Zur Uni gehen, das Studium abschliessen, einen Traumjob finden und Geld verdienen. So stellen wir uns unsere Karriere vor. Doch dann stehst du da, mit dem Bachelor in der Tasche, aber doch mit nichts in der Hand – dafür in einem fremden Land.

2014 habe ich an der Universität Kabul den Bachelor in Umweltwissenschaften abgeschlossen. Danach habe ich als Umweltexperte bei der nationalen Umweltschutzbehörde gearbeitet. Und dann kam alles anders: Ich musste flüchten, mein Heimatland verlassen und landete schliesslich in einer Unterkunft des Asyl- und Flüchtlingsdienstes Uri. Ich bin Ghulam Abbas Askari, 25 Jahre alt, und komme aus Afghanistan. Ich lebe seit einigen Monaten in der Schweiz und habe das Gefühl, dass mein Studium hier nichts wert ist.

Ich habe das Gefühl, dass mein Studium in der Schweiz nichts wert ist.

Im letzten Semester besuchte ich das Schnupperstudium an der Uni Luzern. Das ist ein Angebot, bei dem Flüchtlinge (mit Bewilligung B, F oder N) als Hörerinnen und Hörer an Lehrveranstaltungen teilnehmen können. Zwar konnte ich so keine Credits sammeln, lernte dafür das Schweizer Hochschulsystem besser kennen. Darüber hinaus durfte ich die vielen Angebote – wie Beratung, Hochschulsport, Bibliothek und mehr – nutzen. Darüber war ich sehr froh. Doch eigentlich hätte ich lieber wieder im Umweltbereich gearbeitet. Einen Job zu finden, ist mir trotz meines Bachelors bisher noch nicht gelungen. Das geht vielen Flüchtlingen mit akademischer Ausbildung so. Ich denke, die Gründe dafür sind einerseits, dass die Unternehmen in der Schweiz nicht mit unseren Studiengängen vertraut sind. Andererseits sind die Anforderungen an die Studierenden in der Schweiz viel höher.

Wegen der politischen Situation in Afghanistan kann ich nicht zurückkehren und mich dort für die Umwelt einsetzen. Deshalb würde es mich sehr interessieren, in der Schweiz in diesem Bereich zu arbeiten. Damit ich hier bald einen Job finden kann, bleibt mir nichts anderes übrig, als zuerst die Sprache besser zu lernen. Neben dem täglichen Deutschkurs hatte ich nicht viel Zeit, um viele Vorlesungen zu besuchen. Trotzdem hat mir das Schnupperstudium in vielerlei Hinsicht geholfen: Ich habe auch die Schweiz besser kennengelernt und viele Leute getroffen. Ein paar Studierende engagieren sich freiwillig als Mentorinnen und Mentoren für die Flüchtlinge im Schnupperstudium. Sie versuchen, uns zu helfen, und organisieren Anlässe für Studierende und Geflüchtete. Für dieses Engagement bin ich sehr dankbar.

Fehlerloses Deutsch – schwierig

Zusätzlich habe ich einmal wöchentlich mit Daniela Dürr, Masterstudentin der Gesellschafts- und Kommunikationswissenschaften, Deutsch gelernt. So konnte ich die Sprache anwenden und wurde auf Fehler hingewiesen. Daniela stolperte dabei selbst über Konjunktiv-, Akkusativ- und Superlativ-Fallen. Oft hat sie mir gesagt, wie froh sie doch sei, dass sie nie selbst Deutsch habe lernen müssen. Sie half mir auch beim Bewerbungen-Schreiben oder Formulare-Ausfüllen und erzählte mir von ihrem Leben in Luzern. Damit ich bald einen Job finde, der meinen Interessen und Kompetenzen entspricht, möchte ich ein neues Studium anfangen. Ab dem nächsten Semester beginne ich an der Hochschule Luzern den Bachelor of Science in Energy and Environmental Systems Engineering. Bis dahin lerne ich weiterhin fleissig Deutsch und schreibe Bewerbungen – das falle auch vielen Leuten von hier schwer, hat Daniela mal gemeint. Sie hat diesen Text für mich verfasst, um meine Geschichte zu erzählen.

Ghulam Abbas Askari

Ehemaliger Teilnehmer am Schnupperstudium für Flüchtlinge. Seit dem Start 2017 haben es 47 Personen besucht. Nächste Anmeldefrist: 31. Juli 2020. Mehr Informationen