Die Höhe der Beschäftigung und Personalausgaben der Verwaltungen in den Schweizer Gemeinden: Dies steht im Fokus einer wirtschaftswissenschaftlichen Studie. Zwischen ländlichen und städtischen Regionen zeigen sich grosse Unterschiede.

Bürosituation mit Händen auf Tastatur, reinmontiert Dateiordner- und -Pfad-Symbole
(Bild: ©istock.com/SmileStudioAP)

Das dreigeschossige Gemeindehaus steht im Dorfkern. Die Leiterin der Einwohnerkontrolle führt nebenbei das Erbschaftsamt und hilft in der Finanzabteilung aus. Man kennt  und duzt sich seit der Schulzeit. Derartige Verhältnisse sind in ländlichen Gemeinden anzutreffen. In Städten sitzt die Einwohnerkontrolle an einem von zehn Standorten, flankiert von Abteilungen für digitale Transformation, Statistik oder Geodatenmanagement.

Die Unterschiede sind frappant; sie prägen Verwaltungsalltag und Politik. Oft wird ein Stadt-Land-Graben geltend gemacht. Im Policy Paper «Staatliche und staatsnahe Beschäftigung in der Schweiz» bündeln wir Fakten zu Personalausgaben und öffentlicher Beschäftigung in Schweizer Gemeinden. Die Ergebnisse sollen zur Versachlichung der Debatte beitragen und bilden die Basis zweier Dissertationsprojekte.

Zusätzliche Bedürfnisse, Vor- und Nachteile

Bevölkerungsgrösse wirkt auf Gemeindeverwaltungen über mehrere Kanäle. Erstens entstehen Skalen- und Verbundeffekte: So verursacht ein Hallenbad pro Kopf geringere Fixkosten; Mehrzweckhallen und IT-Plattformen lassen sich verschiedentlich nutzen. Zweitens wecken sinkende Durchschnittskosten neue Begehrlichkeiten. So werden beispielsweise aus einem Franken Kosteneinsparung dank Grössenvorteilen 80 Rappen Angebotsausbau und 20 Rappen Steuersenkung. Drittens sind Städte Wirtschaftsmotoren: Nähe erhöht Produktivität – sofern die Infrastruktur, wie etwa Verkehr und Hochschulen, mithält. Grösse bringt damit sowohl Kostenvorteile als auch eine spezialisierte Ansiedlung von Einwohnerinnen und Einwohnern sowie Unternehmen, die ein breites öffentliches Angebot nachfragen – und für ihren Erfolg benötigen.

Neben Vorteilen existieren durch Grösse auch Nachteile. Auch in der öffentlichen Verwaltung schafft Grösse komplexere Strukturen. Über eine optimale Betriebsgrösse hinaus erhöhen sich die Grenzkosten für die Erstellung der öffentlichen Leistungen überproportional. Schliesslich nehmen in dicht besiedelten Gebieten die Verflechtungen zwischen den Gemeinden zu. Öffentliche Leistungen werden verstärkt interkommunal genutzt. Was dies für die Gemeindeverwaltung bedeutet, ist unklar. Auf alle Fälle erschwert es die Kostenwahrheit des öffentlichen Angebots und stärkt den Ruf nach Ausgleichszahlungen.

Wie widerspiegeln sich diese theoretischen Überlegungen in der Praxis? Zur Beantwortung dieser Frage haben wir die Beschäftigung und Personalausgaben der Gemeindeverwaltungen für die Jahre 2011 bis 2022 für die vier Gemeindetypen «ländliche Gemeinden», «halbstädtische Gemeinden», «Agglomerationsgemeinden» und «Städte» ausgewertet.

Bis zu einem gewissen Grad bringt die Bevölkerungsgrösse Kostenvorteile, anschliessend steigen die Kosten wieder an.

