Theo Markwardt (27), Masterstudent der Wirtschaftswissenschaften, hat ein Semester an der Toyo University in Tokio verbracht. Viele Klischees über die japanische Kultur erwiesen sich für ihn als unzutreffend.

Theo Markwardt auf den Treppen zum Hie Schrein, einem Shintō-Schrein mitten in Tokyo. Die roten «Torii» markieren den Übergang vom Profanen zum Sakralen.

Theo Markwardt, was ist die wichtigste Erkenntnis, die Sie mit nach Hause genommen haben?

Theo Markwardt: Die Harmonie und Funktionalität einer Gesellschaft, in der jeder mehr Wert auf das Wohlergehen der Anderen legt als auf sein eigenes, zu erleben, war etwas an Japan, das mir die Augen geöffnet hat.

Was hat Sie an der Gastgeber-Uni am meisten überrascht?

Die Grösse der Masterkurse: Während in den Bachelorkursen oft Hunderte von Leuten anwesend waren, hatten die englischsprachigen Kurse für Masterstudierende in der Regel nie mehr als fünf Studierende.

Welche Lehrveranstaltung hinterliess einen bleibenden Eindruck?

Diejenige für die Programmiersprache «Python», auch wenn diese die schwierigste war. Mir ist aufgefallen, dass in Japan bereits im Gymnasium mit dem Programmieren begonnen wird.

Was würden Sie am liebsten an die Universität Luzern importieren?

Die Mensa mit ihren vielfältigen und leckeren Gerichten oder die Mini-Marts «7-Eleven» und «Lawson» direkt auf dem Campus. Hier konnte man alles von Eis-Kaffee über Sushi bis hin zu Fried Chicken kaufen.

Theo Markwardt (2. v. l.) mit befreundeten Austauschstudierenden bei einem Besuch auf der Insel Okinawa.

Wo haben Sie Ihre erste Freundschaft geschlossen?

Im Grunde habe ich alle meine Freunde in den Studentenwohnheimen der Toyo-Universität kennengelernt. Dort traf ich viele Studierende aus Italien, Deutschland, den USA und auch aus Japan.

Was erwies sich als komplizierter oder aber einfacher als gedacht?

Obwohl ich kein Japanisch spreche, gelang es mir, die meisten Situationen mithilfe von «Google Translate» auf meinem Handy zu meistern – so etwa das Bestellen in Restaurants oder sogar den Coiffeurbesuch.

Welches war das grösste kulturelle Missverständnis?

Das war sicherlich, als ich mich anfangs nicht richtig in die Schlange stellte oder im Zug zu laut war. Das sind Dinge, die als unhöflich empfunden werden können und vermieden werden sollten, um keine Vorurteile über Ausländer entstehen zu lassen.

Wen oder was haben Sie während Ihres Aufenthalts am meisten vermisst?

Freunde und Familie – jedenfalls ab und zu, denn es gab ständig etwas zu tun, und im Wohnheim gab es viele soziale Kontakte. Was Esswaren anbelangt, habe ich Schweizer Käse, gute Pasta und Pizza sehr vermisst. Auch das Schweizer Brot, da es in Japan eigentlich nur sehr weiches Weissbrot gibt.

Gibt es etwas, dass sie nach Ihrer Rückkehr an Japan vermisst haben?

Sushi-Restaurants, in denen die Speisen auf einem rundlaufenden Fliessband angeboten werden, und wo man für mehr als zwölf Teller weniger als 14 Franken bezahlt. Bei uns gibt es diese Art Sushi-Restaurants zwar auch, diese sind im Vergleich aber deutlich teurer.

Was haben Ihre Eltern durch Ihr Auslandsemester gelernt?

Dass ein solches auf vielen Ebenen eine bereichernde Erfahrung sein kann. Ich glaube, meine Mutter hatte keine guten Erfahrungen gemacht, als sie in ihren Zwanzigern in Japan war. Obwohl hier seit den 1980er-Jahren vieles stagniert, haben sich bis heute einige kulturelle Dinge, wie soziale Normen, geändert – zumindest bei der jüngeren Generation. Die jungen Leute sind jetzt etwas aufgeschlossener und viel neugieriger gegenüber der Aussenwelt. Ein weiteres gutes Beispiel dafür ist, dass junge Japanerinnen und Japaner nicht vorhaben, sich ihr ganzes Leben lang ein und demselben Unternehmen zu widmen, wie ihre Eltern es taten.

Obwohl in Japan seit den 80er-Jahren vieles stagniert, haben sich bis heute einige kulturelle Dinge wie soziale Normen geändert.
Theo Markwardt

Was war der wichtigste und was der unnützeste Ratschlag im Vorfeld?

Ich würde auf jeden Fall empfehlen, einige grundlegende Sätze auf Japanisch zu lernen, bevor man sich auf den Weg macht. Der unnützeste Hinweis war, dass Japaner sich ungern mit Ausländern unterhalten würden. Meine Erfahrungen zeigten nämlich, dass 99 Prozent der japanischen Studierenden, die ich getroffen habe, von «Westerners», wie Leute aus westlichen Ländern genannt werden, fasziniert sind und sich gerne mit ihnen unterhalten. Auch wenn sie manchmal schüchtern sind oder Englisch nicht so gut beherrschen.

Haben Sie mehr oder weniger Geld ausgegeben als gedacht?

Auch wenn ich viel ausgegeben habe, war das Leben in Japan am Ende günstiger, als ich erwartet hatte. Das liegt daran, dass der Yen tief im Kurs liegt. Weiter sind die Restaurants viel günstiger als in Europa.

Welches war Ihr prägendstes Erlebnis abseits des Uni-Alltags?

Ich hatte die schönste Zeit meines Lebens, als ich mit Freunden die Insel Okinawa besuchte – dort gibt es sehr schöne Strände und gutes Essen. Oder als ich über Weihnachten in Hokkaido Skifahren war.

Was ist ein wirklich originelles Mitbringsel?

Ich habe viele Kleidungsstücke im Stadtteil Shimokitazawa gekauft, einem angesagten Künstlerviertel in Tokio. Auch von Uniqlo, einem japanischen Kleiderhersteller, dessen Läden teils bis zu sieben Etagen zählen, habe ich viele Sachen mitgebracht.

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