Digitale Lehre an der Universität Luzern - Interview mit Matthias Söllner

Nebst den Studierenden sehen sich auch unsere Dozierenden in diesen Tagen mit verschiedenen Herausforderungen konfrontiert. Professor Matthias Söllner, Dozent im Fach Information Management, teilt mit uns im Interview seine Einschätzung der Lage. Ebenfalls thematisiert wird das Thema Datenschutz und mögliche Langzeitperspektiven für digitale Lehrformate.

Wie haben Sie als Dozent den Wechsel auf die digitale Lehre erlebt?

Es musste ja alles sehr schnell gehen, da wir bereits mitten in den Vorlesungen waren. Für dieses kurze Zeitfenster fand ich die Umsetzung aber sehr gut strukturiert. Die Universität hat hier wirklich gute Arbeit geleistet. Speziell Dozierende, welche vorher noch wenig oder keine Erfahrung mit den neuen digitalen Lehrformaten wie der Zoom-Videokonferenz hatten, wurden hier gezielt mittels Fragestunden über deren Benutzung instruiert. Für mich als Wirtschaftsinformatiker waren diese neuen Tools bereits bekannt. Ich habe hier aber auch insoweit profitiert, dass ich beispielsweise an meinem eigenen Lehrstuhl an der Universität Kassel die Zoom-Infrastruktur, die ich aus Luzern hatte, bereits nutzen konnte. Da Kassel zu dieser Zeit selbst noch diverse Punkte in Sachen Datenschutz abklären musste und eine fertige Lösung somit noch nicht zur Verfügung stand, kam mir dies sehr entgegen.

Sie erwähnen das Thema Datenschutz. Die Videokonferenz-Software Zoom steht aktuell deswegen unter Kritik. Wie stehen sie zur Verwendung von Zoom?

Um dies zu beantworten muss die anfangs vorherrschende Situation in Luzern beachtet werden. Das neue Studiensemester war hier zu Beginn der Krise bereits vollständig angelaufen und es war deshalb wichtig, die zahlreichen Lehrveranstaltungen weiterhin möglichst reibungslos anbieten zu können und den Unterricht zu gewährleisten. Dafür brauchte es eine schnelle Lösung. Aus diesem Grund hat für mich die Universitätsleitung völlig richtig und im Sinne der Studierenden entschieden. In Kassel hingegen ist der Fall insofern etwas anders gelegen, als dass wir uns hier noch in den Semesterferien befanden und somit mehr Zeit für das Finden einer Lösung zur Verfügung stand. Zwischenzeitlich und als Reaktion auf die starke Kritik von Alexander Roßnagel, Seniorprofessor am Institut für Wirtschaftsrecht und wie ich, einer der Direktoren des Wissenschaftlichen Zentrums für Informationstechnik-Gestaltung (ITeG) der Universität Kassel, ist die Geschäftsleitung von Zoom DACH (Deutschland, Österreich und Schweiz) an uns herangetreten und hat ihre Datenschutzrichtlinien radikal angepasst. Somit bestehen, falls richtig konfiguriert, nun grundsätzlich auch keine Bedenken mehr bezüglich der weiteren Anwendung von Zoom.

Im Hinblick auf Ihr Fachgebiet Wirtschaftsinformatik: Wie beurteilen Sie langfristig gesehen die nun angewendeten Lehrformen und Methoden im digital-lecturing?

Momentan befinden wir uns - wie bereits erwähnt - in einem Ausnahmezustand, in welchem die Inhalte der Lehrveranstaltungen eins zu eins digitalisiert werden. Dies entspricht nur bedingt dem, wie sich digitales Lernen idealerweise gestalten sollte. Um qualitativ hochwertige, digitale Lehre anzubieten, müsste man das alles noch genauer auf die jeweiligen Kanäle zuschneiden. Für die Dozierenden geht es nun aber aktuell erst einmal darum, die neuen Möglichkeiten und Herausforderungen, welche sich mit dieser Art von Unterricht bieten, genauer kennenzulernen und zu erproben. Ich selbst bin grundsätzlich ein grosser Fan von blended-learning Ansätzen, also die Kombination von digitalen und klassischen Lehrelementen. Diese setzte ich auch schon vor der Krise in der Praxis an der Universität Luzern um, etwa mittels Zeitfenstern für ‘’co-create your exam’’ Aufgaben. Hierbei können die Studierenden nach jeder Lerneinheit eigene Prüfungsfragen erstellen, diese hochladen und anderen zur Verfügung stellen. Bei all den neuen Möglichkeiten sollte man sich jedoch stets die Frage vor Augen halten, ob dadurch auch wirklich ein didaktischer Mehrwert für die Lernenden generiert wird.

Vielen Dank für Ihre Einschätzungen.

 

 

Matthias Söllner ist ordentlicher Professor für Wirtschaftsinformatik und Systementwicklung an der Universität Kassel und lehrt als externer Dozent an der Universität Luzern.