Robert Doepgen (23) hat ein Semester am Instituto Tecnológico Autónomo in Mexiko studiert. Der Tipp des Bachelorstudenten in Philosophy, Politics and Economics (PPE): am neuen Ort eine Alltagsroutine aufbauen.

Imposant: Robert Doepgen auf einem Boot im Cañón del Sumidero, der touristisch als «Mexikos Antwort auf den Grand Canyon» beworben wird.

Robert Doepgen, was hat Sie an der Gast-Uni am meisten überrascht? 

Robert Doepgen: Der Unterricht ist deut­lich verschulter als in Luzern: Statt zwölf Se­mesterwochen gibt es achtzehn. Es besteht An­wesenheitspflicht, die Klassen sind eher klein, und es gibt wöchentliche Hausaufgaben. Aus­serdem war ich erstaunt, dass der Campus ab­gesperrt ist und man sich täglich mit einer Karte einchecken muss. 

Welche Lehrveranstaltung hinterliess einen bleibenden Eindruck? 

Der Kurs «Politik der internationalen Wirtschaftsbeziehungen»: Er hat mir Einblicke in Handelskriege, Zölle und internationale Or­ganisationen wie den Internationalen Wäh­rungsfonds gegeben – Themen, die in Zukunft vermutlich wichtiger werden. Der Unterricht wurde auf Spanisch gehalten, was für mich auch sprachlich eine Bereicherung war. Die Professorenschaft war allgemein sehr unter­stützend und schätzte es, wenn Austauschstudierende sich aktiv einbrachten. 

Wie sah ein typischer Tag in Ihrem Austausch­semester aus? 

Morgens machte ich mich auf den zehnmi­nütigen Weg zur Uni, wo ich meine Vorlesun­gen besuchte. Danach ging ich oft mit einem Freund ins Fitnessstudio oder joggte in einem nahegelegenen Park. Mittags ass ich auf einem kleinen Markt typisch mexikanisches Essen und erledigte anschliessend Uni-Aufgaben. Abends kochte ich mit meinen Mitbewohnern oder traf mich mit Freunden, um Filme zu schauen oder eine Bar zu besuchen. 

Was würden Sie am liebsten an die Universität Luzern importieren? 

Die Anwesenheitspflicht in allen Kursen: So sieht man sich regelmässig, was es viel ein­facher macht, Freundschaften zu schliessen und aufrechtzuerhalten. In Luzern ist es oft so, dass Studierende nicht immer erscheinen, vor allem in Veranstaltungen ohne Anwesenheits­pflicht. Dadurch kann es passieren, dass man Leute, mit denen man sich eigentlich gut ver­steht, nur selten oder gar nicht mehr sieht, wenn man sich nicht aktiv darum bemüht. 

Was werden Sie an der Universität Luzern nun mehr denn je schätzen? 

Die angenehmen Vorlesungszeiten: Wäh­rend am Instituto Tecnológico Autónomo Kurse teilweise um 7 Uhr morgens beginnen oder bis 22 Uhr abends gehen, sind die Stun­denpläne in Luzern deutlich entspannter.

Wo haben Sie Ihre erste Freundschaft geschlossen? 

Bevor mein Studium in Mexiko-Stadt be­gann, habe ich mit einem Schweizer Freund zwei Wochen lang das Land bereist, insbeson­dere den Bundesstaat Oaxaca. Unter anderem von den dortigen Städten liessen sich übrigens die Macher des Pixar-Films «Coco» inspirie­ren. In dieser Zeit haben wir schnell neue Leute kennengelernt – besonders am Strand in Puerto Escondido, wo ich beim Volleyballspielen meine erste Freundschaft geschlossen habe. 

Welche kulturellen Unterschiede sind Ihnen aufgefallen? 

