Soziologischer Standpunkt: «Weshalb wir mit Betrug leben können»
Warnungen vor verdächtigen Angeboten, Schulungen gegen Phishing und allgemeine Sensibilisierung sollen Betrug eindämmen – und doch nimmt er zu, gerade in der Schweiz. Wie ist das möglich, trotz all dieser Sicherheitsmassnahmen? Und was müsste geschehen, um das zu ändern?
Dr. phil. Markus Unternährer befasst sich in der aktuellen Kolumne «Soziologischer Standpunkt» mit Betrug – oder genauer: mit dem Akzeptieren von Verlusten. Ausgangspunkt ist das Konzept des «Cooling out the mark», ein Begriff aus der Welt der Betrüger*innen vor rund hundert Jahren. Damit ist gemeint, dass die Opfer nach einem Betrug «abgekühlt» werden, um den Verlust still hinzunehmen. Dass Betrug auch heute noch aktuell ist – und sogar zunimmt – zeigt sich unter anderem daran, dass Krisen, Pyramidensysteme und spekulative Manien scheinbar Teil unseres Wirtschaftslebens geworden sind. Und wie die Soziologin Brooke Harrington aufzeigt, hat sich auch das Cooling-Out-Prinzip bis heute erhalten – allerdings übernehmen die Opfer diese Rolle inzwischen oft selbst. So können Investor*innen, die Opfer von Betrug geworden sind, drei Cooling-Out Strategien anwenden. Diese schützen die persönliche Identität, wie auch die Vorstellung, dass das Wirtschaftssystem grundsätzlich funktioniert. Die Kolumne verdeutlicht, wie viel nach so einem Betrug eigentlich geschieht, welche Rolle Scham einnimmt und weshalb Betrug auch heute noch Teil unseres gesellschaftlichen Lebens bleibt. Zur Kolumne!
