Theorie trifft auf Praxis: Ein Exkursionsbericht zum Ökihof
Im Rahmen des Seminars von Prof. Dr. Nadine Arnold fand eine Exkursion zum Ökihof REAL statt. Dabei wurde ein spannender Einblick in die Praxis des Recyclings ermöglicht sowie interessante Fragen geklärt.
Am 4. November 2025 hatten wir als Teilnehmende des Seminars «Reduce, Reuse, Recycle: Abfall organisieren», das von Prof. Dr. Nadine Arnold an der Universität Luzern geleitet wird, die Gelegenheit, den Ökihof REAL zu besuchen. Dabei erhielten wir eine Führung durch den Ökihof vom Kommunikationsteam, welches unseren Fragen ausgesetzt war. Durch das breite Spektrum an Themen, über die uns die Mitarbeitenden berichteten, haben wir verschiedenste Seiten des Ökihofs REAL Emmenbrücke kennenlernen dürfen – seien es Plastikzusammensetzungen, Abwasserthematiken oder «Abfall», der eigentlich gar keiner ist.
Der Ökihof REAL liegt in einer idealen Lage für die Entsorgung verschiedenster Unternehmen und Privatpersonen, direkt angeknüpft am Autobahnknoten vor der Stadt. Um das Verkehrsgeschehen auf der Hauptstrasse und um den Ökihof nicht zu behindern, wurde eine Art «Auffangstrasse» für die Fahrzeuge auf dem Gelände von REAL erstellt. Diese erkennt man auf dem Foto aus der Vogelperspektive: dort, wo der weisse Lieferwagen zwischen den zwei Pfeilen unterwegs ist. Wer selbst seinen Abfall entsorgt oder bereits einmal etwas zu einem Ökihof gebracht hat, weiss, wie sich solche Situationen vor Ort manchmal entwickeln können: Oft besitzen die Entsorgungsstätten kein Gelände, das gross genug ist, um die sprichwörtliche Flut von Personen aufzufangen. Folglich werden meistens grosse Staus auf den Strassen vor der Entsorgungsstelle verursacht. So aber nicht beim Ökihof REAL, der dies mit seiner «Auffangstrasse» und dem Gelände insgesamt verhindert.
REAL hat es meiner Meinung nach geschafft, Entsorgung, Schmutz und Abfall zu einem eigenen Aufräumprinzip zu entwickeln. Die Entsorgenden in ihren Fahrzeugen können am Schalter einen Zettel ziehen, mit dem Fahrzeug sauber durch eine geordnete Zufahrt einparken und mit bereitgestellten Wägen ihren Müll entladen. Mit dem Prinzip des «Einkaufswagens» schafft REAL somit eine Distanz zwischen Schmutz und Abfall: Abfall muss nicht als etwas Schmutziges wahrgenommen werden. So wird aus einer Entsorgung ein alltägliches Erlebnis, als würde man einkaufen. Auf dem Foto von der Satellitenaufnahme von Google Maps erkennt man links unten im Bild zudem das Bürogebäude von REAL, worin die kaufmännischen Arbeiten abgewickelt werden.
Der Ökihof REAL ist nicht nur eine Entsorgungsstelle, sondern beinhaltet weit mehr als man denkt. Die Substanz «Abfall» nimmt, wie auch im Seminar besprochen und in einem Clip über die Müllberge Amerikas betont, einen wichtigen Platz in unserer Gesellschaft ein. Seit der Gründung der GKLU (Gemeindeverband für Kehrichtbeseitigung der Region Luzern) im Jahr 1965 hat sich REAL kontinuierlich weiterentwickelt. Mit der Fusionierung mit GALU (Gemeindeverband für Abwasserreinigung der Region Luzern) zu der heutigen REAL im Jahr 2010 entstand das Image, wie wir es heute kennen: die blauen Fahrzeuge mit dem blauen Logo. REAL bietet dabei mit über 100 Mitarbeitenden eine solide Arbeitsstelle. Zudem wird Personen in prekären Situationen auch die Möglichkeit zur Rehabilitierung und Wiedereingliederung geboten, was uns die Mitarbeitenden erklärten. Auch wurde beim Rundgang durch den Ökihof ersichtlich, dass auf die Mitarbeitenden geschaut wird und die Sicherheit an erster Stelle steht: So hatten die Angestellten Schutzausrüstung an und sind mit ihrer witterungsbedingten Arbeitskleidung jedem Wetter gewappnet. Das Unternehmen setzt zudem stark auf grüne Energie, so wurden etwa im Jahr 2022 sieben Elektro-LKWs angeschafft. Diese werden von den Solarpanels, welche sich auf dem Dach des Ökihofs befinden, mit Strom versorgt.
Während unseres Rundgangs kam die Frage auf, was als Abfall gilt. So werden auch diverse Gegenstände – wie etwa ein Fernseher, der noch immer in der Originalverpackung ist – als Abfall in den Ökihof gebracht. Alle Gegenstände, die hier entsorgt werden, dürfen nicht weiterverkauft oder selbst mitgenommen werden, auch wenn der Abfall per se kein Abfall ist. Der Grund dafür wurde uns anhand eines Beispiels veranschaulicht: Entsorgt man Papier und entdeckt ein Buch im Haufen, so darf man dieses nicht mitnehmen oder verkaufen, da oft private Informationen darin niedergehalten sind oder das Buch eine persönliche Danksagung beinhalten kann. Allgemein alles, was im Ökihof entsorgt wird, wird ausnahmslos recycelt, da dies zum Schutz der Privatsphäre gesetzlich so geregelt ist. REAL setzt sich mit verschiedenen Aktionen dafür ein, die Trennung von Abfall zu fördern und die Entsorgung von noch funktionierenden Gegenständen zu reduzieren: So werden Plakate erstellt, auf denen man Sachen erstmal in die Brockenstube bringt oder einer Hilfsorganisation spendet. Bei meiner Frage, ob dies tatsächlich einen Einfluss auf die Gesellschaft hat, bejahte das Kommunikationsteam das, vor allem wenn es sich um die genauere Trennung von Abfall handelt.
Eine weitere interessante Thematik, besonders wenn man sich mit Wärmegewinnung nicht auskennt, ist der originelle Umgang mit dem Abwasser, welcher REAL betreibt. REAL entzieht dem Abwasser die Wärme und gewinnt damit Energie, welche in anderen Projekten eingesetzt werden kann.
Die Weiterverarbeitung von Abfall setzt REAL mit anderen Unternehmen durch, da die Schweiz nicht über die komplette Infrastruktur verfügt, um jeglichen Abfall selbst zu bearbeiten, resp. in seine Komponenten zu zerlegen. Es besteht eine enge Zusammenarbeit mit der Perlen Energie AG, um Papier herzustellen. Bei anderen Komponenten, wie etwa Plastik, erwähnte das Kommunikationsteam Kooperationen mit Firmen in Frankreich, da Plastik weit mehr als nur PET und Restplastik ist. Verschiedenste Plastikverpackungen sind komplett unterschiedlich aufgebaut und besitzen stark differenzierte synthetische Zusammensetzungen. Bei der Verarbeitung von Abfall ist REAL somit ein Glied in einer Kette von Vorgängen, wobei beim Ökihof in erster Linie alles getrennt wird.
Mit der Exkursion in den Ökihof konnten wir einen tieferen Einblick gewinnen, die Vorgänge vor Ort betrachten und persönliche Erfahrungen sammeln, welche man durch Texte nicht gewinnen kann.
Der Bericht wurde von Maximilian Lehner, Bachelorstudent in Geschichte mit Soziologie, geschrieben.

