Bürgerschaftliches Engagement

Bürgerschaftliches Engagement in religiösen Immigrantenvereinen: Muslimische, hinduistische und buddhistische Vereine in der Schweiz und in Österreich am Beispiel Zürichs und Wiens 

Ein Forschungsprojekt gefördert durch den Schweizerischen Nationalfond, ab Juli 2012 für drei Jahre.

Projektleitung: Prof. Dr. Martin Baumann
Forschungsmitarbeiterinnen: Veronika Rückamp, MA; Katharina Limacher, MA

Zusammenfassung
Das Forschungsprojekt geht zwei zentralen Fragen nach: Zum einen untersucht es, welche Gemeinwohlaktivitäten in religiösen Vereinen von Immigrantinnen und Immigranten hervorgebracht werden. Zum anderen erforscht es, welche gesellschaftlichen Faktoren dieses Engagement beeinflussen.

Zielsetzung
Das Forschungsprojekt hat zum Ziel, bürgerschaftliches Engagement in muslimischen, hinduistischen und buddhistischen Vereinen zu erheben und unter der Perspektive der Sozialkapitaltheorie zu analysieren. Im Fokus der Analyse stehen in diesen Vereinen hervorgebrachte Formen von gruppenstärkendem (bonding), brückenbauendem (bridging) und vertikal verbindendem (linking) Sozialkapital. Zugleich ist zu klären, inwiefern gesellschaftliche Bedingungen der Eingliederung gruppeninterne und gesellschaftbezogene Gemeinwohlaktivitäten beeinflussen. 

Methodik 
Durch einen Vergleich von religiösen Vereinen im Grossraum Zürich (exemplarisch für die Schweiz) und Grossraum Wien (exemplarisch für Österreich) untersucht das Projekt insofern, ob unterschiedliche Staat-Kirche-Verhältnisse, symbolische Anerkennungsmodi und politische Opportunitäten Einfluss auf die Engagementbereitschaft haben. Gegenstand des Projektes ist zudem aus religionswissenschaftlicher Perspektive, welche internen Faktoren wie religiöse Lehre, charismatische Führungspersönlichkeiten oder die Anwesenheit von Konvertiten das Engagement beeinflussen und entscheidend fördern oder behindern. Zur Untersuchung werden qualitative Forschungsmethoden zugrunde gelegt.

Leitende Hypothese ist, dass die entstehenden bzw. hervorgebrachten zivilgesellschaftlichen Netzwerke das bürgerschaftliche Engagement der Vereine begünstigen und dadurch als Katalysator gesellschaftlicher Eingliederung und Teilhabe (Integration) fungieren. Zugleich gilt es die Hypothese zu prüfen, dass ausgrenzende Inkorporationsbedingungen zum Rückzug in die religiöse Gemeinschaft führen können und mittels Gemeinschaftsstärkung (bonding) eine Abgrenzung zum Aufnahmeland erhöht wird.

Umsetzung: Das Projekt wird durch zwei Doktoranden/innen über einen Zeitraum von drei Jahren bearbeitet. Während die erste Promotionsstudie ausgewählte muslimische Vereine und Gemeinschaften untersucht, konzentriert sich die zweite Promotionsstudie auf die von der Anzahl her wenigeren hinduistischen und buddhistischen Gruppierungen von Immigranten/innen. Durch das vergleichende Vorgehen sollen sowohl der Einfluss unterschiedlicher nationaler Inkorporationsbedingungen und gesellschaftlicher Diskurse als auch mögliche religionsbegründete Anhaltspunkte und Motive für bürgerschaftliches Engagement bzw. für dessen Fehlen über die Vereine hinaus herausgearbeitet werden.

Bedeutung 
Dem Projekt kommt durch seine bisher in Europa kaum verfolgte Perspektive der Erhebung und Analyse von in religiösen Vereinen von Immigrantinnen und Immigranten durchgeführten Gemeinwohlaktivitäten wissenschaftliche wie auch gesellschaftspolitische Bedeutung zu. Der europäische Diskurs vieler Studien über Immigranten und ihre Vergemeinschaftungsformen ist überwiegend geprägt durch Vorannahmen von Skepsis und randgruppenbegründeten Defiziten, die zum "Problem" und "sozialem Sprengstoff" werden könnten. In gesellschaftspolitischer Sicht eröffnet das Projekt die Perspektive, einerseits Faktoren für etwaige Rückzugs- und Abschottungstendenzen zu benennen wie andererseits die vielfach kaum wahrgenommenen Unterstützungs-, Integrations- und Gemeinwohlleistungen von Immigrantenorganisationen in die zumeist abwertende Diskussion über "Ausländer" und "Fremde" einzubringen. Dadurch soll ein nuanciertes Bild der Leistungen und Begrenzungen von Immigrantenselbstorganisationen ermöglichen werden.

Eine Zusammenarbeit besteht mit dem Zentrum Religionsforschung der Universität Luzern und dem Institut für Religionswissenschaft an der Universität Wien.

Grundlagenliteratur:

  • Franzen, Axel; Freitag, Markus (Hg.), 2007, Sozialkapital. Grundlagen und Anwendungen, Wiesbaden: VS Verlag für Sozialwissenschaften.
  • Stepick, Alex/ Rey, Terry, 2011, "Civil Social Capital: A Theory for the Relationships between Religion and Civic Engagement", in: Martin Baumann/ Frank Neubert (Hg.), Religionspolitik - Öffentlichkeit - Wissenschaft. Studien zur Neuformierung von Religion in der Gegenwart, Zürich: Pano, S. 189–214.
  • Stepick, Alex/ Rey, Terry/ Mahler, Sarah J. (Hg.), 2009, Churches and Charity in the Immigrant City. Religion, Immigration, and Civic Engagement in Miami, New Brunswick, N.J: Rutgers University Press.
  • Vortkamp, Wolfgang, 2008, Integration durch Teilhabe. Das zivilgesellschaftliche Potenzial von Vereinen, Frankfurt/Main; New York: Campus.