Dr. Annina Sandmeier-Walt
Forschung
Forschungsschwerpunkte:
- Schweizer Klostergeschichte des 19. und 20. Jahrhunderts
- Kulturkampf, konfessioneller Wandel, gesellschaftliche Transformation und Erinnerungskulturen
Laufende Projekte
- "Augustin Keller – gefeiert, bewundert, gehasst. Eine erinnerungstopografische Annäherung an das Leben eines unbequemen Reformers." (Arbeitstitel Habilitationsschrift)
- Co-Projektleitung Stadtgeschichte Aarau
- Autorin Neue Klostergeschichten Muri und Wettingen (Publikationen 2027)
Abgeschlossene Projekte
- Nachschlagewerk Professbuch Kloster Engelberg (Redaktion)
Habilitationsprojekt
Augustin Keller – gefeiert, bewundert, gehasst. Eine erinnerungstopografische Annäherung an das Leben eines unbequemen Reformers.
Warum brauchen wir Forschung zu Augustin Keller (1805 –1883)? Augustin Keller steht für mehr als nur seine Person. Er ist Sinnbild für viele tiefgreifende Umbrüche und Auseinandersetzungen im Zeichen des Fortschritts im 19. Jahrhundert und verkörpert den Liberalismus in der Zeit des Kulturkampfs wie kein anderer. Er steht für Bildungsoffensiven, für staatliche Säkularisierungsbestrebungen (Klosteraufhebungen), für Kirchentrennung und Neugründung (Christkatholische Kirche), Gleichstellungsbestrebungen (jüdische Gemeinden) ebenso wie generell für den liberalen aargauischen Kanton des 19. Jahrhunderts, den er in den höchsten politischen Ämtern sowohl kantonal als auch national vertrat.
Die Erinnerung an Augustin Keller und die Geschichtsschreibung über ihn war lange Zeit von politischen und konfessionellen Perspektiven geprägt. Diverse Gedenkschriften zu Keller kurz nach Kellers Tod sowie auch die 1922 von seinem Sohn Arnold Keller herausgegebene Biografie zeichnen ein einseitig lobendes Bild und stützen sich dabei vor allem auf radikal-liberale Quellen. Einen scharfen Gegenpol bildete 1937 die aus konservativ-katholischer Perspektive verfasse Biografie von Martin Rosenberg, der Keller vor allem als fanatischen Gegner der römisch-katholischen Kirche darstellte. Nach dem Zweiten Weltkrieg trat das Gedenken an Keller in den Hintergrund, ehe in den 1950er-Jahren erstmals differenziertere Einschätzungen erschienen. Historiker wie Karl Schib betonten Kellers Einbindung in die politischen Strömungen seiner Zeit, ohne den Einfluss seiner Person zu schmälern. Eine Dissertation von 1973 untersuchte die Bildungsjahre Kellers. Zum 200. Geburtstag Augustin Kellers schliesslich erschienen mehrere Aufsätze von Historikerinnen und Historikern zu Aspekten seines Lebens. Doch gibt es bis heute keine wissenschaftlich fundierte und kontextualisierende Einzelstudie zu seinem Leben und dessen Rezeptionsgeschichte, einer Bandbreite oft verfestigter Meinungen, die auch nach bald 150 Jahren nach den Tod Kellers noch ganz unterschiedlich ausfallen. So erhalten Zeitungen noch immer Zuschriften, Gemeinden noch immer empörte Anrufe, wenn sie sich mit dem Leben Kellers würdigend auseinandersetzen.
Kern des Projekts bildet eine wissenschaftliche Untersuchung zum Leben und Wirken Kellers sowie zu dessen Erinnerungskultur. Darüber hinaus wird ein interdisziplinäres Forschungs- und Vermittlungsprojekt angestrebt, das sich dem Erbe und der Zeit Kellers in Politik, Gesellschaft und Kirchen annähert. Ein besonderes Augenmerk soll dabei auf die bislang wenig untersuchte Bewegung liberaler Katholiken innerhalb der römisch-katholischen Kirche zu Lebzeiten Kellers und des Zusammenlebens römisch-katholischer und christkatholischer Communities darüber hinaus gelegt werden.
