Smilla Späti hat in diesem Herbstsemester ihr Studium der Kulturwissenschaften mit Schwerpunkt Ethnologie an der Universität Luzern aufgenommen. Hier ist sie durchaus keine Unbekannte.
Rund 1100 Neuanmeldungen fürs Studium hat es für dieses Semester, das nun seit Mitte September läuft, an der Uni Luzern gegeben. Smilla Späti ist eine derjenigen Neuzugänge, die ihr Bachelorstudium begonnen haben. Die 18-jährige Luzernerin machte vor dem Sommer ihren Abschluss an der Kantonsschule Alpenquai – und nach einem Praktikum bei einer NGO und ein wenig Ferien ist sie jetzt frischgebackene Studentin. «Ich bin sehr gespannt auf alles Kommende!», freut sich Späti. Das Studium der Kulturwissenschaften biete viele Auswahlmöglichkeiten, was sie sehr schätze. Zum einen sei es der Wissensdrang, der sie antreibe, zum anderen erhoffe sie sich in den Lehrveranstaltungen anregende Diskussionen.
«Generell bin ich gespannt darauf, was sich nun nach der Kanti alles verändert.» Ein Thema sei sicher auch die weitere Zunahme der Selbstständigkeit. So oder so habe sie da studieren wollen, wo sich auch ihr Lebensmittelpunkt befinde, und werde bis auf Weiteres bei ihren Eltern wohnen bleiben. Apropos Eltern: Drängte sich die Wahl von Ethnologie als Hauptfach vielleicht auch auf, weil Smilla Spätis Mutter dies ebenfalls studiert hatte und heute als Ethnologin in der Entwicklungszusammenarbeit tätig ist? «Sicher spielte das auch irgendwie hinein, doch es hätte durchaus auch ganz anders kommen können», sagt Späti. Dies, da sie vielseitig interessiert sei – «so hätte es durchaus auch in Richtung eines naturwissenschaftlichen Studiums gehen können».
Religionspreis für die Maturaarbeit
Die Frage nach der Familie kommt keineswegs von ungefähr, sie stellt sich sozusagen automatisch. Dazu muss ein wenig ausgeholt werden: Denn zum ersten Kontakt zwischen Smilla Späti und der Universität Luzern war es bereits im vergangenen Frühling gekommen. Dann nämlich konnte seitens der Uni kommuniziert werden, dass Späti – neben Johanna Ruoff von der Kantonsschule Baden – eine der beiden Preisträgerinnen des diesjährigen Luzerner Religionspreises ist. Damit würdigen die Theologische Fakultät und das Religionswissenschaftliche Seminar der Kultur- und Sozialwissenschaftlichen Fakultät herausragende Maturaarbeiten zum Thema Religion und Ethik. Smilla Spätis ausgezeichnete Arbeit besteht aus dem 45-minütigen Film «Wir Töchter aus Bejo» sowie einer schriftlichen Erläuterung.
Bei Bejo handelt es sich um ein kleines Dorf von Kaffeebäuerinnen und -bauern auf der Insel Flores in Indonesien. Mit den Töchtern wiederum sind zum einen Smilla Späti und ihre jüngere Schwester, zum anderen ihre Mutter und zwei ihrer früheren Forschungskolleginnen gemeint. Diese drei hatten als damals an der Universität Bern tätige Ethnologinnen vor mehr als zwanzig Jahren längere Zeit in Bejo Feldforschung betrieben. Dort wurden sie ins Haus des Dorfchefs und seiner Familie aufgenommen, welche sich schnell zu ihrer zweiten – indonesischen – Familie entwickelte. Mia Méo, die Frau des Dorfchefs, nahm Smilla Spätis Mutter und ihre beiden Arbeitspartnerinnen wie eigene Töchter auf. Und dies keineswegs nur im symbolischen Sinne, sondern nach ihrem Verständnis in einem ganz konkret biologischen: Ihre drei Schweizer «Töchter» stammten, so Mia Méo, aus ihrer eigenen Gebärmutter. Damit betrachtet sie Smilla Späti und ihre beiden jüngeren Geschwister folgerichtig als ihre leiblichen Enkelkinder. Ein bedeutsamer Aspekt in diesem Kontext ist, dass das Leben in der Region einer matrilinearen Logik folgt, das Verwandtschafts- und Abstammungssystem also über die Frau definiert wird.
Emotionaler ethnografischer Selbstversuch
«Es war für mich eine hochinteressante Erfahrung, diesen Familienzweig nun, nachdem ich bereits als Kind in Bejo gewesen war, als junge Frau mit meinen Eltern und Geschwistern besuchen zu dürfen», sagt Smilla Späti. Dies einerseits emotional und durch die Auseinandersetzung mit der eigenen Familiengeschichte, aber andererseits auch in ethnologischer Hinsicht: «Zum Beispiel hat mich das Zusammenspiel von Katholizismus und Ahnenreligion sehr fasziniert.» So gebe es zum einen christliche Praktiken, zum anderen anderweitige Rituale sowie Geisterglaube und Ahnenverehrung.
Durch die filmische Dokumentation eröffnen sich ganz neue Dimensionen
Aufgrund all dieser Aspekte sei im Vorfeld die Idee aufgekommen, dieses Erlebnis im Rahmen eines Selbstversuchs zur Thematik ihrer Maturaarbeit zu machen – und zwar nicht nur schriftlich, sondern auch mit Bewegtbild: «Durch die filmische Dokumentation eröffnen sich ganz neue Dimensionen; vieles lässt sich viel einfacher und unmittelbarer als mit zahlreichen Worten vermitteln.» Da Smilla Späti natürlich vor Ort ebenfalls eins zu eins involviert war, filmten zum Teil auch andere Familienmitglieder. Auch sei ihre Mutter eine sehr grosse Hilfe gewesen, da sie nicht nur des Indonesischen mächtig sei, sondern auch die lokale Sprache Ngada verstehe. Späti plant, ihren Film im Idealfall auch an Festivals zeigen zu können. Gemäss der Jury des Religionspreises «zeugt dieser von einem grossen Gespür für ein matrilinear organisiertes Haus und zeigt tragfähige Brücken der Verbundenheit und Verantwortung zwischen Generationen und zwei ganz unterschiedlichen, geografisch und kulturell weit voneinander entfernten Familien auf».
Mögliche weitere Feldforschung
Mit Blick auf die jetzt an der Uni neu begonnene Lebensphase sagt Smilla Späti: «Mit dieser Vorerfahrung ist es natürlich schön, mir im Verlaufe des Studiums noch mehr kulturwissenschaftliches und ethnologisches Know-how und Methoden aneignen zu dürfen.» Sie sei immer auf Achse, habe viele Projekte und Ideen, daher sei ein Blick in die Zukunft schwierig. «Jedenfalls könnte ich mir sehr gut vorstellen, wieder einmal für weitere Feldforschungen und die Beschäftigung mit darauf aufbauenden oder anderen Forschungsfragen nach Indonesien zu gehen.»