Während im Jahr 2022 die ländlichen Gemeinden in ihrer Verwaltung Mitarbeitende mit 7,7 Vollzeitäquivalenten (VZÄ) je tausend Einwohnerinnen und Einwohner beschäftigten, waren es in den halbstädtischen Gemeinden 8, in den Agglomerationsgemeinden 9,6 und in den Städten 19,6 VZÄ. Ein differenzierteres Bild zeigt sich bei den Personalausgaben der Gemeinden. Die untersuchten Ausgaben umfassen im Gegensatz zu den Beschäftigungsdaten nicht nur die engere Verwaltung, sondern beispielsweise auch die Schulen. Die  ländlichen Gemeinden gaben 2022 je Einwohnerin und Einwohner 2205 Franken aus, die Städte 2545 Franken – in den halbstädtischen Gemeinden waren es derweil nur 1749 und in  den Agglomerationsgemeinden 1798 Franken. Hier zeigt sich also ein U-förmiger Zusammenhang zwischen den Ausgaben und der Urbanisierung: Bis zu einem gewissen Grad bringt die Bevölkerungsgrösse Kostenvorteile, anschliessend steigen die Kosten wieder an.

Im zeitlichen Verlauf liegen die Agglomerationsgemeinden vorne: Hier betrug das Wachstum der VZÄ je Einwohnerin und Einwohner zwischen 2011 und 2022 15,6 Prozent. In den  Städten waren es 9,7 Prozent. Halbstädtische und ländliche Gemeinden lagen dazwischen. Die kommunalen Personalausgaben pro Einwohnerin und Einwohner zeigen dasselbe Muster.

Nicht nur zwischen ländlichen und halbstädtischen Gemeinden, sondern auch unter den zehn grössten Städten bestehen grosse Unterschiede: Basel und Zürich beschäftigten 2022 knapp 30 VZÄ je tausend Einwohnerinnen und Einwohner, Luzern knapp 16.

Wandel der politischen Institutionen

Die Ergebnisse zeigen tatsächlich einen gewissen Stadt-Land-Graben – und vieles dazwischen. Ländliche Gemeinden haben die kleinsten Verwaltungen, halbstädtische Gemeinden die niedrigsten Personalausgaben. Dies ist so weit konsistent mit der ökonomischen Theorie. Aufmerksamkeit verdienen allerdings die Folgen des Bevölkerungswachstums, der Verdichtung der Bevölkerung und der zunehmenden Mobilität der Einwohnerinnen und Einwohner.

Abgeltungen zwischen Gemeinden für die Mitnutzung öffentlicher Güter haben stark zugenommen. Kostenwahrheit und politische Mitbestimmung zu vereinen, ist denn auch eine  der Forschungsfragen, die uns umtreiben.

Die Agglomerationsgemeinden verzeichneten in den letzten Jahren sowohl ein starkes Bevölkerungs- als auch ein starkes Verwaltungswachstum. Aus Forschungsperspektive ist dies  aus zweierlei Gründen von Interesse: Erstens ging mit dem Bevölkerungswachstum vielerorts ein Wandel der politischen Institutionen einher, insbesondere ein Übergang von Gemeindeversammlungen zu Gemeindeparlamenten und Urnenabstimmungen. Frederik Blümel beschäftigt sich daher in seiner entstehenden Doktorarbeit damit, wie sich die politischen Institutionen auf die Löhne in den öffentlichen Verwaltungen auswirken. Zweitens ist für die Schweiz aufgrund der starken Zuwanderung von Interesse, wie sich das Bevölkerungswachstum auf die Staatsausgaben im Allgemeinen auswirkt. Diese Frage vertieft Joel Gysel im Rahmen seines Dissertationsprojekts.

Policy Paper «Staatliche und staatsnahe Beschäftigung in der Schweiz»

Frederik Blümel | Joel Gysel
Doktoranden der Wirtschaftswissenschaften am Lehrstuhl von Christoph A. Schaltegger und am Institut für Schweizer Wirtschaftspolitik an der Universität Luzern (IWP)

Marco Portmann
Leiter Bereich politische Rahmenbedingungen am IWP; Dr.

Christoph A. Schaltegger
Professor für Politische Ökonomie;  Direktor des IWP
www.unilu.ch/christoph-schaltegger