haltung der Fakultät sich auf die Dozierenden und deren Vorlesungen auswirken würde, was sich bestätigt hat. Die Lehre der meisten Professoren war sehr gut und sie verfügten sowohl in der Schweiz als auch im Ausland über ein gutes Renommee. Auch die kleine Studierendenzahl überzeugte mich. So konnte ein enger Diskurs mit dem Professorium entstehen. Wir waren rund 25 Studierende pro Jahrgang. Ich habe mich sowohl in der Stadt Luzern wie auch an der Theologischen Fakultät immer sehr wohl gefühlt und verlängerte meine Zeit an der Universitären Hochschule Luzern, indem ich als Assistent für Dogmatik arbeitete.

Wie sind Sie zur CONCORDIA gekommen?

Nach meinem Zweitstudium habe ich eine Stelle in Zürich angenommen und pendelte während vier Jahren. Dadurch hatte ich zu wenig Zeit für meine Familie, und so entschieden wir, dass ich in Luzern eine Stelle suchen würde. Wie vieles in meinem Leben war die Stelle bei der CONCORDIA ein Zufall. Damals gab es in Luzern wenige freie Stellen in der Wirtschaft. Ich habe mich 1998 bei der CONCORDIA beworben, da eine interessante Stelle frei war. Schliesslich bekam ich den Job und bin seither bei dieser Versicherung geblieben. Seit 2003 bin ich CEO der CONCORDIA.

Ich suchte nach einer Ausbildung, die mich persönlich weiterbringt und mir konkreten Mehrwert liefert.

Was sind Ihre Haupttätigkeiten als CEO?

Ich bin der Vorsitzende der Geschäftsleitung und zuständig für die Umsetzung der Unternehmensstrategie. Zusammen mit meinen Kolleginnen und Kollegen der Geschäftsleitung führe ich das Unternehmen operativ. [Auf meine Nachfrage hin, was denn aber ein CEO nun genau sei, meint Dittli lachend: «Der Geschäftsführer ist der Papst, der Verwaltungsrat Gott.» So habe ich es dann auch verstanden. Anm. d. Autorin.]

Können Sie bei Ihrer Tätigkeit Ihr Theologiestudium anwenden?

Wie viele Studiengänge ist auch das Theologiestudium eher theoretisch ausgerichtet und bereitet nicht direkt auf die Praxis vor. Dies gefällt mir, denn ich halte nicht so viel von zu praxisorientiertem Studieren. Das Studium soll möglichst tiefe theoretische Grundlagen vermitteln. Die Anwendungen lernt man dann in der Praxis beim typischen «Learning by doing». Ich habe während meines Studiums gelernt, systematisch zu denken, was einem in vielen Lebenslagen hilft. Die Exegese und die philosophische Hermeneutik helfen mir für die Kommunikation im Team. Ausserdem wurde unterschiedliches Denken gefördert, was für einen Chef sehr hilfreich ist. Für ethische Fragen offen zu sein, ist ebenfalls etwas, was ich aus dem Studium mitgenommen habe. Mir wurde das Werkzeug gegeben, um ethische Fragen zu erkennen, zu beurteilen und danach handeln zu können. Nur ein Abendkurs in Ethik wäre dafür zu wenig gewesen. Hier hilft mir das Studium sehr.

Haben Sie für die Studierenden Tipps fürs Studium und für die Jobsuche?

Suchen Sie einen Beruf, an dem Sie Freude haben. Denn Freude bringt Erfolg und Erfolg bringt Freude. Suchen Sie sich eine Stelle, die Ihren Fähigkeiten entspricht. Nur dann werden Sie Freude und Erfolg in der Arbeit haben. Als Chef sehe ich immer wieder, dass Mitarbeitende deshalb ihre Leistung nicht erbringen können, weil sie am falschen Ort arbeiten, und nicht, weil sie unqualifiziert sind. Seien Sie offen für Chancen, die der Zufall Ihnen zuspielt. Schon oft sind ganze Karrieren auf Zufällen aufgebaut worden.

Zunächst akademischer Weg

Nikolai Dittli studierte von 1985 bis 1990 Theologie an der Theologischen Fakultät der Universitären Hochschule Luzern, der Vorgängerinstitution der heutigen Universität Luzern. Er absolvierte ein Mobilität-Zwischenjahr an einem Jesuitenkolleg in Pune, Indien. Nach seiner Studienzeit war Dittli fünf Jahre lang Assistent am Lehrstuhl für Dogmatik bei Professor Eduard Christen (1931–2015). 1995 verliess Nikolai Dittli die Theologische Fakultät. Er absolvierte während seiner Assistenzzeit ein Zweitstudium an der Universität Bern in Volkswirtschaft und ist heute CEO der CONCORDIA Schweizerische Kranken- und Unfallversicherung AG mit Hauptsitz in Luzern.

Überblick Studienangebot Theologie im Bachelor und im Master

Das Interview wurde erstmals im November 2013 publiziert. Die unveränderte Zweitpublikation im Juni 2021 erfolgt im Zusammenhang mit dem Jahresbericht 2020 der Universität Luzern, der unter dem Motto «Absolventinnen und Absolventen im Fokus» steht.

Sandra Ruppli
Zum Zeitpunkt der Erstpublikation des Interviews Co-Sektionsvorsteherin Theologie der ALUMNI Organisation der Universität Luzern. Aktuell ist Sandra Ruppli Fachstellenleiterin Katechese und Fachverantwortliche Jugend & Familie im Pastoralraum Bremgarten-Reusstal und Masterstudentin der Judaistik an der Universität Luzern.