Rechtsstrukturen einer religiösen Organisation im rechtlich und religiös pluralen Kontext

Rechtsstrukturen einer religiösen Organisation im rechtlich und religiös pluralen Kontext

Projektleitung: Prof. Dr. Martin Baumann

Projektmitarbeiterin: Anne Beutter, MA

Zusammenfassung

Das Projekt untersucht die Funktion und Bedeutung von Rechtsstrukturen innerhalb einer religiösen Organisation. Diese Organisation befindet sich in einem Kontext, der durch eine rechtliche und religiöse Pluralität geprägt ist.

Inhalt und Ziel

Die Studie geht davon aus, dass die rechtliche Dimension in religiösen Organisationen nicht als ‚weltliches‘ Nebenprodukt der Organisationsförmigkeit von Religion zu verstehen ist, sondern in direkter Wechselbeziehung zur religiösen Selbstdeutung dieser Organisation steht. Die Gestalt und damit die (zugleich auch religiöse) Funktion von Recht in einer religiösen Organisation ist dabei mitgeprägt vom Verhältnis zu anderen normativen Ordnungen.

Untersucht wird dies mit einer exemplarischen Tiefenbohrung am Beispiel einer Ghanaischen protestantischen Mainline-Kirche, der Presbyterian Church of the Gold Coast (PCG), in den frühen 1950er Jahren. Der Kontext dieses Gegenstandes ist insofern rechtlich und religiös plural, als dass er einerseits von einem spät-kolonialen dualen Rechtssystem (mit kolonialen und “traditionellen” Rechtsforen) bestimmt ist und andererseits ein Spektrum verschiedener religiöser Traditionen (lokaler „traditionell-afrikanischer“, christlicher und muslimischer Couleur) aufweist. Als zentraler Quellenkorpus dienen Ältestenratsprotokolle einer ausgewählten, lokalen Kirchgemeinde. Diese dokumentieren die Rechtspraxis an der Kirchenbasis. Sie zeugen davon, wie das kirchliche Recht in der Interaktion der beteiligten Akteure produziert wird.

Wissenschaftlicher und gesellschaftlicher Kontext

In der aktuellen religionswissenschaftlichen Forschung zum Themenbereich «Religion und Recht» stehen Fragen zum Verhältnis von Religionen und staatlichem Recht im Zentrum. Der Fokus liegt dabei auf der Frage, wie organisierte Religion (Religionsgemeinschaften) und individuelle religiöse Praxis in säkularen, kodifizierten, staatlichen Rechtordnungen be- und verhandelt werden (Religion im Recht). Andere Konstellationen von Religion und Recht bleiben derzeit eher wenig spezifiziert.

Mit dem Fokus auf der rechtlichen Dimension innerhalb einer religiösen Organisation stösst das Projekt in diese Lücke. Wobei es an Perspektiven aus der rechtsanthropologischen Forschung anknüpft. Darüber hinaus ergänzt und kontrastiert dieses Projekt durch den gewählten Gegenstand die vornehmlich auf aktuelle europäische und nordamerikanische Gesellschaften ausgerichteten Studien durch einen historisch und regional anders gelagerten Fall. Mit den untersuchten Ältestenratsprotokollen wird überdies ein bisher weitestgehend vernachlässigter Quellenbestand erschlossen.