Die 24-jährige Shivaswini Mathiyaparanam ist Obwaldnerin und gleichzeitig Teil der tamilischen Diaspora. Mit dieser Erfahrung, die ihre Identität prägt, hat sie sich auch im Rahmen ihrer preisgekrönten Bachelorarbeit auseinandergesetzt.

Shivaswini Mathiyaparanam bei einer Stiege/Brüstung mit hölzerner Kunst am Bau an den Wänden, die man als Brücken- bzw. Verbindungsteile interpretieren könnte
Brückenbauerin: Shivaswini Mathiyaparanam im Gebäude der Universität Luzern. (Bild: Samira Haas)

Zuhause in zwei Welten: Geboren und aufgewachsen im Obwaldner Hauptort Sarnen und gleichzeitig Teil der tamilischen Diaspora. Shivaswini Mathiyaparanam ist es wichtig, das Verbindende zu betonen, und sie vermeidet es, sich mit Oberflächlichkeiten zu befassen: «Auch wenn Vorurteile entstehen, versuche ich zu verstehen, was die Menschen antreibt, so zu denken und handeln, wie sie es tun.»

Kein Wunder also, ist die junge Frau im Studium der Gesellschafts- und Kommunikationswissenschaften glücklich geworden. Genau hinschauen, Zusammenhänge aufdecken, verstehen wollen: Das liegt ihr. Sie schildert Geschichten und Anekdoten aus ihrer Kinder- und Jugendzeit so mitreisend und anschaulich, dass ihr Talent als Kommunikatorin offensichtlich ist.

Engagement als Mentorin

Neben dem Gymnasium besuchte Shivaswini Mathiyaparanam in Luzern die tamilische Schule. Dort vertiefte sie ihre Tamil-Kenntnisse und lernte viel über die Kultur des Landes, aus dem ihre Eltern geflüchtet waren. Schon als Teenager stand sie Kindern von Geflüchteten als Mentorin zur Seite und unterstützte gelegentlich auch deren Eltern bei Behördengängen oder dem Verfassen von Korrespondenz. «Ich wollte dabei helfen, die Ankunft im neuen Land zu vereinfachen und mein Wissen weitergeben», erklärt sie. So wurde sie für ihre Mentees zur Brückenbauerin zwischen Kulturen.

Nach der Matura entschied sich die heute 24-Jährige für das Studium der Wirtschaftswissenschaften an der Universität Luzern – ihr gefiel der Gedanke, dass ihr der Abschluss viele Türe öffnen würde. Doch es kam anders. «Eigentlich hasse ich es, Dinge nicht zu Ende zu bringen», beteuert Shivaswini Mathiyaparanam, als sie von ihrem Wechsel an die Kultur- und Sozialwissenschaftliche Fakultät erzählt. Nach zwei Jahren habe sie sich eingestehen müssen, dass sie immer dann für das Studium brannte, wenn sie Wahlpflichtveranstaltungen an der Schwesternfakultät besuchte. «Mir gefiel, wie diskursiv das Studium dort war: Es ist ausdrücklich erwünscht, dass man nicht nur liest und sich Wissen aneignet, sondern auch hinterfragt, kritisch beleuchtet und eigene Ideen entwickelt.»

Meine betreuende Professorin hat mich schon früh dabei unterstützt, eigenständig Forschungsfragen anzugehen.
Shivaswini Mathiyaparanam
Absolventin des Bachelors Gesellschafts- und Kommunikationswissenschaften

Und hier hat sie nun auch ihr Bachelordiplom entgegennehmen dürfen. An der Feier Mitte März wurde ihr sogar der Preis für die beste Bachelorabschlussarbeit in diesem Abschlusssemester verliehen. Betreut wurde diese von Soziologie-Professor Sophie Mützel. «Sie hat mich schon bei einer Seminararbeit dabei unterstützt, eigenständig Forschungsfragen anzugehen», so Shivaswini Mathiyaparanam. Als begeisterte Nutzerin von sozialen Medien war ihr aufgefallen, dass Menschen wie sie, die in ganz unterschiedlichen Kontexten zuhause sind, auf Plattformen wie Instagram vor besonderen Herausforderungen stehen. 

Wie können sie sich dort Freundes-, Bekannten- und Familienkreisen präsentieren und dabei auf alle authentisch wirken? Während sich Menschen gewohnt sind, in Face-to-face-Situationen unterschiedliche Facetten ihrer Persönlichkeit zu zeigen – etwa im beruflichen Kontext, im Umgang mit der Familie oder unter Freunden – können auf sozialen Medien plötzlich «alle» zuschauen und beurteilen, ob ein bestimmtes Verhalten authentisch wirkt.

Die Sache mit der Ironie 

Für tamilische Secondas und Secondos stellt sich die Problematik zugespitzt dar. «In der tamilischen Diaspora ist beispielsweise Ironie sehr verbreitet und oft etwas derber, als sich das Schweizerinnen und Schweizer gewohnt sind», erklärt Shivaswini Mathiyaparanam an einem konkreten Beispiel die Herausforderung, authentisch zu kommunizieren, ohne dass man den einen oder anderen Teil der Kontakte auf sozialen Medien vor den Kopf stösst. 

Anders gesagt: Globalisierung und Migration haben zu einer komplexen Identitätsbildung geführt, die sich in der Selbstdarstellung auf sozialen Medien widerspiegelt. Und diese Spiegelung hat die Obwaldnerin in ihrer Bachelorarbeit am Beispiel tamilischer Secondas und Secondos in der Schweiz herausgeschält. Zum Einsatz kamen dabei qualitative Forschungsmethoden. Zunächst wurden zahlreiche Instagram-Profile analysiert, um wiederkehrende Muster und Themen in der Selbstdarstellung von tamilischen Secondas und Secondos zu identifizieren. Dann ergänzte Mathiyaparanam die Daten durch qualitative episodische Interviews. Diese lieferten wertvolle Einblicke in die Gedankenwelten junger Menschen, die verschiedene jeweils Identitätstypen repräsentieren. 

Talente zum Einsatz bringen

Nach ihrem Bachelorabschluss hat es die junge Frau in die Praxis gezogen – sie absolviert derzeit ein Praktikum in der Kommunikationsabteilung des Flughafen Zürich. «Ich habe schon immer sehr gerne geschrieben», sagt sie. Ihr Talent als Geschichtenerzählerin kommt im Praktikum genauso zum Zug wie auch ihre Begeisterung dafür, zwischen unterschiedlichsten Menschen Brücken zu bauen. Ob sie für einen Master an die Universität zurückkehrt oder weitere Erfahrungen im Berufsleben sammeln wird: Ihre Talente hat Shivaswini Mathiyaparanam inzwischen entdeckt und wird diese zweifellos in ganz unterschiedlichen Kontexten gewinnbringend einsetzen können.

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