Walter Kirchschläger ist einer derjenigen unermüdlichen «Chrampfer», dank denen es zur Gründung einer Universität in Luzern gekommen ist. Der Alt-Rektor blick zurück – und verrät sein Geheimrezept: persönliche Begegnung und Dialog.

«Ja, da kommen schon Erinnerungen hoch. Ich habe hier zahlreiche Lehrveranstaltungen abgehalten.» Walter Kirchschläger sieht sich im Hörsaal an der Pfistergasse 20 in der Nähe des Kasernenplatzes um. Es handelt sich um einen der verschiedenen Standorte, an denen früher – vor dem Bau des Hauptgebäudes beim Bahnhof – Räumlichkeiten der Universität Luzern untergebracht waren. Der mittlerweile 78-Jährige war von 1982 bis zu seiner Emeritierung 2012 Professor für Exegese des Neuen Testaments an der Uni respektive ihren Vorgängerinstitutionen. Er versah das Amt des Rektors von 1990 bis 1993 sowie von 1997 bis 2000 und war schliesslich Gründungsrektor 2000/2001 der damals neu errichteten Universität in ihrer heutigen Form. Damit hatte er massgeblichen Anteil an der Gründung und war in die Startphase involviert. Darauf angesprochen, ist es Kirchschläger wichtig zu betonen: «Ja, das stimmt sicherlich – aber ich war nur eine von ganz vielen Personen aus Wissenschaft, Politik, Kirchen und Gesellschaft, die sich zugunsten dieses Projekts engagiert haben.»
«Glücksfall» Luzern
Die Idee einer Universität in Luzern in der Zentralschweiz – dies sei alles andere als populär gewesen, als er, von Wien herkommend, in Luzern als Professor begonnen habe. «So hatte das Luzerner Stimmvolk ja erst vier Jahre davor, 1978, Nein zur Errichtung einer solchen gesagt.» Einmal davon abgesehen, sei die Berufung nach Luzern an die damalige Theologische Fakultät für ihn persönlich ein «Glücksfall» gewesen; alles habe wunschgemäss geklappt. «Als erster verheirateter katholischer Theologieprofessor in der Schweiz und in Luzern als jüngster und zudem als zweiter Ausländer – da machte man sich halt schon seine Gedanken.» Doch er sei hier in der Leuchtenstadt mit seiner Frau und seinen vier Kindern herzlich empfangen worden.
In dieser ersten Zeit ging es darum, den Volkswillen zu respektieren und doch nicht stillzustehen.
«In dieser ersten Zeit ging es darum, den Volkswillen zu respektieren und doch nicht stillzustehen.» So wurde zum Beispiel 1983 das Philosophische Institut gegründet – und hier 1989 schliesslich ein Lehrstuhl für Geschichte angesiedelt, also erstmals eine Disziplin ausserhalb der Theologie. «Mit Brigitte Mürner-Gilli (CVP) stand uns ab 1987 erneut eine der Uni-Idee wohlgesinnte Bildungsdirektorin zur Seite – sie engagierte sich mit der notwendigen Umsicht und Diskretion.» Als er 1990 Rektor geworden sei, habe er sich an einen Ratschlag seines Vaters (Rudolf Kirchschläger, zwölf Jahre österreichischer Bundespräsident, †) gehalten. «Dieser sagte jeweils: Man muss mit den Menschen reden, wenn man etwas erreichen will.» Und genau dies habe er getan und den engen Dialog mit der Regierung und den Parlamentarierinnen und Parlamentariern aller Parteien gesucht, ebenso mit den Rektoren der Schweizer Universitäten. Und es geriet über die Jahre tatsächlich einiges in Bewegung; auch der Förderverein «Akademie 91» trug dazu bei: So stimmte der Kantonsrat 1993 einer kostenneutralen «Strukturbereinigung» hin zur «Hochschule Luzern» mit einer Theologischen und einer Geisteswissenschaftlichen Fakultät zu. 1995 fand zudem der Planungsbericht für eine Institution mit drei Fakultäten inklusive Rechtswissenschaft eine breite parlamentarische Zustimmung.
Drohende Schliessung
«Die Zeichen standen also gut», sagt Walter Kirchschläger. «Doch dann erfolgte 1997 – für uns völlig aus dem Nichts – der Paukenschlag.» Zuhanden der Regierung lag im Rahmen von allgemeinen Sparmassnahmen der Vorschlag auf dem Tisch, die Universitäre Hochschule zu schliessen. «Dank Brigitte Mürner konnte dies glücklicherweise abgewendet werden. Im Gegenzug gab es allerdings eine kaum bewältigbare Vorgabe: Es musste aufgezeigt werden, wie eine Universität mit drei Fakultäten wirtschaftlich betrieben werden kann.»
Wir nahmen den Fehdehandschuh auf und machten uns an die Arbeit.
Trotz dieser Hürde sei Hans Halter, der damals noch Rektor war, besonnen und pragmatisch vorgegangen: «Wir nahmen den Fehdehandschuh auf und machten uns an die Arbeit.» Die von Markus Hodel, Leiter Tertiäre Bildung, koordinierte Gruppe, zu der auch noch Markus Ries und Hans Halter zählten, hielt regelmässig «Gipfeligespräche» mit Mürner und Departementssekretär Hans Ambühl ab: «Wir griffen wie Zahnräder ineinander.» Und auch hinsichtlich Zusagen für Donationen, unter anderem von der Albert Koechlin Stiftung und von Kirchenseite, war man erfolgreich. Im Juli 1998 dann – inzwischen waren die Universitätsstiftung und als Rückendeckung der Universitätsverein mit Helen Leumann als erster Präsidentin gegründet worden – endlich das Aufatmen: Die Schliessung war abgewendet und grünes Licht da für das Weiterverfolgen des Drei-Fakultäten-Plans einer «UniLu 2000». «Nun ging es darum, das Universitätsgesetz zu erarbeiten.» Im Sommer 1999 erfolgte der Wechsel in der Bildungsdirektion von Brigitte Mürner-Gilli zu Ulrich Fässler: «Auch er zeigte Flagge für das Uni-Projekt – ein dynamisches Zugpferd und ein guter Stratege.»
Der Rest ist Geschichte: Im Januar 2000 passierte das Gesetz den Grossen Rat mit 102 : 2 Stimmen. Am 21. Mai 2000 sagte das Luzerner Stimmvolk mit 72 Prozent Ja zur Schaffung der Universität Luzern, das Unigesetz trat am 1. Oktober 2000 in Kraft. Die Freude und auch Erleichterung sei sehr gross gewesen. «Die vielen 14-Stunden-Arbeitstage und das immense Weibeln für eine Sache, über die ich als Ausländer notabene nicht selbst abstimmen durfte, hatten sich gelohnt.» 2000 und 2001 amtete Kirchschläger noch als Gründungsrektor. In dieser Zeit gleiste Paul Richli nach Vorarbeiten von Peter Gauch die Rechtswissenschaftliche Fakultät auf. Im Herbst 2001 übergab der Rektor an Markus Ries: «Ich war nach der auf jeden Fall extrem spannenden Zeit froh, den Fokus nun wieder auf meine Forschung und Lehre legen zu können.» Nach seiner Emeritierung 2012 wurde Walter Kirchschläger zum Ehrensenator ernannt. Diese Würdigung erhielten neben ihm bislang Ulrich Fässler, Helen Leumann (†), Brigitte Mürner-Gilli, Alt-Rektor Paul Richli und Doris Russi Schurter, die zweite Präsidentin des Universitätsvereins.