Vivienne Woodtli (26) ist eine der ersten Humanmedizin-Masterstudierenden an der Universität Luzern. Die Schwyzerin freut sich, nun vermehrt Erfahrungen mit Patientinnen und Patienten zu machen. Gleichzeitig forscht sie zur Anpassung von Muskelzellen in der Schwerelosigkeit.

Vivienne Woodtli, Studentin im Joint Master Medizin (voraussichtlicher Abschluss 2023). (Bild: Silvan Bucher)

Vivienne Woodtli, weshalb möchten Sie Ärztin werden, war das eventuell schon früh ein Berufswunsch?

Vivienne Woodtli: Ich habe mich schon seit dem Kindesalter für die Naturwissenschaften interessiert und wollte zunächst Meeresbiologin, Archäologin oder Astronautin werden. Der Wunsch, Medizin zu studieren, kam erst später, als ich realisierte, dass mich letztlich doch der Mensch und seine Anpassungsfähigkeit am meisten fasziniert. Dieser Fokus auf den Menschen gab schliesslich auch den Ausschlag: Ich wollte lernen, wie der gesunde Mensch funktioniert, was einen kranken Menschen ausmacht und wie man dessen Leiden lindern oder heilen kann.

Nach dem Bachelor, der zur Hauptsache in Zürich stattgefunden hat, studieren Sie nun seit dem vergangenen Herbst «richtig» in Luzern. Wie gefällt es Ihnen?

Nach den ersten drei Jahren ist es toll, endlich mehr Einblicke in die klinische Praxis zu erhalten und somit einen stärkeren Bezug zum klinischen Alltag zu bekommen. Die in Zusammenarbeit mit verschiedenen Partnerinstitutionen durchgeführten praktischen Kurse sind sehr gut gemacht, spannend und auch sehr lehrreich. Ich bin froh, dass ich in der momentanen Corona-Zeit in Luzern studiere, da es den Verantwortlichen ein grosses Anliegen ist, uns trotz der sich dadurch stellenden Hürden eine fundierte klinische Ausbildung zu ermöglichen. Die Dozierenden sind generell sehr engagiert. Ein enorm wichtiger Punkt für uns Studierende ist der gute Kontakt mit der Studiengangsleitung der Universität und dem Luzerner Kantonsspital (LUKS): Wir fühlen uns von dieser Seite sehr ernst genommen und aufgehoben, alle unsere Anliegen werden angeschaut und soweit als möglich auch umgesetzt. Ein grosses Plus ist natürlich die Familiarität des Studiengangs; wir kennen uns alle gut. Dadurch ist es einfacher, sich im Unterricht zu melden und sich aktiv zu beteiligen, als in einem Raum mit unbekannten Mitstudierenden. Auch sind wir durch unseren Fachverein «FluMed» untereinander und mit allen Verantwortlichen gut vernetzt.

Erzählen Sie mehr über «FluMed».

Wir sind die erste Kohorte des Joint Masters Medizin, somit hat uns die Struktur einer Studiengemeinschaft gefehlt, wie dies jeder Studiengang normalerweise hat. Meine Kommilitonin Florence Odermatt hatte die Idee, einen Fachverein zu gründen, was sie, Luca Siragusa, Philipp Schelbert und ich schliesslich in die Tat umsetzten. Für uns ist es wichtig, ein Sprachrohr für die Studierenden zu sein. Denn Verschiedenes ist bei diesem neuen Studiengang noch im Fluss, und wir Studierenden sind, wie Medizin-Professor Reto Babst so schön sagt, Pionierinnen und Pioniere. «FluMed» gibt uns eine Plattform, um mit den beiden Universitäten, dem LUKS und weiteren Partnern kommunizieren zu können. Natürlich dürfen auch die Events nicht fehlen, die einen guten Zusammenhalt fördern. 

Es ist schön, dass wir in Luzern eine solch gute und breite klinische Ausbildung bekommen.

Wie muss man sich Ihren Studienalltag vorstellen?

Jeweils am Vormittag haben wir – zurzeit coronabedingt online – Vorlesungen sowie einen etwas interaktiveren Teil. Die klinischen Kurse finden nachmittags vor Ort in Luzern und Umgebung statt. Hier können wir das bis anhin erworbene Wissen umsetzen und bekommen den richtigen Umgang mit Patientinnen und Patienten vermittelt. Das ist sehr wertvoll und motiviert, beim Lernen am Ball zu bleiben, sodass man in den Kursen auch etwas versteht und mitmachen kann. Es ist schön, dass wir in Luzern eine solch gute und breite klinische Ausbildung bekommen. Dies ist wichtig, da wir uns auf diese Weise gut vorbereitet fühlen für das Praktikumsjahr, das im nächsten Semester beginnt.

