Jeder Mensch trifft täglich Tausende Entscheidungen. Haben diese mit Geld zu tun, kann es teuer werden. Anja Garbely erforscht in ihrer Doktorarbeit, wie wir uns ohne sachliche Grundlagen für oder gegen eine Investition entscheiden.

Anja Garbely vor dem Universitätsgebäude (Bild: Philipp Schmidli)

Was ist Ihre Meinung zu Blockchain? Besitzen Sie selbst Kryptogeld? Oder halten Sie von den neuen Währungen nichts? Und woher kommt Ihre Skepsis – oder eben Ihr Optimismus? Was für die neue Währungstechnologie gilt, ist bei vielen anderen Themen ähnlich. Ob Wirtschaftskrisen, Klimafragen oder gesellschaftliche Entwicklungen: Wir alle sind Tag für Tag mit grossen Themen und ebenso grossen Fragen konfrontiert. Und die meisten von uns bilden sich früher oder später eine Meinung. «Mich interessiert, wie es zu dieser kommt», sagt Anja Garbely, die am Lehrstuhl von Manuel Oechslin, Professor für Internationale Ökonomie, als wissenschaftliche Assistentin und Doktorandin tätig ist.

Als weiteres Beispiel erwähnt die 28-Jährige die sogenannte Dotcom-Blase. Diese trieb zu Beginn der 2000er-Jahre Tausende Kleinanlegerinnen und -anleger in den Ruin. «Viele von ihnen hatten kurz zuvor voller Euphorie in Internet-Firmen investiert – und das, obwohl zu diesem Zeitpunkt noch niemand wusste, welche Folgen die neue Technologie auf die Wirtschaft und die Gesellschaft haben würde.»

Fundamentale Unsicherheit

Gemeinsam mit den Professoren Manuel Oechslin und Johannes Binswanger (Universität St. Gallen) als Co-Autoren geht Anja Garbely der Frage auf den Grund, wie die Erwartungen über den Erfolg einer Investition entstehen – und welches dabei die relevantesten Kriterien sind. «Sachliche Grundlagen werden natürlich nicht einfach ignoriert», sagt Garbely. «Wenn jedoch keine entsprechenden Informationen vorhanden sind, hat dies eine fundamentale Unsicherheit zur Folge, die letztlich dazu führt, dass die Investoren ihre Entscheidungen aufgrund von subjektiven Erwartungen tätigen.» Dies sei besonders häufig in der Anfangsphase einer möglichen grossen Innovation der Fall. «Niemand weiss, ob und wie stark die Innovationen die Wirtschaft tatsächlich prägen werden – und trotzdem muss eine Investitionsentscheidung gefällt werden.» Aus diesem Grunde würden Investorinnen und Investoren subjektive Erwartungen über den Erfolg ihrer Investition bilden. «In unserem Modell zeigen wir auf, wie diese Erwartungen entstehen.» Eine entscheidende Rolle spiele hierbei der narrative Wettbewerb verschiedener Interessengruppen.

Niemand weiss, ob und wie stark die Innovationen die Wirtschaft tatsächlich prägen werden – und trotzdem muss eine Investitionsentscheidung gefällt werden.
Anja Garbely, wissenschaftliche Assistentin

Beispiel Krypto-Markt: Obwohl Bitcoin und Co. mittlerweile in den Mainstream vorgedrungen sind, gehen die Meinungen unter Expertinnen und Experten über die Blockchain-Technologie weit auseinander. «Während die traditionellen Banken der Technologie nach wie vor mit Skepsis begegnen, hegen Krypto-Enthusiasten keinen Zweifel am Erfolg dieser neuen Technologie.» Wer am Ende Recht behält, weiss heute natürlich niemand. Klar ist aber: Beide Seiten wollen die Bürgerinnen und Bürger in die eine oder andere Richtung beeinflussen. «In unserer Arbeit identifizieren und gewichten wir die verschiedenen Faktoren, welche potenzielle Investoren zu einem positiven oder negativen Entscheid bewegen», sagt Garbely. «Zudem gehen wir der Frage nach, inwiefern diese Faktoren von einem unabhängigen Regulator kontrolliert und gewichtet werden könnten, etwa um zu starke Euphorie zu verhindern.»

Die Forschungsarbeit findet Anja Garbely spannend. «Langfristig sehe ich mich aber eher ausserhalb der Forschung», meint die Doktorandin. Besonders reizen würde sie ein Job in einem internationalen Umfeld. «Interessante Stellen gibt es auch beim Bund oder bei den Zentralbanken.» Auch eine Tätigkeit im Ausland würde die junge Frau ansprechen. «Noch ist alles offen», sagt sie. Ihren «Rucksack» hat sie jedenfalls schon gut gefüllt: Nach dem Erlangen des Bachelors in Volkswirtschaft an der Universität in Bern und einem Praktikum im Bereich der Wirtschaftspolitik des Kantons Bern schloss Anja Garbely 2017 das Masterstudium in Politischer Ökonomie an der Universität Luzern ab. Während des Studiums arbeitete sie im Bereich Investor Relationship Management als Projektleiterin.

Lieber Krimis als Sachbücher

Wer sich mit Anja Garbely unterhält, braucht übrigens nicht lange zu raten, woher sie kommt. «Aufgewachsen bin ich in Glis bei Brig», erzählt sie in breitem «Wallisertiitsch». Mit ihrer Heimat ist sie auch heute noch stark verbunden. Obwohl sie sich sehr wohl fühlt in Luzern und «die familiäre Atmosphäre» der Universität zu schätzen weiss, packt sie am Freitagnachmittag regelmässig ihre Sachen, um das Wochenende im Wallis zu verbringen. «Meine Familie sowie viele meiner Freunde wohnen dort.» Auch verbringt sie viel Zeit in den Bergen – im Sommer zu Fuss, im Winter mit den Skiern. Ausserdem liest sie auch in ihrer Freizeit gerne, wie sie verrät. «Dann jedoch viel lieber einen spannenden skandinavischen Krimi als ein Wirtschafts-Sachbuch.»

unilu.ch/anja-garbely