Leihmutterschaft in transnationaler Perspektive: eine medizinethnologische Untersuchung sozialer Elternschaft (‚intended parenthood‘) im deutschsprachigen Raum

von Dr. Anika König

Assistierte Reproduktionstechnologien wie die Verwendung von Samen- und Eizellspenden, In-vitro-Fertilisation (IVF), intrazytoplasmatische Spermieninjektion (ICSI) und Leihmutterschaft haben in den letzten Jahren eine immer größere Bedeutung erlangt. Einer stetig wachsenden Gruppe von Menschen verhelfen diese Technologien dazu, ihren oft langgehegten Kinderwunsch zu verwirklichen. Andererseits sind diese Technologien, und hier insbesondere die Leihmutterschaft, im öffentlichen Diskurs großer Kritik ausgesetzt. Argumente sind hier unter anderem die mögliche finanzielle Notlage der Leihmütter, die sie zum Eingehen eines Leihmuttervertrags zwingt; die häufig empfundene ‚Unnatürlichkeit‘ des vertragsbasierten Austragens und darauf folgenden Abgebens eines Kindes; die Kommodifizierung und Kommerzialisierung menschlichen Lebens sowie Befürchtungen der Erschaffung sogenannter ‚Designerbabys‘ usw. Solche Kritiken und Bedenken spiegeln sich in den strengen juristischen Regelungen im deutschsprachigen Raum (Deutschland, Österreich, deutschsprachige Schweiz) wider, die weltweit zu den restriktivsten gehören. Während manche reproduktionstechnischen Maßnahmen (z.B. Inseminationen, IVF und Samenspenden in Deutschland) legal sind und unter bestimmten Umständen durch die Krankenkassen finanziell unterstützt werden, sind z.B. Eizellspenden oder Leihmutterschaften in allen drei deutschsprachigen Ländern rechtlich nicht gestattet.
Obwohl diese Situation zu einer Kriminalisierung bestimmter reproduktionstechnischer Maßnahmen führt, werden die genannten Technologien vielfach in Anspruch genommen. In den meisten Fällen bedeutet dies, dass die Betroffenen die entsprechenden Verfahren im Ausland durchführen – wobei die Ziele transnationalen reproduktiven Reisens von osteuropäischen Ländern (z.B. Ukraine, Georgien) bis hin zu Asien (vor allem Indien) und die USA reichen. Doch auch hier werden Wunscheltern mit vielfachen Problemen konfrontiert, spätestens wenn es darum geht, die gewünschte Staatsbürgerschaft für ihr Kind zu erlangen. 

Dieses Projekt hat zum Ziel, die transnationale Durchführung von Leihmutterschaften mit besonderem Fokus auf den Erfahrungen der betroffenen Wunscheltern zu untersuchen. Im Gegensatz zu bisher durchgeführten Studien, die sich in erster Linie auf nationale Kontexte beziehen, in denen die Durchführung von Leihmutterschaften legal ist (z.B. Indien, Israel, USA), soll ein besonderes Augenmerk auf der speziellen Situation liegen, in der sich Eltern aus dem deutschsprachigen Raum befinden, deren Lage durch Kriminalisierung und gesellschaftliche Inakzeptanz geprägt ist. Der methodische Schwerpunkt liegt auf der Durchführung ethnographischer Interviews mit auftraggebenden Eltern sowie ÄrztInnen, AnwältInnen, und PolitikerInnen, die sich auf professioneller Ebene mit der Thematik auseinandersetzen.