Insbesondere das Thema Sicherheit. Ob­wohl ich mich in Mexiko die meiste Zeit sicher fühlte, wurde ich von Einheimischen oft vor bestimmten Orten oder Reisen – etwa nach Chiapas oder Guanajuato – gewarnt. Nachts habe ich grundsätzlich keine öffentlichen Ver­kehrsmittel genutzt und auch andere Warnun­gen stets ernst genommen. Dennoch habe ich meine geplanten Reisen unternommen und sogar das berüchtigte Viertel «Tepito» in Me­xiko-Stadt besucht. Meistens war ich mit Ein­heimischen unterwegs, welche die lokale Situ­ation gut einschätzen konnten.

Wo haben Sie am besten gegessen?

Definitiv in meiner Stamm-Taquería «El Corral», wo ich fast täglich Tacos bestellte.

Welches war Ihr prägendstes Erlebnis abseits des Uni-Alltags?

Zu Beginn meines Aufenthaltes habe ich am Marathon in Mexiko-Stadt teilgenommen und so die 22-Millionen-Metropole beim Lau­fen kennengelernt.

Worauf sind Sie besonders stolz?

Ich konnte meine Sprachkenntnisse merklich verbessern. Mexikanerinnen und Mexikaner lieben es, mit Ausländern Spanisch zu sprechen. 

Was raten Sie Studierenden, die ihren Auslandaufenthalt noch vor sich haben?

Baue dir einen Alltag auf! Ein Austausch­semester ist kein Dauerurlaub. Finde eine Routine, die dir hilft, dich wirklich zu Hause zu fühlen.

Welche Ihrer persönlichen Fähigkeiten oder Eigenschaften haben sich im Laufe des Semesters verändert?

Ich bin offener und kontaktfreudiger ge­worden. Fremde anzusprechen, fällt mir jetzt leichter. Ausserdem habe ich eine gewisse Leichtigkeit gegenüber dem Leben entwickelt, die ich hoffentlich beibehalten werde.

Man lernt unglaublich viel, nicht nur akademisch, sondern auch über sich selbst und über eine neue Kultur.
Robert Doepgen

Würden Sie anderen empfehlen, ein Aus­tauschsemester zu machen?

Ja, absolut! Dank der guten Anrechenbar­keit der Studienleistungen und der Unterstüt­zung durch das International Relations Office kann man sich voll auf das Erlebnis konzent­rieren. Es ist nicht nur eine Floskel: Man lernt unglaublich viel, nicht nur akademisch, son­dern auch über sich selbst und über eine neue Kultur.

Haben Sie mehr oder weniger Geld ausgege­ben als gedacht?

Dank niedriger Mieten und günstiger Le­benshaltungskosten konnte ich relativ sparsam leben. Allerdings haben die vielen Reisen mein Budget etwas gesprengt. Das erhaltene Stipen­dium war eine grosse Hilfe.

Was erwies sich als komplizierter als gedacht?

Im Anschluss an mein Auslandssemester bin ich nun gegenwärtig daran, in Mexiko ein Praktikum zu absolvieren. Dafür benötigte ich als Aufenthaltsbewilligung den «Temporary Resident»-Status. Es stellte sich als viel kompli­zierter heraus als gedacht, diesen zu erlangen. Im Vergleich zu jener in der Schweiz erwies sich die mexikanische Verwaltung als deutlich intransparenter und zeitaufwendiger.

Was für ein Praktikum absolvieren Sie?

Ich arbeite noch bis Ende Jahr im Finanz­planungsteam bei «Tiendas 3B», einer expan­dierenden Supermarkt-Kette mit fast 3000 Fi­lialen in Mexiko. Ich war durch eine französi­sche Freundin dazu gekommen, die ebenfalls dort gearbeitet hatte. Spanischkenntnisse wa­ren zwar keine Voraussetzung, für den Aus­tausch unter den Mitarbeitenden sind diese meines Erachtens aber unerlässlich. Mir gefällt es bis jetzt sehr, auch habe ich viel gelernt – so war ich etwa mitverantwortlich für die Publi­kation der Quartalszahlen. Ich bin dankbar, auch für mein Praktikum ein Stipendium zu er­halten.

Andrea Leardi

Outgoing Mobility Coordinator

www.unilu.ch/iro