Ein Praktikum haben Sie ja bereits hinter sich …

Ja, im 7. Semester steht unter anderem ein Hausarztpraktikum mit 32 Lektionen à 45 Minuten auf dem Programm. Dieses durfte ich bei Aldo Kramis in Emmenbrücke absolvieren. Hier kam ich mit der ganzen Bandbreite an Diagnosen und Behandlungen in Berührung und konnte entsprechend profitieren: Vom alljährigen Check-up über psychiatrische Erkrankungen bis hin zu Wundversorgungen war alles dabei. Ich kannte Doktor Kramis bereits, da er mein Mentor ist. Im ersten Semester erhalten alle Luzerner Medizin-Studierenden eine Mentorin oder einen Mentor zugeteilt, Ärztinnen und Ärzte aus verschiedenen Fachrichtungen. Dank des Mentoring-Programms haben wir eine 1:1-Betreuung, auf die wir immer zurückgreifen können. Es bietet uns die Möglichkeit, bereits in den beiden ersten, doch sehr theoretischen Jahren ein wenig Klinikluft zu schnuppern, falls wir das wollen. Dadurch konnte ich bereits ab dem ersten Semester ab und zu in Aldo Kramis’ Praxis reinschauen. Diese Einblicke in die ärztliche Praxis waren für mich sehr motivierend und lehrreich. 

Welche Themen interessieren Sie besonders, ist eventuell auch schon die Masterarbeit ein Thema?

Die Medizin ist thematisch extrem breit, genau das schätze ich an diesem Studium. Mich interessieren vor allem Themen wie innere Medizin, Pädiatrie, Anästhesie oder Psychiatrie. Dies sind alles Fächer, bei denen man ein breites gefestigtes Wissen braucht und bei denen der Patientenkontakt im Vordergrund steht. Wie erwähnt, bin ich aber auch sehr interessiert an Naturwissenschaften und Forschung. Aus diesem Grund habe ich ein Thema für die Masterarbeit auf diesem Gebiet gesucht. Schon im zweiten Jahr konnte ich meine Arbeit am Anatomischen Institut der Universität Zürich bei Professor Oliver Ullrich anfangen. Es geht um die Anpassung von Muskelzellen in der Schwerelosigkeit. Für mich ein tolles Thema, da mich die Anpassungsfähigkeit des menschlichen Körpers sehr interessiert. Ebenfalls ein Vorteil dieses Joint Masters: Ich habe in Luzern die Möglichkeit, eine gute klinische Ausbildung zu erhalten, kann aber eine reine Forschungsarbeit in einem relativ spezifischen Gebiet in Zürich machen. 

Wissen Sie bereits, in welche Richtung Sie wollen? Käme auch Hausärztin in Frage?

Das ist eine schwierige Frage, ich möchte mir diese wichtige Entscheidung noch offenhalten und vor allen Dingen das Praktikumsjahr abwarten. Wenn ich mich jetzt bewerben müsste, wäre dies aber die Anästhesie, da ich dieses Gebiet sehr spannend finde und ich damit auch die Flug- und Tauchmedizin verbinden kann. Hausärztin zu werden, ist für mich ebenfalls eine Option, aber erst nach einigen Jahren klinischer Erfahrung. Wie ich bei meinem Praktikum gesehen habe, hat man in einer Hausarztpraxis im 15-Minuten-Takt mit neuen Patientinnen und Patienten mit komplett unterschiedlichen Krankheitsbildern zu tun. Um diese Patienten gut zu versorgen, braucht man viel Erfahrung und ein grosses Wissen.

Gemeinsamer Studiengang mit Zürich

Vivienne Woodtli ist eine der 28 Studierenden, die im Herbstsemester 2020 ihr Masterstudium der Humanmedizin in Luzern aufgenommen haben – eine Premiere. Beim Joint Master Medizin handelt es sich um einen gemeinsamen Studiengang der Universitäten Luzern und Zürich. Die Studierenden sind für die ersten drei Bachelorstudienjahre an der Universität Zürich im sogenannten «Luzerner Track» eingeschrieben und erwerben den Bachelor of Medicine. Für den ebenfalls drei Jahre dauernden Masterstudiengang wechseln die Studierenden an die Universität Luzern. Dieser wird mit einem Master of Medicine als Joint Degree abgeschlossen. 

Das Interview wurde im Rahmen des Jahresberichts 2020 der Universität Luzern von Dave Schläpfer, stv. Leiter der Universitätskommunikation, geführt. Der Bericht steht unter dem Motto «Absolventinnen und Absolventen im Fokus». Neben verschiedenen Alumnae und Alumni wurde Vivienne Woodtli als Abgängerin in spe porträtiert.