Wort-Gottes-Feiern

Prof. Dr. Birgit Jeggle-Merz

Auf den ersten Blick erscheinen Wort-Gottes-Feiern als eine junge Form des Gottesdienstfeierns, deren Entstehung und Verbreitung in erster Linie in den Veränderungen der kirchlichen Landschaft der letzten Jahrzehnte begründet ist. In der kirchlichen Öffentlichkeit und in der Literatur geniessen diese Feiern oft keine grosse Wertschätzung, da sie als ein «Surrogat der Eucharistie» erscheinen und als eine «Spielwiese für Laien» gelten. Besonders in der Kritik stehen sonntägliche Wort-Gottes-Feiern, die sich in ihrer Feiergestalt ganz an der Eucharistie orientieren und deshalb auch wie selbstverständlich mit einer Kommunionfeier verbunden werden. In der pastoralen Praxis findet man jedoch mehrheitlich genau diese Gestalt einer Wort-Gottes-Feier vor. Hingegen haben Wort-Gottes-Feiern ihre theologische Basis in der grundlegenden Bedeutung des Wortes Gottes für das christliche Leben. Sie greifen das Anliegen der Konzilsväter des Zweiten Vatikanischen Konzils auf, die Heilige Schrift den Gläubigen wieder näher zu bringen. Die Kirche entdeckte im 20. Jahrhundert das Wort Gottes erneut als Quelle, die nicht nur über Gott spricht, sondern Ort wirklicher und wirkmächtiger Begegnung ist und deshalb einen vorrangigen Ort der Gotteserfahrung darstellt.

Wenngleich die Theologie seit dem 20. Jahrhundert die Bedeutung des Wortes Gottes vielfältig reflektiert hat, ist auffällig, dass eine systematische Erschliessung der Frage, wie das Wort Gottes in der versammelten Gemeinde Gestalt gewinnen kann, damit es auch wirklich ihre Kraft entfalten kann, immer noch pendent ist. Wie sieht eine solche Theologie der Wort-Gottes-Feier aus? Erschöpft sich die theologische Bedeutung einer Wort-Gottes-Feier darin, keine Eucharistiefeier und damit eine mangelhafte Feier zu sein? Was bedeutet es, dass es immer Christus ist, der im Hören des Wortes gegenwärtig ist? Wie lässt sich die sakramentale Dimension des Wortes Gottes, die in Wort-Gottes-Feiern Gegenwart wird, fassen, wie verstehen? Wie wird das Wort Gottes «zum Ereignis»? Welche Rahmenbedingungen auf Seiten des Menschen müssen gegeben sein?

Vorliegende Veröffentlichungen zum Thema

  • Birgit Jeggle-Merz, Wort-Gottes-Feiern als «bevorzugte Gelegenheiten der Begegnung mit dem Herrn» (VD 65). Eine Feierform in Zeiten religiöse Unmusikalität, in: Ecclesia de Liturgia. Zur Bedeutung des Gottesdienstes für Kirche und Gesellschaft. FS Winfried Haunerland. Hg. v. Jürgen Bärsch, Stefan Kopp u. Christian Rentsch. Freiburg 2021, 455-466.
  • Birgit Jeggle-Merz, «… ein gegliedertes Ganzes». Das Zusammenwirken verschiedener Dienste in Wort-Gottes-Feiern, in: Liturgische Bücher als Gegenstand liturgiewissenschaftlicher Forschung. FS Martin Klöckener. Hg. v. Hélène Bricout, Benedikt Kranemann u. Davide Pesenti. Münster 2020 (LQF 110) 540-554.
  • Birgit Jeggle-Merz, Das Wort will Ereignis werden, oder: Prolegomena zu einer Theologie der Wort-Gottes-Feier, in: Zwischen-Raum Gottesdienst. Beiträge zu einer multiperspektivischen Liturgiewissenschaft. FS Albert Gerhards. Hg. v. Benedikt Kranemann, Andreas Odenthal und Kim de Wildt. Stuttgart 2016 (Praktische Theologie heute 144) 151-169.