In stetiger Bewegung
Jahresbericht 2024: Vorwort Martin Hartmann, Rektor der Universität Luzern
Eine Universität, die ihren Leitspruch «Moving Human Sciences» in die Praxis umsetzt, bewegt sich. Folglich hat auch 2024 das Gesicht unserer Universität verändert, Vorhaben und Planungen wurden verwirklicht, neue Projekte lanciert, manch alte Struktur wurde, wo erforderlich, geändert. Zuvorderst stand dabei der Wechsel in der Leitung, der im August vollzogen wurde. Nach gründlicher Einarbeitung durch meinen Vorgänger, Bruno Staffelbach, hatte ich Gelegenheit, die Universität, an der ich schon seit 2011 tätig bin, gleichsam neu kennenzulernen und in ihrer ganzen Vielfalt zu erfassen. Die Fotomosaike dieses Jahresberichts legen von dieser Vielfalt ein wunderbar buntes Zeugnis ab. Auch ein Rektor ist nur einer unter vielen, ohne die er seine Arbeit nicht ausführen könnte, und ich möchte allen Mitarbeitenden für ihr grosses Engagement danken! Wie heisst es so schön: «It takes two to tango»; ich modifiziere: «It takes many to sustain a university».
Was hat sich noch alles bewegt? Die jüngste unserer Fakultäten, jene für Verhaltenswissenschaften und Psychologie, hat ihre Arbeit mit einem Bachelorstudiengang in Psychologie aufgenommen und deutlich mehr Studierende gewinnen können als zunächst anvisiert. Wir freuen uns über diesen Zuwachs, zumal wir mit Psychologie, dies zeigen die ersten Zahlen eindrücklich, auch ein beliebtes Nebenfach gewonnen haben. Ebenfalls gestartet ist der neue Master «Climate Politics, Economics, and Law», der gleich drei Fakultäten zusammenführt, die Kultur- und Sozialwissenschaftliche, die Rechtswissenschaftliche und die Wirtschaftswissenschaftliche Fakultät. Fächer- und fakultätsübergreifend wird auch das «Zuger Institut für Blockchainforschung an der Universität Luzern» arbeiten, das wir dank grosszügiger Unterstützung durch den Kanton Zug sukzessive aufbauen können. Erste Professuren sind besetzt, weitere werden folgen. Mit dem Luzerner Kantonsspital wurde ein erneuertes Rahmenabkommen verabschiedet, das die Kooperation zwischen beiden Institutionen verstetigen und für beide Seiten optimal gestalten wird. Erfreulich entwickelt haben sich auch die Studierendenzahlen in einigen neuen Programmen der Theologischen Fakultät, besonders beim Master Ethik und beim Online-Master «Philosophy, Theology and Religions».
Eine im Vergleich noch immer recht kleine Institution wie die Universität Luzern braucht Themen und Angebote, die auffallen, die als Alleinstellungsmerkmal dienen und die gesellschaftlich, wirtschaftlich und politisch gefragt sind. Deswegen sind wir dabei, zwei universitäre Forschungszentren zu etablieren: eines im Bereich Gesundheit und Gesellschaft, eines im Bereich Digitale Transformation. In diesen Zentren wollen wir unsere humanwissenschaftliche Kompetenz bündeln und Forschungsfragen bearbeiten, die quer zu den Disziplinen stehen, und so Silodenken überwinden. Die «Luzerner Initiative für Funktionsfähigkeit, Gesundheit und Wohlbefinden», die im Forschungszentrum Gesundheit und Gesellschaft angesiedelt ist, macht hier einen Anfang, unter anderem mit der Aufgabe, ein Verständnis von Gesundheit zu entwickeln, das dem Phänomen der alternden Gesellschaft gerecht wird. Auch wollen wir die Zusammenarbeit mit unseren Nachbarn, der Pädagogischen Hochschule und der Hochschule Luzern, dort, wo es für alle Seiten sinnvoll ist, weiterentwickeln. Luzern ist ein Hochschulstandort und nicht nur ein berühmtes Tourismusziel – auf dem Campus sind insgesamt über 10 000 Studierende eingeschrieben.
Die Universität Luzern befindet sich in stetiger Bewegung. Im laufenden Jahr 2025 wird sie 25 Jahre alt – oder soll ich sagen: jung? – und lädt am 25. Oktober zum grossen Tag der offenen Tür ein. Wir wollen uns in unserer ganzen Vielfalt präsentieren, zurück- und vorausschauen. Was tun wir? Welche Fragen sind für uns wichtig? Was erwartet man von uns, in Stadt, Kanton und Land? Wir können stolz sein, denn wir haben einiges erreicht; zurücklehnen werden wir uns nicht. Dies allein deshalb nicht, weil wir in einem gesellschaftlichen, politischen und wirtschaftlichen Kontext arbeiten, der sich rasant verändert und auch für akademische Institutionen Gefahren birgt. Wissenschaft braucht stabile finanzielle Rahmenbedingungen, durch die sie ruhig und frei ihren Fragen nachgehen kann. Mancher Kürzungsplan beunruhigt, gerade in der Schweiz, deren Bildungssystem zu Recht bewundert wird. Auch politisch stehen Universitäten zunehmend unter Druck, nicht wenige Stimmen betrachten akademische Forschung als Spielball, der im Lichte je eigener Interessen hin- und her geschoben werden darf.
Nein, Forschung ist nie ganz neutral und objektiv, bereits die Wahl der Forschungsfrage entspringt einem Interesse oder gar einer persönlichen Leidenschaft. Das ist legitim, denn Wissenschaft impliziert die Bereitschaft, dieses Interesse mit anderen zu teilen, ihre Perspektiven aufzunehmen und immer wieder an der Sache oder am Thema zu brechen. Nur so kann sie wegführen von Vorurteilen und ungeprüften Meinungen und ihre Wahrheiten gewinnen.
Auch die Universität Luzern muss in der sich verändernden Welt ihre Rolle finden und diese immer wieder neu befragen. Sie tut dies nicht passiv, vielmehr erforscht sie mit wacher, aktiver und kritischer Neugier unsere Vergangenheit, unsere Gegenwart und unsere mögliche Zukunft und will auf diese Weise helfen, ein wenig Orientierung im unübersichtlichen Dickicht der drängenden Probleme unserer Zeit zu schaffen. Ich danke allen ganz herzlich, die innerhalb und ausserhalb der Universität an diesem Prozess mitwirken.
Martin Hartmann, im Juni 2025