Philosophische Forschung zur Schönheit

Kommt die Schönheit eines Menschen von innen? Was bedeutet es, jemanden als schön zu bezeichnen? Ist menschliche Schönheit eine eigenständige Art der Schönheit? Diese Fragen will Lisa Schmalzried im Rahmen ihres Habilitationsprojekts beantworten.

Dr. Lisa Schmalzried

Menschliche Schönheit ist in unserer Gesellschaft nicht nur medial ein omnipräsentes Thema. Viele von uns streben nach Schönheit und investieren hierein viel Zeit und Geld. Gleichzeitig wird dieses Schönheitsstreben auch wegen der teils extrem negativen Auswirkungen auf die physische und psychische Gesundheit kritisch gesehen. Angesichts der gesellschaftlichen Relevanz überrascht es, dass menschliche Schönheit nur ein Randthema der zeitgenössischen Ästhetik ist. Diese Beobachtung motivierte Dr. Lisa Schmalzried zu ihrem Habilitationsprojekt an der Universität Luzern. Erstgutachter ihrer Arbeit mit dem Titel "Menschliche Schönheit" ist Prof. Dr. Martin Hartmann, Professor für Philosophie.

Drei aufeinander aufbauende Leitfragen

Ziel ist es, die philosophische Auseinandersetzung mit dem Thema "Menschliche Schönheit" (wieder) zu beleben. Hierzu wurden drei Fragen aufgeworfen. Ausgehend von der Frage, ob und inwieweit menschliche Schönheit auch von innen kommt, stellt sich die Frage, welche Theorie menschliche Schönheit am besten erklärt. Diese beiden Fragen führen zu einer dritten: Ist menschliche Schönheit eine eigenständige Art der Schönheit?

Eine körperzentrierte Theorie versteht menschliche als rein physische Schönheit. Sie übersieht dabei, dass allem Anschein nach geistig-charakterliche Persönlichkeitsmerkmale und/oder deren Aussenwirkung die Schönheit eines Menschen mitbeeinflussen. Eine dualistische Theorie unterscheidet daher äussere, physische Schönheit von innerer, geistig-charakterlicher Schönheit. Sie weist dabei die These der sinnlichen Abhängigkeit zurück, wonach Schönheit zumindest teilweise an direkt sinnlich wahrnehmbaren Eigenschaften festmacht. Dadurch verliert sie "Schönheit" als gut etablierten Begriff, der sich auf den sinnlich wahrnehmbaren Bereich unseres Erlebens bezieht, was man aus Gründen der begrifflichen Klarheit vermeiden sollte. Folglich verweist die metaphorische Redeweise über innere Schönheit auf keine zweite Art menschlicher Schönheit. Gemäss einer charakterologischen Theorie hängt menschliche Schönheit vom physisch-expressiven Erscheinungsbild einer Person ab. Dieses wird durch physische Merkmale und durch das, was man als sinnlich wahrnehmbaren, körpergebundenen Ausdruck geistig-charakterlicher Persönlichkeitsmerkmale deutet, bestimmt. Eine charakterologische Theorie vereint den Einwand gegen die reine Körperzentriertheit mit der These der sinnlichen Abhängigkeit und erweist sich somit als überzeugendste Theorie.

Physisch-expressive Liebenswürdigkeit

Der charakterologische Grundgedanke allein liefert noch keine inhaltlich konkrete Antwort auf die Frage, was es bedeutet, einen Menschen als schön zu bezeichnen. In meiner Arbeit plädiere ich dafür, menschliche Schönheit als physisch-expressive Liebenswürdigkeit zu verstehen. Das physisch-expressive Erscheinungsbild einer schönen Person verfügt demnach über die Disposition, eine Erfahrung der Liebenswürdigkeit hervorzurufen. Ihr Anblick ruft Wohlgefallen hervor und weckt den Wunsch, die betreffende Person kennenzulernen und eine positive zwischenmenschliche Beziehung mit ihr aufzubauen bzw. aufrechtzuerhalten, verbunden mit der Überzeugung, dass andere Menschen ebenso reagieren sollten.

Diese Analyse menschlicher Schönheit ist nicht eins zu eins auf die Schönheit anderer Objekttypen übertragbar. Menschliche Schönheit ist also eine spezifische Art der Schönheit. Dennoch mag es einen objekttypenunspezifischen Bedeutungskern geben, den alle Schönheitsurteile miteinander teilen: Schönheit ist Liebenswürdigkeit der sinnlichen Erscheinung eines Objekts.


Quelle: uniluAKTUELL, das Magazin der Universität Luzern, Ausgabe 60, September 2017, S. 5.
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