Eisschnellläuferin Nadja Wenger aus Schenkon (LU) startet an den bevorstehenden Olympischen Spielen in Peking. Dass die Vereinbarkeit von Studium und Spitzensport nicht immer ganz einfach ist, weiss die 30-jährige Absolventin des Masterstudiengangs in Weltgesellschaft und Weltpolitik aus eigener Erfahrung.

Rasend schnell unterwegs: Nadja Wenger beim Training. (Bild: ©Kevin Voigt)

Nadja Wenger, hatten Sie schon immer eine sportliche Karriere geplant?

Nadja Wenger: Geplant würde ich nicht sagen. Ich komme aus einer sehr sportlichen Familie. Mein Vater zum Beispiel hat schon immer Sport gemacht, etwa Langlauf. Sport war seit jeher Teil unseres Familienalltags. Meine beiden Brüder und ich haben dann mit Inline-Skaten angefangen. So sind mein jüngerer Bruder Livio und ich zum Eisschnelllaufen gekommen. Er etwas früher als ich. Das hat damit zu tun, dass ich noch am Studieren war und es in der Schweiz fast nicht möglich ist, professionell Eisschnelllauf zu betreiben. Beispielswiese gibt es keine 400-Meter-Bahn. Daher bin ich erst relativ spät zum Eisschnelllauf gekommen.

Wie haben Sie es geschafft, Spitzensport und Studium unter einen Hut zu bringen?

Während meines Studiums war ich noch im Inline-Skaten aktiv. In dieser Zeit stand das Studium an erster Stelle. 2018 habe ich meinen Master abgeschlossen und konnte mich nun ganz auf den Sport konzentrieren. Das war der Moment, als ich zum Eisschnelllauf wechselte, und seither liegt mein Fokus voll auf dem Sport. Vorher lief halt vieles parallel. Es war nicht immer ganz einfach, alles unter einen Hut zu bringen, aber irgendwie ging es dann doch. Ich habe jetzt noch ein Jura-Fernstudium angefangen. Dieses beansprucht etwa ein 60-Prozent-Pensum. So kann man auch etwas langsamer studieren, was für meine Situation natürlich hilfreich ist.

Haben Sie das universitäre Förderangebot zu Spitzensport und Studium (siehe Box unten) in Anspruch genommen?

Ich habe meine sportliche Tätigkeit und mein Studium selbst organisiert, ohne grosse Unterstützungen. Leider wird Inline-Skaten nicht immer als vollwertiger Sport angesehen und es gibt nur sehr wenig Unterstützungsangebote. Das war aber kein grosses Problem. Für mich hat es immer funktioniert, ohne Ausnahme­regelungen oder Spezialbewilligungen.

Alumni Nadj Wenger im Portrait
Nadja Wenger. (Bild: ©David Avolio)

Welche sportlichen Höhepunkte gab es während Ihrer Studienzeit?

Ein Highlight im Zusammenhang mit Studium und Sport war sicher die Sommeruniversiade 2017 in Taiwan, an der ich im lnline-Skaten teilgenommen habe. Ich wurde Siebte und erreichte ein Diplom im Punktausscheidungsrennen über 10'000 Meter. Das war eine sehr tolle Erfahrung.

Ging es in Ihrer Abschlussarbeit ebenfalls um Aspekte des Sports?

Nein, ich habe über sambische Frauen im sogenannten Kupfergürtel, dem bedeutendsten Kupferabbaugebiet Afrikas, geschrieben. Es ging darum aufzuzeigen, aufgrund welcher Faktoren Frauen in Sambia benachteiligt werden.

Was haben Sie aus Ihrem Studium an der Universität Luzern mitgenommen, das Ihnen heute noch nützt?

Sicherlich sehr viel. Vielleicht nicht in erster Linie auf Inhalte bezogen, sondern mehr, wie man an bestimmte Sachen herangeht. Ich musste lernen, mich zu organisieren, gerade durch die doppelte Belastung von Studium und Sport. Wertvoll sind auch die verschiedenen Leute, die man kennenlernt und die unterschiedlichen Ansichten, die an einer Uni konzentriert sind. Ich habe das Studium sehr genossen und empfinde es immer noch als extreme Bereicherung. Ich habe immer sehr gerne studiert und studiere ja immer noch. Lernen ist etwas, das ich gerne mache.

Was möchten Sie Studierenden mit auf den Weg geben, die ebenfalls eine Karriere im Spitzensport anstreben?

Es lohnt sich auf jeden Fall. Auch wenn es anspruchsvoll ist. Man muss Prioritäten setzen und sich organisieren können und fähig sein, mit Belastungen umzugehen. Durchhaltevermögen ist sicher wichtig. Das Studium alleine ist ja schon anspruchsvoll, und wenn noch die Belastung vom Sport hinzukommt, ist das wirklich nicht immer einfach. Dafür hat es extrem schöne Seiten, vor allem, wenn sich Erfolge einstellen.

Seit Ihrem Masterabschluss 2019 ist Sport Ihre Hauptbeschäftigung. Aktuell haben Sie sich für die Olympischen Winterspiele in Peking qualifiziert, die am 4. Februar starten – herzliche Gratulation! Ist das nun der Höhepunkt oder haben Sie eventuell bereits sogar schon weitere Karriereschritte geplant?

Pläne habe ich in dem Sinne nicht. Ich werde mich nach den Olympischen Spielen zunächst wieder neu sortieren müssen. Vorerst mache weiter wie bisher und fokussiere mich auf das, was vor mir liegt.

Wie sieht der Fahrplan in den nächsten Wochen aus?

Die Organisation für Olympia ist dieses Mal Corona-bedingt etwas kompliziert. Man braucht zum Beispiel zwei PCR-Tests. Wenn wir dann in Peking ankommen, dauert für mich die Wartezeit bis zum Rennen relativ lange, dieses findet am 19. Februar statt. Aber ich gehe trotzdem mit allen mit, um bei meiner Trainingsgruppe zu sein.

Update: Nadja Wenger hat an den Olympischen Winterspielen m Massenstart-Halbfinale den 10. Platz belegt.

Förderung dualer Karrieren

Die Universität Luzern fördert, abgestützt auf das Kantonale Sportförderungsgesetz, die Vereinbarkeit von Spitzensport und Studium. Immatrikulierte Studierende, die nachweislich ihr Studium mit einer Spitzensport-Karriere kombinieren («Status Spitzensport»), sollen nach Möglichkeit von Ausnahmelösungen profitieren können. Zwar können keine Abstriche bei den Leistungen des Studiums gemacht werden. Hingegen gibt es Möglichkeiten der Flexibilisierung, beispielsweise durch Ausnahmeregelungen für die Termine der Prüfungen oder der maximalen Studiendauer. Aktuell sind es elf Studierende, die von den «Status Spitzensport»-Möglichkeiten Gebrauch machen. Diese betreiben professionell Handball, Rudersport, Biathlon, Eiskunstlauf, Kraft­dreikampf, Langlauf und Radball. Der prominenteste Spitzenathlet, der an der Universität Luzern bislang sein Studium absolviert hat, ist Ruder-Olympiasieger Mario Gyr.

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Daniel Jörg
Mitarbeiter Universitätskommunikation