«Macht euch die Erde untertan!» Die jahrhundertelange Fehlinterpretation dieses Bibelverses hat die Vorstellung des Verhältnisses des Menschen zur Natur in drastischer Weise mitgeprägt. Zeit für eine Korrektur. Und Zeit für die Religionspädagogik, einen Beitrag zu leisten.

In und mit der Natur, nicht wider die Natur: «Adam und Eva im Irdischen Paradies» (1745 1829) von Johann Wenzel Peter. Das über drei Meter breite Ölgemälde befindet sich in der Vatikanischen Pinakothek. (Bild: Wikimedia Commons)

Der Klimawandel und nicht zuletzt die Corona-Krise konfrontieren uns Menschen weltweit auf bedrohliche Weise mit der Tatsache, dass unser Planet an seine Grenzen gekommen ist. Folgerichtig macht etwa die Fridays-for-Future-Bewegung öffentlich auf die zukünftigen Gefahren aufmerksam und mahnt notwendige Schritte an, um die Einhaltung des 1,5-Grad-Ziels doch noch zu erreichen.

Wissenschaftlich fundiert sind die Diagnosen zur ökologischen Krise von Forschenden auf der ganzen Welt. Angehörige des Stockholm Resilience Center haben 2015 neun sogenannte planetare Grenzen identifiziert. Als besonders problematisch werden der Verlust an Biodiversität, der Stickstoff- und Phosphoreintrag vor allem durch Überdüngung der Böden, der Klimawandel, der Landnutzungswandel und die Versauerung der Meere erachtet. Weltpolitisch sind diese Zeichen der Zeit seit Längerem erkannt. Im Anschluss an den Rio-Gipfel der UN 1992 wurden in der UN-Agenda 2030 siebzehn Ziele für eine nachhaltige Entwicklung formuliert – dies mit Hinweis auf die Schlüsselrolle der Bildung. Dass Bildung als Ziel und als entscheidende Methode für mehr Nachhaltigkeit ausgemacht wurde, ist zentral. Demnach haben auch christliche Bildung und die akademische Praktische Theologie ihre Beiträge dazu zu leisten, um Kinder, Jugendliche und Erwachsene über die massiven Risiken aufzuklären und für einen nachhaltigeren Lebensstil zu motivieren.

Umweltethische Botschaft

Eine erste Bildungsaufgabe für christliche Gottesrede liegt bereits darin, die fatale und folgenschwere Fehldeutung der berühmten alttestamentlichen Schöpfungsnarrative des Buches Genesis im Alltagsbewusstsein wieder geradezurücken: Statt «Macht euch die Erde untertan!», wie es in einer früheren Bibelübersetzung von Gen 1,28 heisst, geht es den Verfassern der ersten Schöpfungserzählung im Gegenteil um Folgendes: Die Menschheit hat den göttlichen Auftrag zur Bewahrung der Schöpfung. Nicht im Raubbau an den Ressourcen der Erde, sondern in der Stellvertretung des Schöpfergottes als gutem Erbauer und Bewahrer der Welt liegt die umweltethische Sinnspitze von Genesis 1,1–2,4a. Bei diesem berühmten Sechstagewerk handelt es sich um einen Text, der gegen Mitte bis Ende des 6. Jahrhunderts v. Chr. nach dem Babylonischen Exil von jüdischen Priestern als monotheistisches Glaubenszeugnis verfasst wurde. Dieser mehrstrophige Hoffnungshymnus hat unser jüdischchristliches Welt- und Menschenbild bis heute massgeblich beeinflusst, speziell zu den Stichworten Gottebenbildlichkeit und Menschenwürde.

Papst Franziskus mit seiner Enzyklika «Laudato Si’. Über die Sorge für das gemeinsame Haus» bereits 2015 öffentlich Farbe bekannt.

Eine weitere Bildungsaufgabe zielt auf eine demütige menschliche Selbsterkenntnis sowie ein verändertes Handeln: Hierzu hat prominent Papst Franziskus mit seiner Enzyklika «Laudato Si’. Über die Sorge für das gemeinsame Haus» bereits 2015 öffentlich Farbe bekannt, indem er die menschliche Wurzel der ökologischen Krise deutlich angesprochen und zu einer ökologischen Umkehr sowie einer Abkehr von einem fehlgeleiteten Anthropozentrismus aufgerufen hat.

Landesgrenzen überschreitender Austausch

Im Bereich der religionsdidaktischen empirischen Forschung sind die die Klimakompetenzen Heranwachsender genauer zu erheben und im Blick auf schulische Bildungsangebote in der Sekundarstufe in fächerübergreifender Perspektive zu evaluieren. Hier starte ich eine Kooperation mit Kolleginnen und Kollegen aus der Biologie-, Geografie- und Politikdidaktik in Baden-Württemberg im Rahmen eines neuen Promotionskollegs «Bildung zum Klimawandel» (ProBiKlima), das an der PH Freiburg i. Br. angesiedelt ist sowie im dortigen Research Center for Climate Change Education and Education for Sustainable Development (RECCE).

Und was kann die Religionspädagogik in der Hochschullehre leisten? Etwa mein Angebot eines entsprechenden Hauptseminars im laufenden Herbstsemester: Unter Anspielung auf die zweite und ältere Schöpfungserzählung vom Garten Eden (Genesis 2,4b ff.) trägt es den Titel: «Verlorenes Paradies? Religiöse Bildung für nachhaltige Entwicklung ». Die Professorinnen und Professoren Christian Cebulj und Hildegard Scherer (Theologische Hochschule Chur), Werner Riess (PH Freiburg i.Br.), Katrin Bederna (PH Ludwigsburg), Markus Vogt (LMU München) und ich bieten den Studierenden per Videokonferenz die Möglichkeit, über die sozialethischen, bibeltheologischen, empirischen und religionspädagogischen Aspekte einer religiösen Bildung für nachhaltige Entwicklung in einen Diskurs zu treten. Wir hoffen auf diese Weise, unsere Augen für klimapolitische Anliegen zu schärfen und für zukünftige Bildungsangebote an vielfältigen religiösen Lernorten (Schule, Kirche, Hochschule, Medien, Erwachsenenbildung) fruchtbare Impulse und Denkanstösse geben zu können. Die bisherigen Seminarsitzungen haben gezeigt: Bei den Teilnehmenden finden sich diverse Bildungshintergründe, Problemwahrnehmungen und Lösungsideen. Bleibt nur zu hoffen, dass potenzielle Handlungsimpulse aus den theoretischen Diskussionen nicht zu spät in der Praxis ankommen.

Foto Christian Hoeger

Christian Höger

Seit September Professor für Religionspädagogik und Katechetik sowie Leiter des Instituts für Religionspädagogik (RPI)
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