Anne-Dominique Geiser, Studentin im Masterstudiengang «Weltgesellschaft und Weltpolitik», hat ein Semester an der Pontifical Catholic University of Peru in Lima verbracht. Dabei machte die 26-jährige Stanserin auch Bekanntschaft mit der «hora peruana».

Anne-Dominique Geiser mit Freunden auf einer Trekking-Tour
Anne-Dominique Geiser (2. v. r.) mit Freunden während einer viertägigen Trekking-Tour in den Anden, die teilweise auf Höhen von über 4000 m ü. M. führte

Anne-Dominique Geiser, was ist die wichtigste Erkenntnis, die Sie mit nach Hause genommen haben?

Anne-Dominique Geiser: Während meines Aufenthalts musste ich – mit einigem Schrecken – feststellen, wie schweizerisch ich tatsächlich bin! Uns typischerweise zugeschriebene Charaktereigenschaften wie etwa Pünktlichkeit, Exaktheit, Freundlichkeit und die damit verbundene Kompliziertheit, welche ich sonst als überspitzt und wirklich nicht besonders auf mich zutreffend belächle, kamen im Umgang mit anderen Kulturen teilweise dann plötzlich doch zum Vorschein …

Können Sie Beispiele geben?

Das Zeitverständnis etwa ist ein völlig anderes: So musste ich merken, dass man, wenn der Unterricht gemäss Stundenplan beispielsweise um 11 Uhr anfängt, dies nicht allzu eng sehen sollte. Nicht nur einmal stand ich ein paar Minuten nach dem eigentlichen Vorlesungsstart noch alleine vor verschlossenen Türen. Es gibt dafür sogar einen Begriff: hora peruana. Überrascht war ich auch von der Unverbindlichkeit, gerade hinsichtlich Abgabeterminen. Geschlagene eineinhalb Monate nach der Deadline, die ich dank einer schlaflosen Nacht voller Koffein, Nägelkauen und viereckigen Bildschirmaugen einhalten konnte, verkündete der Professor, dass nun bitte wirklich alle langsam ihren Essay einreichen müssten.

Welche Lehrveranstaltung hinterliess einen bleibenden Eindruck?

«Estratificación y Clase Social», wo wir uns mit der sozialen Bedeutung von Geschlecht, Rasse und Klassenzugehörigkeit beschäftigten. Ein Thema, das an sich bereits spannend ist, im Hinblick auf Peru jedoch nochmals interessanter wird und zweifellos hilfreich ist beim Verstehen der vom Machismus und von extremen sozialen Unterschieden geprägten Kultur des Landes.

Was würden Sie am liebsten an die Universität Luzern importieren?

Die verschiedenen Cafés auf dem weitläufigen Campus, auf dessen Wiesen man sich überall hinsetzen oder -legen kann. Wunderbare Alternativen für all jene, denen die allzu ernste und angespannte Atmosphäre der Bibliothek zum Lernen nicht zusagt – und für diejenigen, die mal eine Pause davon brauchen.

Was schätzen Sie an der Universität Luzern nun mehr denn je?

Die perfekte Lage, welche nicht nur schön, sondern auch mit ÖV oder Fahrrad gut und gemütlich erreichbar ist, ohne dass man, aufgrund der Anreise durch den chaotischen und unberechenbaren Verkehr, den Tag bereits mit Wut- und Schweissausbrüchen beginnen muss. Ausserdem, dass das Gebäude geschlossen, isoliert und beheizt ist, wenn es draussen kalt ist, und die sauberen Toiletten.

Wo haben Sie Ihre erste Freundschaft geschlossen?

In meinem neuen Zuhause in Lima am Morgen meiner Ankunft mit einer meiner Mitbewohnerinnen. Generell ist es unglaublich einfach, im Austauschsemester Freundschaften zu schliessen, jedoch ist es beinahe unmöglich, diese alle zeitgerecht zu pflegen.

Was haben Ihre Eltern durch Ihr Auslandsemester gelernt?

Dass «no news» tatsächlich meistens «good news» sind, und dass das Wifi bei mir zuhause ausgesprochen schlecht funktionierte.

Haben Sie mehr oder weniger Geld ausgegeben als gedacht?

Tatsächlich ein bisschen mehr. Das hängt aber hauptsächlich damit zusammen, dass ich weniger Kurse belegte, als ich dachte, was mehr Freizeit und entsprechend mehr Zeit zum Geldausgeben bedeutete. Unter anderem unternahm ich verschiedene Bergtouren und brauchte entsprechende Ausrüstung. Die hohen Berge Perus und die abwechslungsreichen Landschaften haben mich definitiv verzaubert – entsprechend bereue ich keinen einzigen Centavo!

Was ist ein originelles Mitbringsel?

Neue Freundschaften und Geschichten! Und die billige Kopie eines Fussballshirts der peruanischen Nationalmannschaft, welche während meines Aufenthalts seit 36 Jahren endlich wieder einmal den Einzug in die WM geschafft hat – etwas, was nicht wenige Einheimische zu Tränen rührte und was dazu führte, dass der Tag darauf, nach einer äusserst ausgelassenen Party, doch glatt zum Feiertag erklärt wurde. Viva Perú!

Andrea Leardi
Outgoing Mobility Coordinator